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verSTEUERt?

  • Montag, 24. November 2014 @ 11:23
Meinung Josef Stingl zur Steuerkampagne von ÖGB und AK

Unter dem Titel „Lohnsteuer runter“ sammelte der ÖGB an die 900.000 Unterschriften. Im September präsentierten dazu ÖGB und AK ihr Wunschmodell einer Steuerreform. In einer Monster-Event-Betriebsrät_innen-Konferenz wurde es der Öffentlichkeit vorgestellt. Auf Diskussion wurde „verzichtet“. Solidarität Nr. 956, Oktober 2014: „Von steuerlicher Gerechtigkeit ist die Alpenrepublik weit entfernt. Auf der einen Seite sind Millionen Menschen in Österreich armutsgefährdet, auf der anderen Seite werden Reiche immer reicher. Während der Faktor Arbeit hierzulande sehr hoch besteuert wird, bleiben große Vermögen beinahe unangetastet.“

Die Eckpunkte

Beseitigt das ÖGB/AK-Modell diese Schieflage? Hier die wichtigsten Eckpunkte in Übersicht:

Eingangssteuersatz: Derzeit gilt ab einem jährlichen lohnsteuerpflichtigen Einkommen von 11.000 Euro ein Eingangssteuersatz von 36,5 Prozent, laut ÖGB/AK-Modell soll dieser auf 25 Prozent gesenkt werden.

Steuerstufen: Das jährliche lohnsteuerpflichtige Einkommen unter 11.000 Euro ist für alle lohnsteuerfrei, für die Einkommensteile von 11.000 bis 25.000 Euro ist oben genannter Eingangssteuersatz, von 25.000 bis 60.000 Euro sind 43,2143 Prozent und für die Einkommensteile über 60.000 Euro sind 50 Prozent Lohnsteuer fällig. Das ÖGB/AK-Modell ist sechsstufig.

Arbeitnehmer- und Verkehrsabsetzbetrag: Dieser soll von 350 auf 450 Euro angehoben werden.

Negativsteuer: Für nichtlohnsteuerpflichtige Arbeitnehmer_innen wird sie von 110 Euro auf 450 Euro erhöht, für Pensionist_innen soll sie mit 110 Euro eingeführt werden.

Kalte Progression: Eine „5-Prozent-Indexklausel ähnlich von Mietverträgen“ soll entgegen wirken.

Bei den Finanzierungsvorschlägen des Modells halten sich ÖGB und Arbeiterkammer bedeckter: „Zusätzlich zu 1 Milliarde aus der Eigenfinanzierung durch Konsum- und Konjunkturbelebung: 1 Milliarde Euro mit wirksamen Maßnahmen gegen Steuerbetrug. 2 Milliarden Euro mit mehr Verteilungsgerechtigkeit: Große Vermögen, Erbschaften, Schenkungen und Stiftungen etc. besteuern. 2 Milliarden Euro durch Reformen: Ausnahmen im Steuersystem beseitigen, Effizienzsteigerungen, Kompetenzbereinigungen, Beteiligung der Länder, Doppelförderungen vermeiden.

Demokratische Entscheidungsfindung?

Solche „Großentscheidungen“ werden im Vorfeld im Vorstand zwischen FSG und FCG ausgeschachert. Der Bundesvorstand darf den Vorschlag danach absegnen. Die Minderheitenfraktionen dürfen dabei ihren Senf abgeben. Änderungen, Ergänzungen etc. sind im Bundesvorstand des ÖGB aber schier undenkbar.

Nicht anders beim Steuerreformkonzept, der Bundesvorstand segnete es mit der Stimmenthaltung der UG ab. Die zentralen Kritikpunkte der UG betrafen dabei die zu defensive Gegenfinanzierung über Vermögenssteuern, den Umfang der Reform sowie das Anheben der Tarifstufe für den Spitzensteuersatz auf 80.000 Euro.

Und der GLB? Dem war eine stimmrelevante Teilnahme am Bundesvorstand nicht möglich. Jedoch im Vorfeld signalisierten wir dem Präsidenten das Mittragen des Konzepts als Schritt in die richtige Richtung – insbesondere die Erhöhung der Negativsteuer und die Senkung des Eingangssteuersatzes und dem Ansatz der Gegenfinanzierung über Vermögenssteuern, sprachen uns aber auch für eine weitere Steuerstufe (wenn nicht 70, dann mindestens 62 Prozent) und eine stärkere Vermögensbesteuerung aus.

Der Entwurf ist uns allerdings nicht weitreichend genug. So fehlt eine zusätzliche Steuerstufe von 62 Prozent für Einkommen über 100.000 Euro. Zur Bekämpfung der kalten Progression hätten wir lieber eine automatisch verbindliche Inflationsanpassung der Steuerstufen, bzw. der Absetzbeträge. Gleiches gilt für die Negativsteuer, außerdem müssten bei dieser auch alle prekären Beschäftigungsverhältnisse, also freie Dienstverträge, Scheinselbständige etc. miteinbezogen werden. Und wie der UG ist uns die Gegenfinanzierung über Vermögensbesteuerung zu wenig weitgreifend.

Gespaltene FCG

Interessant war auch das Verhalten der „schwarzen ArbeitnehmerInnen“. Im Bundesvorstand hat die FCG dem Konzept voll inhaltlich zugestimmt. Der ÖAAB präsentierte aber fast zeitgleich ein Gegenkonzept mit der Einführung eines „Gleittarifs“. Zusätzliche Steuern lehnen die VP-Arbeitnehmer_innen ab. Führende ÖAAB/FCG Funktionär_innen, wie z.B. der Tiroler AK-Präsident Erwin Zangerl, distanzieren sich vom ÖAAB-Modell.

Die Präsentation des Konzepts brachte auch die Parteienfronten in Bewegung. Für die ÖVP ist das ÖGB/AK-Modell realitätsfremd, die SPÖ übernimmt dafür Modell eins zu eins (oder ist es vielleicht umgekehrt?). Den Grünen wiederum wird zu wenig ökologisch umverteilt und die KPÖ sieht darin eine Frotzelei aller ÖGB-Mitglieder. Die Regierungsparteien einigten sich in einer Klausur darauf, weiterhin uneinig zu sein. Alles im Allen unwichtig, denn für unsere Kaufkraft zählt, was die Steuerreform der rot/schwarzen Regierung tatsächlich bringt und ob der Wunschtermin am St. Nimmerleinstag umgesetzt wird?

Josef Stingl ist Verkaufsfahrer in Tirol, Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes und Bundesvorsitzender des GLB