Veränderung der Gewerkschaftspolitik
- Mittwoch, 25. November 2015 @ 16:45
Werner Lang zum Oktoberstreik 1950
65 Jahre nach dem „Oktoberstreik“ hat sich, auf Initiative des GLB, endlich der ÖGB offiziell von der Putschlüge verabschiedet und die ausgeschlossenen Kolleginnen rehabilitiert, schreibt Josef Stingl. Warum dauerte das so lange? Einer der Gründe kann die Gewerkschaftspolitik der rechten Sozialdemokraten gewesen sein. Vor dem zweiten Weltkrieg war die Idee der Sozialdemokratie zur Überwindung des Kapitalismus, einmal durch die Verstaatlichung eine Möglichkeit zu schaffen, um die Willkür des Kapitals zu beschränken und dadurch zu einer sozialen Besserstellung zu kommen, und durch ein Weitergehen mit Hilfe einer „Sozialisierung“ zu einer sozialistischen Gesellschaftsform zu gelangen. Aber die „Sozialisierung“ blieb aus. (Siehe Verstaatlichungsgesetz 1946).
Denn nach 1945 war schon in den eigenen Reihen der Sozialdemokratie – der rechten Sozialdemokraten - ein anderer Weg vorgezeichnet. Nach der Verstaatlichung der Grundstoffindustrie ging es auch den rechten Sozialdemokraten darum, die Sozialisierung zu verhindern, parteipolitisch Einfluss zu nehmen und ökonomische Vorteile daraus zu ziehen. Zur politischen Ruhigstellung der Arbeiterklasse wurde die Verstaatlichte Industrie als „Volkseigentum“ ausgegeben, um Streiks im Keim ersticken zu können.
Denn das Volk darf durch Kampfmaßnahmen nicht sein „Eigentum“ schädigen, behauptete die Sozialdemokratie. Es ging um die Aneignung erheblicher Teile des gesellschaftlichen Produkts nach Möglichkeit „von oben“ und nicht um demokratische Lösungen, und der Lohn-Preis-Pakt war die politische Lösung für die Restauration des kapitalistischen Systems in Österreich. (Vgl. Otto Hwaletz; Böhlau Verlag; 1991; S. 89-99).
1950 hatte sich schon die Mehrheit in der Sozialdemokratie auf ein kapitalistisches System mit einer sozialpartnerschaftlichen Linie eingeschworen. Dazu muss gesagt werden, dass die Orientierung auf die Sozialpartnerschaft von den SPÖ- und ÖVP- nahen Gewerkschaftsfraktionen gegen den Widerstand eines Großteils der eigenen Basis und anderer Fraktionen in der Gewerkschaft durchgesetzt wurde.
Dazu gehörte auch der „Oktoberstreik“ 1950. Aber die „Streiks“ wurden aus tiefer Unzufriedenheit ausgelöst. Und die Lohn-Preis-Pakte haben diese Unzufriedenheit verschärft. Dadurch hat natürlich Österreich eine „sogenannte“ Konjunktur bekommen“, denn das gesamte System beruhte mehr oder minder darauf: Wie kann die Produktion gesteigert werden, wie die Höchstleistung erreicht?“ (Fordismus). Dazu halfen nicht Aktionen der Massen. Sondern einfache Formeln von einer Funktionärsschicht verordnet, schreibt Otto Hwaletz: Diese einfache Formel von der Sozialistischen Gewerkschaftsführung hieß und heißt - trotz negativer sozialpolitischer Auswirkungen auf die Arbeitnehmer nach dem Fordismus: Fortschritt bedeutet Wirtschaftswachstum, Wachstum bedeutet privater Konsum, Konsum bedeutet Wohlstand, Wohlstand bedeutet Zufriedenheit, Zufriedenheit bedeutet weiterer Fortschritt.
Zurückblickend auf den Oktoberstreik 1950 kann man eines mit Sicherheit sagen: Hätten die außerparlamentarischen Kämpfe einen gewissen Erfolg gehabt, hätte das nichts an der wirtschaftlichen Lage geändert. Aber die Protestbewegung wurde von den Besitzenden, Führern der Gewerkschaft und der Sozialdemokratie niedergeschlagen. (vgl. Herbert Steiner, „Der Oktoberstreik als soziale Bewegung“; in: Der Oktoberstreik 1950; Picus Verlag;1991; S. 190.)
Die fatale Politik von der Ideologie der Lohn-Preis-Spirale der Gewerkschaftsführung hat zu diesen Streiks geführt. Sie wird verständlich aus dem ideologischen ökonomischen Bezugsrahmen dieser Lohnpolitik des ÖGB. Eben „Wenn die Gewerkschaften diese falsche Auffassung der ökonomischen Beziehungen akzeptierten, waren sie hilflos jeder Argumentation des Kapitals für eine Lohnsenkung ausgeliefert oder wurden selbst die Schrittmacher von Lohnsenkungen.“ (vgl. Hans Prader; in: „In Sachen“; 1975)
Diese sozialpartnerschaftliche Gewerkschaftspolitik muss sich nach 1980 in Zeiten des „Neoliberalismus“ verheerend für die Lohnarbeiter auswirken. In dieser Zeit wurde die Krise als Vorwand genommen, um einen kalkulierten Abbauversuch jahrzehntelang erworbener Rechte der Arbeitnehmer durchzuziehen. Die sozialistische Gewerkschaftsfraktion steht diesen Angriffen durch ihr einseitiges Festhalten an der Sozialpartnerschaft wie gelähmt gegenüber. Nur so ist es zu erklären, dass z. B. bei den letzten Lohnverhandlungen eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent für die Maschinen- und Metallwarenindustrie zustande gekommen ist. Dieses Ergebnis kommt einem Eklat gleich.
Beim Oktoberstreik 1950 waren Hunderttausende Menschen beteiligt. Die Arbeiter der größten Betriebe Österreichs standen in voller Einheit kürzere oder längere Zeit im Streik. Frauen und Kinder besetzten Gleisschienen usw. Diese Menschen wurden von der sozialistischen Fraktion im ÖGB als Terroristen oder Kommunofaschisten bezeichnet. Das konnte nur eine Methode der Deformierung dieser Menschen sein. Denn als erstes wurden diese Menschen kriminalisiert (Putschlüge), um sie danach maßregeln zu können.
Nach dem Streik wurden 85 führende Gewerkschafter aus dem ÖGB ausgeschlossen. Der Bundesvorstand des ÖGB billigte danach noch die Entlassung von Streikführern in den Betrieben. Damals ging es um den Richtungsstreit in der Gewerkschaft, den die rechte Sozialdemokratie gewonnen hat. Eine „Wiedergutmachen“ für die „Putschlüge“ in diesen Zeiten kann nur eine Veränderung der Gewerkschaftspolitik zu einer klassenkämpferischen Position sein.
Wenn nicht, kann eine sozialdemokratische Politik, die sich in Krisenzeiten auf eine Sozialpartnerschaft eingeschworen hat, – denn nicht die Wirtschaft ist in der Krise, sondern der Kapitalismus ist selbst zur Krise geworden – nur eine Unterstützung einer Schuldenwirtschaft sein, indem sich eine Minderheit ihre Profite sichert. Denn der Staat geht in Krisenzeiten des Kapitalismus ihrem Niedergang entgegen.
Er verschuldet sich und kann seine sozialen Sicherheiten und Gewährleistungen nicht einhalten. Von daher verbleibt ihm wie auch der niedergegangenen Wirtschaft nur eine Schuldenwirtschaft, für die er die Bevölkerung unter Druck setzten muss. (vgl. Pfreundschuh). Eine Ideologie von „alle auf einem Ast sitzende“ oder „in einem Boot Rudernde“ wie wir sie von der Sozialdemokratie nur zu gut kennen, kommt diesem Niedergang den Herrschenden nur recht.
Werner Lang ist im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, Werkstatt Wien, aktiv
Siehe: Fritz Klenner in; Putschversuch oder nicht? 1950 und Rudolf Streiter, Kominform; 2010. Herbert Steiner, „Der Oktoberstreik als soziale Bewegung“; in: Der Oktoberstreik 1950; Picus Verlag;1991; S. 190. Siehe auch: Stephan Ganglbauer; in: Der Oktoberstreik 1950“; Picus Verlag; S. 99-100, Mario Beckstein, Tobias Boos, Ako Pire, „Doppelkrise der Gewerkschaft“. Hans Prader; in: „In Sachen“; 1975. Josef Stingl, Verkaufsfahrer in Tirol, Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes und Bundesvorsitzender des GLB. Otto Hwaletz; Böhlau Verlag; 1991. http://www.pfreundschuh.de/.
65 Jahre nach dem „Oktoberstreik“ hat sich, auf Initiative des GLB, endlich der ÖGB offiziell von der Putschlüge verabschiedet und die ausgeschlossenen Kolleginnen rehabilitiert, schreibt Josef Stingl. Warum dauerte das so lange? Einer der Gründe kann die Gewerkschaftspolitik der rechten Sozialdemokraten gewesen sein. Vor dem zweiten Weltkrieg war die Idee der Sozialdemokratie zur Überwindung des Kapitalismus, einmal durch die Verstaatlichung eine Möglichkeit zu schaffen, um die Willkür des Kapitals zu beschränken und dadurch zu einer sozialen Besserstellung zu kommen, und durch ein Weitergehen mit Hilfe einer „Sozialisierung“ zu einer sozialistischen Gesellschaftsform zu gelangen. Aber die „Sozialisierung“ blieb aus. (Siehe Verstaatlichungsgesetz 1946).
Denn nach 1945 war schon in den eigenen Reihen der Sozialdemokratie – der rechten Sozialdemokraten - ein anderer Weg vorgezeichnet. Nach der Verstaatlichung der Grundstoffindustrie ging es auch den rechten Sozialdemokraten darum, die Sozialisierung zu verhindern, parteipolitisch Einfluss zu nehmen und ökonomische Vorteile daraus zu ziehen. Zur politischen Ruhigstellung der Arbeiterklasse wurde die Verstaatlichte Industrie als „Volkseigentum“ ausgegeben, um Streiks im Keim ersticken zu können.
Denn das Volk darf durch Kampfmaßnahmen nicht sein „Eigentum“ schädigen, behauptete die Sozialdemokratie. Es ging um die Aneignung erheblicher Teile des gesellschaftlichen Produkts nach Möglichkeit „von oben“ und nicht um demokratische Lösungen, und der Lohn-Preis-Pakt war die politische Lösung für die Restauration des kapitalistischen Systems in Österreich. (Vgl. Otto Hwaletz; Böhlau Verlag; 1991; S. 89-99).
1950 hatte sich schon die Mehrheit in der Sozialdemokratie auf ein kapitalistisches System mit einer sozialpartnerschaftlichen Linie eingeschworen. Dazu muss gesagt werden, dass die Orientierung auf die Sozialpartnerschaft von den SPÖ- und ÖVP- nahen Gewerkschaftsfraktionen gegen den Widerstand eines Großteils der eigenen Basis und anderer Fraktionen in der Gewerkschaft durchgesetzt wurde.
Dazu gehörte auch der „Oktoberstreik“ 1950. Aber die „Streiks“ wurden aus tiefer Unzufriedenheit ausgelöst. Und die Lohn-Preis-Pakte haben diese Unzufriedenheit verschärft. Dadurch hat natürlich Österreich eine „sogenannte“ Konjunktur bekommen“, denn das gesamte System beruhte mehr oder minder darauf: Wie kann die Produktion gesteigert werden, wie die Höchstleistung erreicht?“ (Fordismus). Dazu halfen nicht Aktionen der Massen. Sondern einfache Formeln von einer Funktionärsschicht verordnet, schreibt Otto Hwaletz: Diese einfache Formel von der Sozialistischen Gewerkschaftsführung hieß und heißt - trotz negativer sozialpolitischer Auswirkungen auf die Arbeitnehmer nach dem Fordismus: Fortschritt bedeutet Wirtschaftswachstum, Wachstum bedeutet privater Konsum, Konsum bedeutet Wohlstand, Wohlstand bedeutet Zufriedenheit, Zufriedenheit bedeutet weiterer Fortschritt.
Zurückblickend auf den Oktoberstreik 1950 kann man eines mit Sicherheit sagen: Hätten die außerparlamentarischen Kämpfe einen gewissen Erfolg gehabt, hätte das nichts an der wirtschaftlichen Lage geändert. Aber die Protestbewegung wurde von den Besitzenden, Führern der Gewerkschaft und der Sozialdemokratie niedergeschlagen. (vgl. Herbert Steiner, „Der Oktoberstreik als soziale Bewegung“; in: Der Oktoberstreik 1950; Picus Verlag;1991; S. 190.)
Die fatale Politik von der Ideologie der Lohn-Preis-Spirale der Gewerkschaftsführung hat zu diesen Streiks geführt. Sie wird verständlich aus dem ideologischen ökonomischen Bezugsrahmen dieser Lohnpolitik des ÖGB. Eben „Wenn die Gewerkschaften diese falsche Auffassung der ökonomischen Beziehungen akzeptierten, waren sie hilflos jeder Argumentation des Kapitals für eine Lohnsenkung ausgeliefert oder wurden selbst die Schrittmacher von Lohnsenkungen.“ (vgl. Hans Prader; in: „In Sachen“; 1975)
Diese sozialpartnerschaftliche Gewerkschaftspolitik muss sich nach 1980 in Zeiten des „Neoliberalismus“ verheerend für die Lohnarbeiter auswirken. In dieser Zeit wurde die Krise als Vorwand genommen, um einen kalkulierten Abbauversuch jahrzehntelang erworbener Rechte der Arbeitnehmer durchzuziehen. Die sozialistische Gewerkschaftsfraktion steht diesen Angriffen durch ihr einseitiges Festhalten an der Sozialpartnerschaft wie gelähmt gegenüber. Nur so ist es zu erklären, dass z. B. bei den letzten Lohnverhandlungen eine Lohnerhöhung von 1,5 Prozent für die Maschinen- und Metallwarenindustrie zustande gekommen ist. Dieses Ergebnis kommt einem Eklat gleich.
Beim Oktoberstreik 1950 waren Hunderttausende Menschen beteiligt. Die Arbeiter der größten Betriebe Österreichs standen in voller Einheit kürzere oder längere Zeit im Streik. Frauen und Kinder besetzten Gleisschienen usw. Diese Menschen wurden von der sozialistischen Fraktion im ÖGB als Terroristen oder Kommunofaschisten bezeichnet. Das konnte nur eine Methode der Deformierung dieser Menschen sein. Denn als erstes wurden diese Menschen kriminalisiert (Putschlüge), um sie danach maßregeln zu können.
Nach dem Streik wurden 85 führende Gewerkschafter aus dem ÖGB ausgeschlossen. Der Bundesvorstand des ÖGB billigte danach noch die Entlassung von Streikführern in den Betrieben. Damals ging es um den Richtungsstreit in der Gewerkschaft, den die rechte Sozialdemokratie gewonnen hat. Eine „Wiedergutmachen“ für die „Putschlüge“ in diesen Zeiten kann nur eine Veränderung der Gewerkschaftspolitik zu einer klassenkämpferischen Position sein.
Wenn nicht, kann eine sozialdemokratische Politik, die sich in Krisenzeiten auf eine Sozialpartnerschaft eingeschworen hat, – denn nicht die Wirtschaft ist in der Krise, sondern der Kapitalismus ist selbst zur Krise geworden – nur eine Unterstützung einer Schuldenwirtschaft sein, indem sich eine Minderheit ihre Profite sichert. Denn der Staat geht in Krisenzeiten des Kapitalismus ihrem Niedergang entgegen.
Er verschuldet sich und kann seine sozialen Sicherheiten und Gewährleistungen nicht einhalten. Von daher verbleibt ihm wie auch der niedergegangenen Wirtschaft nur eine Schuldenwirtschaft, für die er die Bevölkerung unter Druck setzten muss. (vgl. Pfreundschuh). Eine Ideologie von „alle auf einem Ast sitzende“ oder „in einem Boot Rudernde“ wie wir sie von der Sozialdemokratie nur zu gut kennen, kommt diesem Niedergang den Herrschenden nur recht.
Werner Lang ist im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, Werkstatt Wien, aktiv
Siehe: Fritz Klenner in; Putschversuch oder nicht? 1950 und Rudolf Streiter, Kominform; 2010. Herbert Steiner, „Der Oktoberstreik als soziale Bewegung“; in: Der Oktoberstreik 1950; Picus Verlag;1991; S. 190. Siehe auch: Stephan Ganglbauer; in: Der Oktoberstreik 1950“; Picus Verlag; S. 99-100, Mario Beckstein, Tobias Boos, Ako Pire, „Doppelkrise der Gewerkschaft“. Hans Prader; in: „In Sachen“; 1975. Josef Stingl, Verkaufsfahrer in Tirol, Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes und Bundesvorsitzender des GLB. Otto Hwaletz; Böhlau Verlag; 1991. http://www.pfreundschuh.de/.