Wie nehmen mir ihn denn?
- Montag, 13. April 2015 @ 10:47
Michael Heindl über Kollektivverträge
Kollektivverträge sind eine der großen Errungenschaften des Arbeitsrechts. Sie bestimmen die Rechte und Pflichten von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen in Arbeitsverhältnissen. Sie regeln auch die Mindestlöhne für uns ArbeiterInnen in den unterschiedlichsten Berufssparten. Diese Regelungen müssen laufend angepasst werden, um eine Lohnminderung aufgrund steigender Inflation zu verhindern. Sie wirken auch der Ausbeutung durch UnternehmerInnen entgegen, indem wir ArbeiterInnen nicht unter KV-Vereinbarung bezahlt werden dürfen. Vertragliche Abweichungen haben nur dann Gültigkeit, wenn sie für die ArbeitnehmerInnen besser sind. So war's gedacht.
Die Erfahrungen zeigen uns ein anderes Bild: MaschinenarbeiterInnen die nach dem „Verpacker“-KV entlohnt werden. DruckvorstufentechnikerInnen, selbst in Druckereien angestellt, werden nach „Werbung und Marktkommunikation“ bezahlt. Unterschiedlichste KV bei der Post AG. Eine Aufzählung falsch eingestufter KV würde hier den Rahmen sprengen. Auf die Missstände bei LeiharbeiterInnen muss jedoch auch noch ausdrücklich hingewiesen werden.
Handelt es sich hier um illegale Missstände? Übergehen UnternehmerInnen einfach die gesetzlichen Regelungen? Hier müssen wir uns fragen, nach welchen Kriterien ein KV Gültigkeit erlangt. Irrig zu meinen, ein KV habe sich nach dem erlernten Beruf und/oder der Tätigkeit der ArbeiterInnen zu richten. Welcher KV anzuwenden ist, hängt einzig davon ab, welchem Arbeitgeberverband der Arbeitgeber angehört (ArbVG §8).
Die gesetzliche Rahmenbedingung dafür wurde 1973 vom Nationalrat in Form des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), beschlossen. Diesem Beschluss gingen weit über hundert Sozialpartnerverhandlungen voraus. Selbst Anfang der 1970er Jahre, in der Blütezeit der Sozialpartnerschaft, auch einer wirtschaftlichen Blütezeit, blieb die berechtigte Kritik der „Packelei“ hinter verschlossenen Türen nicht aus. Die ÖGB-Spitze hielt die Einbeziehung der gewerkschaftlichen Basis für nicht erachtenswert.
So wurde das Paket, unter Ausschluss der Gewerkschaftsbasis, an die Unternehmerseite verkauft. Da die Sozialpartner, unter der Führung von Anton Benya für die ArbeitnehmerInnenseite und Rudolf Sallinger für die UnternehmerInnenseite, eine grundsätzliche Zustimmung der Bundesregierung erhielten, bildete sich gar das Schlagwort „Sozialpartnerschaft als Nebenregierung“.
Eine „Errungenschaft“ für ArbeiterInnen, die an Entscheidungen der Arbeitgeberverbände und der UnternehmerInnen selbst hängt. Die Gewerkschaftszugehörigkeit der ArbeiterInnen spielt hierbei auch keine Rolle. So haben auch die besten KV-Verhandlungen, in der die Richtlinien neu angepasst werden, für die einzelnen ArbeitnehmerInnen oft keinerlei Bedeutung. Ob diese Anpassungen dann tatsächlich den Betroffenen zugutekommen, liegt bei genauerer Betrachtung, in der Hand der Arbeitgeberverbände. Diese Praxis als Interessenskonflikt zu bezeichnen wäre auch falsch, da hier die Interessen der ArbeitnehmerInnen gar nicht vertreten werden.
Aus diesen Errungenschaften des Arbeitsrechts ergibt sich eine Vielzahl großartiger Möglichkeiten für UnternehmerInnen. Besonders beliebt ist die Schaffung von „Betrieb im Betrieb“ – die Gründung eines zweiten (oder mehr) Betriebes mit einer neuen Fachgruppenzugehörigkeit. Bei der Übernahme von ArbeiterInnen für den neuen Betrieb gelten besondere Bestimmungen die im ArbVG geregelt sind. Einfacher ist es neue ArbeiterInnen nach einem neuem KV anzustellen.
Die Unterschiede in der Vielzahl der KV liegen jedoch nicht nur in den grundsätzlichen Gehaltsunterschieden. Die Anrechnung der Dienstjahre, welche ein wesentlicher Faktor in der Lohneinstufung ist, gestaltet sich hier durchaus „kreativ“. Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Kündigungsregelungen, Normal- und Gesamtarbeitszeiten, Durchrechnungszeiten der Gesamtarbeitszeit (halbjährlich, jährlich etc.), bis hin zu Begriffen wie „Kriseninstrument“ (Entfall der Mehrstundenzuschläge) und eine unüberschaubare Vielzahl weiterer Eigenheiten unterschiedlicher KV. Das Studium des jeweils gültigen KV, ist selbst für BetriebsrätInnen eine Herausforderung – die Interpretation bleibt letztlich oft JuristInnen vorbehalten.
Ein Netz von 859 gültigen KV kommen, so meint das der ÖGB, uns ArbeiterInnen zugute. Aufgrund immer weiter steigender Produktivität bei gleichbleibender Normalarbeitszeit, sind auch immer weniger ArbeiterInnen in den Betrieben angestellt. Diese müssen jetzt auch immer mehr Aufgabenbereiche abdecken. In Folge wachsen immer mehr Berufe zusammen. Dem gegenüber stehen eine wachsende Zahl von Branchen und Fachgruppen und somit KV. Ein Umstand, der es Unternehmen leicht macht, die für sie günstigsten Konditionen auszuwählen.
So sollten doch Errungenschaften des Arbeitsrechts, wie KV, der Ausbeutung des Kapitals entgegenwirken. Ein Mitspracherecht von ArbeitnehmerInnenvertretungen bei der KV-Zugehörigkeit wäre hier ein längst überfälliger Schritt.
Michael Heindl ist Druckformenhersteller und GLB-Aktivist in Wien
Kollektivverträge sind eine der großen Errungenschaften des Arbeitsrechts. Sie bestimmen die Rechte und Pflichten von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen in Arbeitsverhältnissen. Sie regeln auch die Mindestlöhne für uns ArbeiterInnen in den unterschiedlichsten Berufssparten. Diese Regelungen müssen laufend angepasst werden, um eine Lohnminderung aufgrund steigender Inflation zu verhindern. Sie wirken auch der Ausbeutung durch UnternehmerInnen entgegen, indem wir ArbeiterInnen nicht unter KV-Vereinbarung bezahlt werden dürfen. Vertragliche Abweichungen haben nur dann Gültigkeit, wenn sie für die ArbeitnehmerInnen besser sind. So war's gedacht.
Die Erfahrungen zeigen uns ein anderes Bild: MaschinenarbeiterInnen die nach dem „Verpacker“-KV entlohnt werden. DruckvorstufentechnikerInnen, selbst in Druckereien angestellt, werden nach „Werbung und Marktkommunikation“ bezahlt. Unterschiedlichste KV bei der Post AG. Eine Aufzählung falsch eingestufter KV würde hier den Rahmen sprengen. Auf die Missstände bei LeiharbeiterInnen muss jedoch auch noch ausdrücklich hingewiesen werden.
Handelt es sich hier um illegale Missstände? Übergehen UnternehmerInnen einfach die gesetzlichen Regelungen? Hier müssen wir uns fragen, nach welchen Kriterien ein KV Gültigkeit erlangt. Irrig zu meinen, ein KV habe sich nach dem erlernten Beruf und/oder der Tätigkeit der ArbeiterInnen zu richten. Welcher KV anzuwenden ist, hängt einzig davon ab, welchem Arbeitgeberverband der Arbeitgeber angehört (ArbVG §8).
Die gesetzliche Rahmenbedingung dafür wurde 1973 vom Nationalrat in Form des Arbeitsverfassungsgesetzes (ArbVG), beschlossen. Diesem Beschluss gingen weit über hundert Sozialpartnerverhandlungen voraus. Selbst Anfang der 1970er Jahre, in der Blütezeit der Sozialpartnerschaft, auch einer wirtschaftlichen Blütezeit, blieb die berechtigte Kritik der „Packelei“ hinter verschlossenen Türen nicht aus. Die ÖGB-Spitze hielt die Einbeziehung der gewerkschaftlichen Basis für nicht erachtenswert.
So wurde das Paket, unter Ausschluss der Gewerkschaftsbasis, an die Unternehmerseite verkauft. Da die Sozialpartner, unter der Führung von Anton Benya für die ArbeitnehmerInnenseite und Rudolf Sallinger für die UnternehmerInnenseite, eine grundsätzliche Zustimmung der Bundesregierung erhielten, bildete sich gar das Schlagwort „Sozialpartnerschaft als Nebenregierung“.
Eine „Errungenschaft“ für ArbeiterInnen, die an Entscheidungen der Arbeitgeberverbände und der UnternehmerInnen selbst hängt. Die Gewerkschaftszugehörigkeit der ArbeiterInnen spielt hierbei auch keine Rolle. So haben auch die besten KV-Verhandlungen, in der die Richtlinien neu angepasst werden, für die einzelnen ArbeitnehmerInnen oft keinerlei Bedeutung. Ob diese Anpassungen dann tatsächlich den Betroffenen zugutekommen, liegt bei genauerer Betrachtung, in der Hand der Arbeitgeberverbände. Diese Praxis als Interessenskonflikt zu bezeichnen wäre auch falsch, da hier die Interessen der ArbeitnehmerInnen gar nicht vertreten werden.
Aus diesen Errungenschaften des Arbeitsrechts ergibt sich eine Vielzahl großartiger Möglichkeiten für UnternehmerInnen. Besonders beliebt ist die Schaffung von „Betrieb im Betrieb“ – die Gründung eines zweiten (oder mehr) Betriebes mit einer neuen Fachgruppenzugehörigkeit. Bei der Übernahme von ArbeiterInnen für den neuen Betrieb gelten besondere Bestimmungen die im ArbVG geregelt sind. Einfacher ist es neue ArbeiterInnen nach einem neuem KV anzustellen.
Die Unterschiede in der Vielzahl der KV liegen jedoch nicht nur in den grundsätzlichen Gehaltsunterschieden. Die Anrechnung der Dienstjahre, welche ein wesentlicher Faktor in der Lohneinstufung ist, gestaltet sich hier durchaus „kreativ“. Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Kündigungsregelungen, Normal- und Gesamtarbeitszeiten, Durchrechnungszeiten der Gesamtarbeitszeit (halbjährlich, jährlich etc.), bis hin zu Begriffen wie „Kriseninstrument“ (Entfall der Mehrstundenzuschläge) und eine unüberschaubare Vielzahl weiterer Eigenheiten unterschiedlicher KV. Das Studium des jeweils gültigen KV, ist selbst für BetriebsrätInnen eine Herausforderung – die Interpretation bleibt letztlich oft JuristInnen vorbehalten.
Ein Netz von 859 gültigen KV kommen, so meint das der ÖGB, uns ArbeiterInnen zugute. Aufgrund immer weiter steigender Produktivität bei gleichbleibender Normalarbeitszeit, sind auch immer weniger ArbeiterInnen in den Betrieben angestellt. Diese müssen jetzt auch immer mehr Aufgabenbereiche abdecken. In Folge wachsen immer mehr Berufe zusammen. Dem gegenüber stehen eine wachsende Zahl von Branchen und Fachgruppen und somit KV. Ein Umstand, der es Unternehmen leicht macht, die für sie günstigsten Konditionen auszuwählen.
So sollten doch Errungenschaften des Arbeitsrechts, wie KV, der Ausbeutung des Kapitals entgegenwirken. Ein Mitspracherecht von ArbeitnehmerInnenvertretungen bei der KV-Zugehörigkeit wäre hier ein längst überfälliger Schritt.
Michael Heindl ist Druckformenhersteller und GLB-Aktivist in Wien