Von Sicherheit, Entmündigung und TUN
- Montag, 4. November 2013 @ 08:00
Von Brigitte Promberger
Schon ziemlich lange her, führte ich ein Gespräch mit einem Freund. Er ein Reisender, ich eine Verwurzelte. Er gerade dabei auszuwandern ans andere Ende der Welt.
Nomadentum und Sesshaftigkeit, Sicherheit und Draufgängertum waren unsere Themen. Herausforderung für ihn das Unbekannte, Sicherheit für mich das Abschätzbare. Das jeweilige bedrohlich für den anderen. Heftig und lange wurde die Diskussion mit der Aussage, der geregelte Sozialstaat entmündige die Menschen. Wir fanden keine Einigung in diesem Punkt.
Ich hatte bereits ein paar Jahre als Betriebsrätin in einem Sozialversicherungsbetrieb hinter mir, nun war ich neu angekommen in einem anderen Betätigungsfeld, im Bereich der Kulturarbeit.
So sehr mich die Ablehnung des Sozialstaats und der Arbeitnehmer_innenvertretungen auch empörte, so blieb das Argument der Entmündigung als großes Fragezeichen irgendwo in meinen Gedanken haften. Um es vorweg zu nehmen, ich bin nach wie vor, bzw. wieder überzeugte Gewerkschafterin.
Meine Betriebsrätinnentätigkeit im Sozialversicherungsbetrieb brachte mir Ent-Täuschung, beraubte mich meiner Naivität. Setzte mein Gerechtigkeitsbild frei, stellte es in einen luftleeren Raum. Betriebsräte wurden nach und nach in höhere Positionen gehievt, für den Zentralbetriebsratsobmann stand schon der Posten des Personaldirektors bereit. Dazu brauchte es nur mehr die Geduld, zu warten, bis der Vorgänger (auch schon ehemaliger Zentralbetriebsrat) in Pension ging. Als ich die Frage stellte, wie denn die Betriebsratsarbeit mit solchen Perspektiven aussehe, erntete ich ein einstimmiges „Aber geh, Mädl“.
Zwar gibt es viele auch richtungsweisende Zufälle in meinem Leben – die Landung im Kulturbereich war so einer –, meine Entscheidung für den GLB gehört nicht dazu. Das NEIN zur sogenannten Sozialpartnerschaft, verbunden mit der Forderung nach einer starken, handlungsfähigen Vertretung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (ÖGB und AK) ist für mich ein starkes Argument für diese Entscheidung.
Schon viel zu lange halten AK und ÖGB an einem Instrument fest, das nur mehr von einer Seite bespielt wird. Die Ergebnisse Stücke, in die nicht mehr eingestimmt werden kann: die Legalisierung prekärer Arbeitsverhältnisse, Wohnungspreise, die aus einem Grundbedürfnis Luxus machen, aufgebrochene Arbeitszeitregelungen, um nur einige zu nennen. Minimalforderungen möchte ich das nennen, was für einen Teil der Werktätigen da noch bewirkt wird.
Ja, und auch darum geht es mir, in diesem Artikel. Es wird bewirkt. Etwas. Etwas wenig. Das kommt aus einer Geschichte, der Geschichte der 1970er. Der Aufschwung der Sozialdemokratie, Errungenschaften für die Arbeiter. Starke Persönlichkeiten an der Spitze dieses Aufschwungs. Ein Entgegenkommen für die österreichisch-menschliche Mentalität. „Der Papa wird’s schon richten“.
Da sind wir hängen geblieben, in der Politik, in den Gewerkschaften. Jemand wird es schon richten. Was für ein Versäumnis der Bildungspolitik, Menschen nicht dafür zu begeistern, eigenständige Hirnbenutzer (im Gegensatz zu Hirnbesitzern – nach Vera Birkenbihl) zu sein. Doch geht es nicht um Versäumnisse, sondern um das Künftige.
Inzwischen ruft die andere Seite der Sozialpartnerschaft, also die, die die Töne vorgeben, unüberhörbar nach Abschaffung dieses Instruments, das ihnen zu klein geworden ist. Dirigentenpult und aus.
Wir, die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sind hoch gefordert, unsere Kolleginnen und Kollegen zu bewegen, aktiv mit zu gestalten. Das absolute Minimum dafür ist die Stimme bei der AK-Wahl. Wie können wir behaupten, etwas sei wichtig, wenn es die eigenen Mitglieder nicht mal interessiert?
Ich vermute, das Gespräch von vor 20 Jahren ist mir haften geblieben, weil mir die Sicherheit, die andere für mich schaffen, ebenfalls sehr bequem war. Doch liegt die Sicherheit einzig in dem, was ich bereit bin, für sie zu tun. Und das heißt TUN.
Brigitte Promberger ist Kulturarbeiterin und Betriebsrätin im Literaturhaus Salzburg
Schon ziemlich lange her, führte ich ein Gespräch mit einem Freund. Er ein Reisender, ich eine Verwurzelte. Er gerade dabei auszuwandern ans andere Ende der Welt.
Nomadentum und Sesshaftigkeit, Sicherheit und Draufgängertum waren unsere Themen. Herausforderung für ihn das Unbekannte, Sicherheit für mich das Abschätzbare. Das jeweilige bedrohlich für den anderen. Heftig und lange wurde die Diskussion mit der Aussage, der geregelte Sozialstaat entmündige die Menschen. Wir fanden keine Einigung in diesem Punkt.
Ich hatte bereits ein paar Jahre als Betriebsrätin in einem Sozialversicherungsbetrieb hinter mir, nun war ich neu angekommen in einem anderen Betätigungsfeld, im Bereich der Kulturarbeit.
So sehr mich die Ablehnung des Sozialstaats und der Arbeitnehmer_innenvertretungen auch empörte, so blieb das Argument der Entmündigung als großes Fragezeichen irgendwo in meinen Gedanken haften. Um es vorweg zu nehmen, ich bin nach wie vor, bzw. wieder überzeugte Gewerkschafterin.
Meine Betriebsrätinnentätigkeit im Sozialversicherungsbetrieb brachte mir Ent-Täuschung, beraubte mich meiner Naivität. Setzte mein Gerechtigkeitsbild frei, stellte es in einen luftleeren Raum. Betriebsräte wurden nach und nach in höhere Positionen gehievt, für den Zentralbetriebsratsobmann stand schon der Posten des Personaldirektors bereit. Dazu brauchte es nur mehr die Geduld, zu warten, bis der Vorgänger (auch schon ehemaliger Zentralbetriebsrat) in Pension ging. Als ich die Frage stellte, wie denn die Betriebsratsarbeit mit solchen Perspektiven aussehe, erntete ich ein einstimmiges „Aber geh, Mädl“.
Zwar gibt es viele auch richtungsweisende Zufälle in meinem Leben – die Landung im Kulturbereich war so einer –, meine Entscheidung für den GLB gehört nicht dazu. Das NEIN zur sogenannten Sozialpartnerschaft, verbunden mit der Forderung nach einer starken, handlungsfähigen Vertretung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (ÖGB und AK) ist für mich ein starkes Argument für diese Entscheidung.
Schon viel zu lange halten AK und ÖGB an einem Instrument fest, das nur mehr von einer Seite bespielt wird. Die Ergebnisse Stücke, in die nicht mehr eingestimmt werden kann: die Legalisierung prekärer Arbeitsverhältnisse, Wohnungspreise, die aus einem Grundbedürfnis Luxus machen, aufgebrochene Arbeitszeitregelungen, um nur einige zu nennen. Minimalforderungen möchte ich das nennen, was für einen Teil der Werktätigen da noch bewirkt wird.
Ja, und auch darum geht es mir, in diesem Artikel. Es wird bewirkt. Etwas. Etwas wenig. Das kommt aus einer Geschichte, der Geschichte der 1970er. Der Aufschwung der Sozialdemokratie, Errungenschaften für die Arbeiter. Starke Persönlichkeiten an der Spitze dieses Aufschwungs. Ein Entgegenkommen für die österreichisch-menschliche Mentalität. „Der Papa wird’s schon richten“.
Da sind wir hängen geblieben, in der Politik, in den Gewerkschaften. Jemand wird es schon richten. Was für ein Versäumnis der Bildungspolitik, Menschen nicht dafür zu begeistern, eigenständige Hirnbenutzer (im Gegensatz zu Hirnbesitzern – nach Vera Birkenbihl) zu sein. Doch geht es nicht um Versäumnisse, sondern um das Künftige.
Inzwischen ruft die andere Seite der Sozialpartnerschaft, also die, die die Töne vorgeben, unüberhörbar nach Abschaffung dieses Instruments, das ihnen zu klein geworden ist. Dirigentenpult und aus.
Wir, die Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sind hoch gefordert, unsere Kolleginnen und Kollegen zu bewegen, aktiv mit zu gestalten. Das absolute Minimum dafür ist die Stimme bei der AK-Wahl. Wie können wir behaupten, etwas sei wichtig, wenn es die eigenen Mitglieder nicht mal interessiert?
Ich vermute, das Gespräch von vor 20 Jahren ist mir haften geblieben, weil mir die Sicherheit, die andere für mich schaffen, ebenfalls sehr bequem war. Doch liegt die Sicherheit einzig in dem, was ich bereit bin, für sie zu tun. Und das heißt TUN.
Brigitte Promberger ist Kulturarbeiterin und Betriebsrätin im Literaturhaus Salzburg