Unseriöse Arbeitsverträge boomen
- Donnerstag, 14. April 2016 @ 16:41
Leo Furtlehner über die Unsitte der All-In-Verträge
Die Angebote hören sich durchaus verlockend an: 3.000 Euro brutto, Laptop und Smartphone auf Firmenkosten inklusive privater Nutzung etwa für einen angehenden Informatiker. Dass Überstunden ebenfalls inklusive sind, wird von Menschen, die bislang meist nur prekär beschäftigt waren, gerne überlesen. Die Arbeiterkammer Oberösterreich zieht in der Auswertung ihres „Arbeitsklima-Index“ hingegen ein eindeutiges Fazit: „Wer einen All-In-Vertrag hat, arbeitet öfter in der Freizeit, im Urlaub oder im Krankenstand“. Die ursprünglich für hochbezahlte Führungskräfte gedachten sind mittlerweile zur Unsitte geworden, All-In-Verträge erfassen zunehmend auch einfache Beschäftigungen und greifen in Branchen und Berufen um sich, in denen es weder nötig noch angebracht ist.
Prämie als Köder
Das Fatale ist, dass es keine allgemeinen Definitionen gibt, was einen All-Inclusive-Arbeitsvertrag eigentlich ausmacht. Etwa wenn im Linzer Chemie-Unternehmen DPx Fine Chemicals Austria von den 320 Angestellten bereits etwa ein Drittel via All-In beschäftigt ist, wozu man die Kolleg_innen mit einer Umstiegsprämie von 20.000 Euro geködert hat. Das aber muss sich schließlich für das Unternehmen rechnen. Etwa wenn die Betroffenen dann auch an dem an sich freien Samstag ins Linzer Werk des amerikanisch-niederländischen Multis einberufen werden.
In Österreich arbeitet etwa ein Drittel der Beschäftigten nach Dienstschluss weiter – mehr als zehn Prozent sogar häufig. Im Urlaub arbeiten 18 Prozent der Beschäftigten und selbst im Krankenstand können 14 Prozent nicht loslassen. Am häufigsten verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit bei Männern, mit zunehmendem Alter und höherer Bildung.
Hauptgrund für diese zunehmende Entgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit ist die Zunahme von All-in-Verträgen. Ende 2015 hatten bereits 24 Prozent der Befragten, über 800.000 Menschen in Österreich, einen solchen Arbeitsvertrag, der „alles abdeckt“, weitere 16 Prozent eine Überstundenpauschale.
Die Pauschalierung mittels All-In-Verträgen deckt scheinbar alle arbeitsrechtlichen Ansprüche ab, bringt den Betroffenen freilich fast nur Nachteile. Zum fixen Grundgehalt gibt es meist einen pauschalierten Überstundenzuschlag. Machen die Beschäftigten mehr Überstunden als vereinbart, bleiben diese oftmals unbezahlt, wird im Klartext also gratis für die Firma und auf Kosten der eigenen Gesundheit gewerkt. Seit Jahresbeginn 2016 sind zwar All-In-Verträge transparenter und muss nun am Dienstzettel oder im Arbeitsvertrag der Bruttolohn für eine 40-Stunden-Woche ausgewiesen sein. Am Grundproblem solcher Pauschalierungen ändert das freilich wenig.
Ständige Verfügbarkeit
All-In-Verträge müssen freilich auch in Verbindung mit der immer stärker verlangten ständigen Erreichbarkeit und Verfügbarkeit via Smartphone, Tablet oder Laptop gesehen werden. Hatten vor zwei Jahren noch ein Zehntel der Beschäftigten ein Dienst-Handy, so sind es heute bereits ein Siebtel. Zehn Prozent haben einen Firmen-Laptop oder Tablet. Ein Drittel nutzt diese Geräte in der Freizeit, um etwas für die Arbeit zu erledigen, 14 Prozent sogar jeden Tag.
Der Preis der ständigen Verfügbarkeit ist, dass immer mehr Beschäftigte die Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit nicht mehr schaffen. Etwa weil sie noch schnell etwas fertigmachen, die Kolleg_innen nicht belasten oder ihren Job verantwortungsbewusst machen wollen. Das alles mündet immer öfter in psychischen Erkrankungen wie Burn-Out, weil Menschen schwer abschalten können und unter Schlafstörungen leiden.
All-In-Plattform
Die Gewerkschaft GPA-djp hat im Februar 2016 die Plattform www.allinrechner.at eingerichtet, 13.000 Personen fragten innerhalb von einer Woche an, ließen sich ihr All-In-Gehalt und allfällige Gehaltsverluste ausrechnen und richteten zahlreiche konkrete Anfragen an die Gewerkschaft. Diese weist darauf hin, dass auch ein All-In-Vertrag keineswegs immer alle Mehr- und Überstunden abdeckt und als Teilerfolg sieht, dass nun in solchen Verträgen die Höhe des Grundgehaltes für eine 40- oder 38,5-Stundenwoche angegeben werden muss, ein keineswegs nebensächliches Detail.
Nach den Erfahrungen der Gewerkschaft halten sich viele All-In-Beschäftigte für überdurchschnittlich bezahlt, entpuppen sich aber bei einem genauen Vergleich mit einer normalen Beschäftigung, bei welcher Überstunden mit entsprechenden Zuschlägen abgegolten werden, als lediglich kollektivvertraglich entlohnt. Betont wird von der Gewerkschaft aber auch die Bedeutung genauer Zeitaufzeichnungen über die geleistete Arbeitszeit, die im Konfliktfall als wichtige Beweismittel herangezogen werden können.
Vor dem Hintergrund von jährlich 269 Millionen Überstunden, davon 57 Millionen unbezahlt (Stand 2014) einerseits und wachsender Prekarisierung andererseits stellt sich freilich auch im Zusammenhang mit solchen All-In-Verträgen die Dringlichkeit einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche als neuen Standard in aller Schärfe.
Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“
Die Angebote hören sich durchaus verlockend an: 3.000 Euro brutto, Laptop und Smartphone auf Firmenkosten inklusive privater Nutzung etwa für einen angehenden Informatiker. Dass Überstunden ebenfalls inklusive sind, wird von Menschen, die bislang meist nur prekär beschäftigt waren, gerne überlesen. Die Arbeiterkammer Oberösterreich zieht in der Auswertung ihres „Arbeitsklima-Index“ hingegen ein eindeutiges Fazit: „Wer einen All-In-Vertrag hat, arbeitet öfter in der Freizeit, im Urlaub oder im Krankenstand“. Die ursprünglich für hochbezahlte Führungskräfte gedachten sind mittlerweile zur Unsitte geworden, All-In-Verträge erfassen zunehmend auch einfache Beschäftigungen und greifen in Branchen und Berufen um sich, in denen es weder nötig noch angebracht ist.
Prämie als Köder
Das Fatale ist, dass es keine allgemeinen Definitionen gibt, was einen All-Inclusive-Arbeitsvertrag eigentlich ausmacht. Etwa wenn im Linzer Chemie-Unternehmen DPx Fine Chemicals Austria von den 320 Angestellten bereits etwa ein Drittel via All-In beschäftigt ist, wozu man die Kolleg_innen mit einer Umstiegsprämie von 20.000 Euro geködert hat. Das aber muss sich schließlich für das Unternehmen rechnen. Etwa wenn die Betroffenen dann auch an dem an sich freien Samstag ins Linzer Werk des amerikanisch-niederländischen Multis einberufen werden.
In Österreich arbeitet etwa ein Drittel der Beschäftigten nach Dienstschluss weiter – mehr als zehn Prozent sogar häufig. Im Urlaub arbeiten 18 Prozent der Beschäftigten und selbst im Krankenstand können 14 Prozent nicht loslassen. Am häufigsten verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit bei Männern, mit zunehmendem Alter und höherer Bildung.
Hauptgrund für diese zunehmende Entgrenzung zwischen Arbeitszeit und Freizeit ist die Zunahme von All-in-Verträgen. Ende 2015 hatten bereits 24 Prozent der Befragten, über 800.000 Menschen in Österreich, einen solchen Arbeitsvertrag, der „alles abdeckt“, weitere 16 Prozent eine Überstundenpauschale.
Die Pauschalierung mittels All-In-Verträgen deckt scheinbar alle arbeitsrechtlichen Ansprüche ab, bringt den Betroffenen freilich fast nur Nachteile. Zum fixen Grundgehalt gibt es meist einen pauschalierten Überstundenzuschlag. Machen die Beschäftigten mehr Überstunden als vereinbart, bleiben diese oftmals unbezahlt, wird im Klartext also gratis für die Firma und auf Kosten der eigenen Gesundheit gewerkt. Seit Jahresbeginn 2016 sind zwar All-In-Verträge transparenter und muss nun am Dienstzettel oder im Arbeitsvertrag der Bruttolohn für eine 40-Stunden-Woche ausgewiesen sein. Am Grundproblem solcher Pauschalierungen ändert das freilich wenig.
Ständige Verfügbarkeit
All-In-Verträge müssen freilich auch in Verbindung mit der immer stärker verlangten ständigen Erreichbarkeit und Verfügbarkeit via Smartphone, Tablet oder Laptop gesehen werden. Hatten vor zwei Jahren noch ein Zehntel der Beschäftigten ein Dienst-Handy, so sind es heute bereits ein Siebtel. Zehn Prozent haben einen Firmen-Laptop oder Tablet. Ein Drittel nutzt diese Geräte in der Freizeit, um etwas für die Arbeit zu erledigen, 14 Prozent sogar jeden Tag.
Der Preis der ständigen Verfügbarkeit ist, dass immer mehr Beschäftigte die Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit nicht mehr schaffen. Etwa weil sie noch schnell etwas fertigmachen, die Kolleg_innen nicht belasten oder ihren Job verantwortungsbewusst machen wollen. Das alles mündet immer öfter in psychischen Erkrankungen wie Burn-Out, weil Menschen schwer abschalten können und unter Schlafstörungen leiden.
All-In-Plattform
Die Gewerkschaft GPA-djp hat im Februar 2016 die Plattform www.allinrechner.at eingerichtet, 13.000 Personen fragten innerhalb von einer Woche an, ließen sich ihr All-In-Gehalt und allfällige Gehaltsverluste ausrechnen und richteten zahlreiche konkrete Anfragen an die Gewerkschaft. Diese weist darauf hin, dass auch ein All-In-Vertrag keineswegs immer alle Mehr- und Überstunden abdeckt und als Teilerfolg sieht, dass nun in solchen Verträgen die Höhe des Grundgehaltes für eine 40- oder 38,5-Stundenwoche angegeben werden muss, ein keineswegs nebensächliches Detail.
Nach den Erfahrungen der Gewerkschaft halten sich viele All-In-Beschäftigte für überdurchschnittlich bezahlt, entpuppen sich aber bei einem genauen Vergleich mit einer normalen Beschäftigung, bei welcher Überstunden mit entsprechenden Zuschlägen abgegolten werden, als lediglich kollektivvertraglich entlohnt. Betont wird von der Gewerkschaft aber auch die Bedeutung genauer Zeitaufzeichnungen über die geleistete Arbeitszeit, die im Konfliktfall als wichtige Beweismittel herangezogen werden können.
Vor dem Hintergrund von jährlich 269 Millionen Überstunden, davon 57 Millionen unbezahlt (Stand 2014) einerseits und wachsender Prekarisierung andererseits stellt sich freilich auch im Zusammenhang mit solchen All-In-Verträgen die Dringlichkeit einer allgemeinen Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche als neuen Standard in aller Schärfe.
Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“