Staat, Europa, Gewerkschaften – alles stark?
- Freitag, 3. Juli 2009 @ 14:46
Kommentar von Karin Antlanger, BRV EXIT-sozial und GLB-Bundesvorsitzende, zum 17. ÖGB-Kongress
Wenn im nunmehr beschlossenen ÖGB-Grundsatzprogramm von einem „starken Staat“ die Rede ist, so ist mir schon klar, dass damit ein starker Sozialstaat gemeint ist. Nur soll man das dann halt auch so schreiben, denn nur vom starken Staat zu sprechen, ist eine höchst unsensible Wortwahl. Ein sozialer Staat ja, ein starker Staat nein, damit werden nur einer autoritären Entwicklung die Schienen gelegt. Starker Staat bedeutet nämlich auch Repression, bedeutet Überwachung, bedeutet Obrigkeitsdenken, wenn nicht sogar Diktatur – und das kann nicht im Sinne von GewerkschafterInnen sein. Oder will man damit dem Umstand Rechnung tragen, dass ein bedenklich großer Anteil der Bevölkerung für autoritäre Entwicklungen offen ist und der Zeitungszar Onkel Hans als Kanzler- und Präsidentenmacher agiert? Der Schritt zum Ruf nach dem „starken Mann“ ist dann nicht mehr weit.
Gleiches gilt für ein „starkes Europa“. Stark wofür? Etwa für Militarisierung und Supermachtsanspruch? Auch hier gilt: Ein soziales Europa ja, aber ein solches geht mit dieser EU, geht mit Maastricht- und Lissabon-Vertrag, mit EZB und Stabilitätspakt garantiert nicht. Die Forderung nach sozialen Grundrechten allein ist nur eine Beschwichtigung - entscheidend ist die konkrete Ausgestaltung derselben, das gilt für Österreich ebenso wie auf europäischer Ebene.
Starke Gewerkschaften sind sicher notwendig, aber stark wofür und wozu? Der ÖGB ist durch seine jahrelange defensive Lohnpolitik mitverantwortlich dafür, dass den Lohnabhängigen ihr Produktivitätsanteil vorenthalten wurde, weil man sich viel zu sehr der Leitl-Formel „Die Gewinne von heute sind die Arbeitsplätze von morgen“ unterworfen hat. Diese Gewinne wurden aber nicht in die Betriebe investiert, sondern auf dem Kapitalmarkt verzockt. Und der ÖGB hat sogar kräftig mitgezockt, siehe BAWAG-Pleite.
Laut dem vorliegenden Leitbild ist der ÖGB den Mitgliedern verpflichtet und sonst niemandem. Die Gewerkschaften dürfen sich daher nicht zum Anhängsel von Unternehmen, Regierung und Parlament machen. Und auch wenn gebetsmühlenartig das Gegenteil behauptet wird: Die Sozialpartnerschaft hat versagt. Laut der ÖGB-Umfrage von 2006 wäre die überwiegende Mehrheit der Mitglieder bereit, wichtige Anliegen auch durch einen aktiven Kampf bis zum Streik durchzusetzen.
Es wird immer offensichtlicher, dass auf diese Kampfbereitschaft der Basis quasi der Deckel draufgehalten wird. Denn wenn diese potenzielle Schwungmasse der ÖGB-Mitglieder erst einmal in Bewegung kommt, müsste auch ein Demokratisierungsprozess im Sinne von Empowerment in Gang kommen. Dann bräuchten wir auch nicht mehr überlegen, ob auch einzelne Bundesländer oder gar einzelne Mitglieder beim Bundeskongress antragsberechtigt sind.
Der jetzt wieder so stark betonte soziale Friede – Minister Hundstorfer hat ihn erst wieder in seiner Rede vor dem Kongress beschworen - hat sich in den letzten Jahren in meiner Erfahrung als Unterwürfigkeit der Gewerkschaften, als Stillhalten zum Nutzen der Konzerne und Millionäre, auf Kosten der Lohnabhängigen erwiesen.
Umso mehr ist es mir ein Anliegen an den vor 20 Jahren ums Leben gekommenen GPA-Vorsitzenden und Sozialminister Alfred Dallinger zu erinnern, der mit zwei wesentlichen Zielen, nämlich Arbeitszeitverkürzung als Antwort auf die enorme Rationalisierung und Wertschöpfungsabgabe für eine nachhaltige Finanzierung des Sozialstaates ein Visionär war. Leider sind diese heute mehr denn je aktuellen Anliegen bislang auf dem Papier geblieben.
Was jetzt notwendig ist und wofür der ÖGB eintreten muss möchte ich auf einige wenige, dafür aber umso wichtigere Punkte festmachen:
- Eine aktive Lohnpolitik und ein gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde,
- eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche,
- armutsfestes Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe und Pension,
- die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe,
- ein striktes Nein zu Privatisierungen und eine höhere Besteuerung von Kapital und Vermögen.
Papier ist geduldig, daher kommt es weniger darauf an, was in Grundsatzprogrammen oder Leitanträgen steht, sondern was tagespolitisch weitergeht und umgesetzt wird. Im vorliegenden Grundsatzpapier sind viele gute Inhalte und Forderungen enthalten. Dennoch konnte der GLB diesem Papier seine Zustimmung nicht geben, weil wesentliche Eckpfeiler der gewerkschaftlichen Verteilungsfrage nicht oder nur verwässert enthalten sind. Ein Abgehen von der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich kann von uns nicht unterstützt werden.
Wenn im nunmehr beschlossenen ÖGB-Grundsatzprogramm von einem „starken Staat“ die Rede ist, so ist mir schon klar, dass damit ein starker Sozialstaat gemeint ist. Nur soll man das dann halt auch so schreiben, denn nur vom starken Staat zu sprechen, ist eine höchst unsensible Wortwahl. Ein sozialer Staat ja, ein starker Staat nein, damit werden nur einer autoritären Entwicklung die Schienen gelegt. Starker Staat bedeutet nämlich auch Repression, bedeutet Überwachung, bedeutet Obrigkeitsdenken, wenn nicht sogar Diktatur – und das kann nicht im Sinne von GewerkschafterInnen sein. Oder will man damit dem Umstand Rechnung tragen, dass ein bedenklich großer Anteil der Bevölkerung für autoritäre Entwicklungen offen ist und der Zeitungszar Onkel Hans als Kanzler- und Präsidentenmacher agiert? Der Schritt zum Ruf nach dem „starken Mann“ ist dann nicht mehr weit.
Gleiches gilt für ein „starkes Europa“. Stark wofür? Etwa für Militarisierung und Supermachtsanspruch? Auch hier gilt: Ein soziales Europa ja, aber ein solches geht mit dieser EU, geht mit Maastricht- und Lissabon-Vertrag, mit EZB und Stabilitätspakt garantiert nicht. Die Forderung nach sozialen Grundrechten allein ist nur eine Beschwichtigung - entscheidend ist die konkrete Ausgestaltung derselben, das gilt für Österreich ebenso wie auf europäischer Ebene.
Starke Gewerkschaften sind sicher notwendig, aber stark wofür und wozu? Der ÖGB ist durch seine jahrelange defensive Lohnpolitik mitverantwortlich dafür, dass den Lohnabhängigen ihr Produktivitätsanteil vorenthalten wurde, weil man sich viel zu sehr der Leitl-Formel „Die Gewinne von heute sind die Arbeitsplätze von morgen“ unterworfen hat. Diese Gewinne wurden aber nicht in die Betriebe investiert, sondern auf dem Kapitalmarkt verzockt. Und der ÖGB hat sogar kräftig mitgezockt, siehe BAWAG-Pleite.
Laut dem vorliegenden Leitbild ist der ÖGB den Mitgliedern verpflichtet und sonst niemandem. Die Gewerkschaften dürfen sich daher nicht zum Anhängsel von Unternehmen, Regierung und Parlament machen. Und auch wenn gebetsmühlenartig das Gegenteil behauptet wird: Die Sozialpartnerschaft hat versagt. Laut der ÖGB-Umfrage von 2006 wäre die überwiegende Mehrheit der Mitglieder bereit, wichtige Anliegen auch durch einen aktiven Kampf bis zum Streik durchzusetzen.
Es wird immer offensichtlicher, dass auf diese Kampfbereitschaft der Basis quasi der Deckel draufgehalten wird. Denn wenn diese potenzielle Schwungmasse der ÖGB-Mitglieder erst einmal in Bewegung kommt, müsste auch ein Demokratisierungsprozess im Sinne von Empowerment in Gang kommen. Dann bräuchten wir auch nicht mehr überlegen, ob auch einzelne Bundesländer oder gar einzelne Mitglieder beim Bundeskongress antragsberechtigt sind.
Der jetzt wieder so stark betonte soziale Friede – Minister Hundstorfer hat ihn erst wieder in seiner Rede vor dem Kongress beschworen - hat sich in den letzten Jahren in meiner Erfahrung als Unterwürfigkeit der Gewerkschaften, als Stillhalten zum Nutzen der Konzerne und Millionäre, auf Kosten der Lohnabhängigen erwiesen.
Umso mehr ist es mir ein Anliegen an den vor 20 Jahren ums Leben gekommenen GPA-Vorsitzenden und Sozialminister Alfred Dallinger zu erinnern, der mit zwei wesentlichen Zielen, nämlich Arbeitszeitverkürzung als Antwort auf die enorme Rationalisierung und Wertschöpfungsabgabe für eine nachhaltige Finanzierung des Sozialstaates ein Visionär war. Leider sind diese heute mehr denn je aktuellen Anliegen bislang auf dem Papier geblieben.
Was jetzt notwendig ist und wofür der ÖGB eintreten muss möchte ich auf einige wenige, dafür aber umso wichtigere Punkte festmachen:
- Eine aktive Lohnpolitik und ein gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro pro Stunde,
- eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche,
- armutsfestes Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Sozialhilfe und Pension,
- die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe,
- ein striktes Nein zu Privatisierungen und eine höhere Besteuerung von Kapital und Vermögen.
Papier ist geduldig, daher kommt es weniger darauf an, was in Grundsatzprogrammen oder Leitanträgen steht, sondern was tagespolitisch weitergeht und umgesetzt wird. Im vorliegenden Grundsatzpapier sind viele gute Inhalte und Forderungen enthalten. Dennoch konnte der GLB diesem Papier seine Zustimmung nicht geben, weil wesentliche Eckpfeiler der gewerkschaftlichen Verteilungsfrage nicht oder nur verwässert enthalten sind. Ein Abgehen von der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich kann von uns nicht unterstützt werden.