Umverteilen, aber was?
- Samstag, 18. Juli 2015 @ 22:56
Michael Heindl zum Thema Arbeitszeit
Die Vervierfachung der Produktivität in den letzten 40 Jahren lässt sich von zwei Seiten betrachten: die ArbeiterInnen können viermal so viele Produkte in derselben Zeit herstellen wie vor 40 Jahren, oder sie benötigen nur ein Viertel der Zeit, um ein Produkt zu erzeugen. Man möchte meinen, das ist ein und dieselbe Sache. Der grundlegende Unterschied zeigt sich, wenn man sich überlegt, wem diese Steigerung der Produktivität nützt. Uns ArbeiterInnen in der Lohnsklaverei bringt die Mehrproduktion keinen Vorteil. Es ist die Natur von Kapital, zu akkumulieren, die Investition von Geld hat einzig den Grund es zu vermehren. Vermehren kann sich Geld - also Tauschwert - nur in Form von Kapital unter Ausnutzung der einzigen Ware auf dem Markt, welche Wert in kapitalistischem Sinne schaffen kann: der Ware Arbeitskraft.
Die entwickelten Produktivkräfte könnten jedoch auch eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung bewirken. Reichtum, in gesamtgesellschaftlicher Sicht, in Form von frei verfügbarer Zeit. So kommen wir, mit einem etwas weitreichenderen gedanklichen Sprung, zum Thema Gewerkschaften. Die ArbeiterInnenvertretungen, also die Gewerkschaften, haben ihre Hauptaufgabe auf die Kollektivvertragsverhandlungen und die Serviceleistung von Beratung sowie juristischer Vertretung der ArbeiterInnen reduziert.
Kollektivvertragsverhandlungen haben einen grundlegenden Widerspruch: wenn von Lohnsteigerungen die Rede ist, meint man in erster Linie den inflationär bedingten notwendigen Ausgleich der Löhne. Würden alle Löhne in gleichem Maße steigen, würde sich das durch eine allgemeine Preissteigerung ad absurdum führen. So machen sich Lohnerhöhungen, in herkömmlicher Form nur dann bemerkbar, wenn sich diese branchenspezifisch unterscheiden. Wir können hier durchaus von einer Konkurrenz der unterschiedlichen Branchen, also verschiedener Kollektivverträge, sprechen.
Eine klassenkämpferische Gewerkschaft kann eine reale Lohnsteigerung nur in Form von Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich in Erwägung ziehen. Die Arbeitszeitverkürzung von zwölf auf zehn Stunden (bzw. 10,5 Stunden) im 19. Jahrhundert hat eine, für das Proletariat spürbare, Lohnsteigerung zur Folge gehabt. Ursprüngliche Weissagungen von damaligen Vulgärökonomen, dies bedeute die wirtschaftliche Katastrophe, erwiesen sich als haltlos.
Ungeachtet der allgemein schwierigen Verhältnisse nach dem ersten Weltkrieg, brachte die Verkürzung des Zehnstunden- in einen Achtstunden-Lohnarbeitstag im Jahr 1918 ebenfalls keinen wirtschaftlichen Kollaps. 1975 wurde die Sechstage-Lohnarbeitswoche um einen Tag gekürzt – auch hier hat die kapitalistische Produktionsweise keinen Schaden genommen.
Grund für das Ausbleiben der befürchteten wirtschaftlichen Katastrophe ist, dass sich das Verhältnis im kapitalistischen Konkurrenzkampf nicht verändert hat. Natürlich nur, weil die Arbeitszeitverkürzung alle Branchen, und somit Kollektivverträge, gleichermaßen betrifft.
Der politische Versuch, die Kaufkraft der Menschen mit Steuerreformen zu stärken, um damit die heilige Kuh des Kapitalismus - das Wirtschaftswachstum - zu erhalten, dient einzig den Kapitalisten. Solche Maßnahmen schaffen weder Arbeitsplätze (Arbeitslose werden weiterhin vom Staat und somit von der Allgemeinheit getragen) noch wirken sie der Prekarisierung der ArbeiterInnen entgegen.
Wenn von Steuerreformen die Rede ist, soll das der Öffentlichkeit den Eindruck einer Umverteilung von Reichtum vermitteln. Hinterfragen sollten wir hierbei jedoch, was denn nun umverteilt werden soll. Die Umverteilung von Geld von „oben nach unten” bedeutet, den von den ArbeiterInnen geschaffenen Mehrwert dem Kapital zu entreißen und den ArbeiterInnen zukommen zu lassen. In Folge wird der Kapitalist dafür sorgen, den Verlust dieses Mehrwertes zu kompensieren. Eine weitere Prekarisierung in der Lohnsklaverei ist unausweichlich. Der erste Schritt des Kapitalisten, einen Profitverlust auszugleichen, ist das variable Kapital, die Lohnkosten und somit Arbeitsplätze abzubauen. Noch mehr Arbeitslose und somit Armutsgefährdete und Betroffene sind die Folge. Sollte all dies nicht eintreten, so kann man davon ausgehen, dass diese Umverteilung von „oben nach unten” nicht mehr als ein wenig Kosmetik war. Es haben sich ein paar PolitikerInnen und GewerkschafterInnen ein wenig ins rechte Licht gesetzt.
Eine etwas andere Art der Umverteilung, ist die Umverteilung von Arbeitszeit. Nicht Geld wird umverteilt, sondern die „gesellschaftlich notwendige Arbeit” wird aufgeteilt. Es ist ja auch absurd, zuerst den ArbeiterInnen Mehrwert abzupressen um ihn diesen wieder zurückzuführen. Keine Verschlechterung der Arbeitsumstände, sondern vielmehr ein Rückgang der Arbeitslosenzahl und wirksame Bekämpfung der Armut würden diese Maßnahme belohnen.
Die vom GLB geforderte 30-Stunden-Lohnarbeitswoche bei vollem Lohnausgleich wäre ein erster Schritt der Annäherung von entwickelter Produktivkraft und Arbeitszeit.
Michael Heindl ist Druckformenhersteller und Aktivist des GLB in Wien
Die Vervierfachung der Produktivität in den letzten 40 Jahren lässt sich von zwei Seiten betrachten: die ArbeiterInnen können viermal so viele Produkte in derselben Zeit herstellen wie vor 40 Jahren, oder sie benötigen nur ein Viertel der Zeit, um ein Produkt zu erzeugen. Man möchte meinen, das ist ein und dieselbe Sache. Der grundlegende Unterschied zeigt sich, wenn man sich überlegt, wem diese Steigerung der Produktivität nützt. Uns ArbeiterInnen in der Lohnsklaverei bringt die Mehrproduktion keinen Vorteil. Es ist die Natur von Kapital, zu akkumulieren, die Investition von Geld hat einzig den Grund es zu vermehren. Vermehren kann sich Geld - also Tauschwert - nur in Form von Kapital unter Ausnutzung der einzigen Ware auf dem Markt, welche Wert in kapitalistischem Sinne schaffen kann: der Ware Arbeitskraft.
Die entwickelten Produktivkräfte könnten jedoch auch eine grundlegende gesellschaftliche Veränderung bewirken. Reichtum, in gesamtgesellschaftlicher Sicht, in Form von frei verfügbarer Zeit. So kommen wir, mit einem etwas weitreichenderen gedanklichen Sprung, zum Thema Gewerkschaften. Die ArbeiterInnenvertretungen, also die Gewerkschaften, haben ihre Hauptaufgabe auf die Kollektivvertragsverhandlungen und die Serviceleistung von Beratung sowie juristischer Vertretung der ArbeiterInnen reduziert.
Kollektivvertragsverhandlungen haben einen grundlegenden Widerspruch: wenn von Lohnsteigerungen die Rede ist, meint man in erster Linie den inflationär bedingten notwendigen Ausgleich der Löhne. Würden alle Löhne in gleichem Maße steigen, würde sich das durch eine allgemeine Preissteigerung ad absurdum führen. So machen sich Lohnerhöhungen, in herkömmlicher Form nur dann bemerkbar, wenn sich diese branchenspezifisch unterscheiden. Wir können hier durchaus von einer Konkurrenz der unterschiedlichen Branchen, also verschiedener Kollektivverträge, sprechen.
Eine klassenkämpferische Gewerkschaft kann eine reale Lohnsteigerung nur in Form von Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich in Erwägung ziehen. Die Arbeitszeitverkürzung von zwölf auf zehn Stunden (bzw. 10,5 Stunden) im 19. Jahrhundert hat eine, für das Proletariat spürbare, Lohnsteigerung zur Folge gehabt. Ursprüngliche Weissagungen von damaligen Vulgärökonomen, dies bedeute die wirtschaftliche Katastrophe, erwiesen sich als haltlos.
Ungeachtet der allgemein schwierigen Verhältnisse nach dem ersten Weltkrieg, brachte die Verkürzung des Zehnstunden- in einen Achtstunden-Lohnarbeitstag im Jahr 1918 ebenfalls keinen wirtschaftlichen Kollaps. 1975 wurde die Sechstage-Lohnarbeitswoche um einen Tag gekürzt – auch hier hat die kapitalistische Produktionsweise keinen Schaden genommen.
Grund für das Ausbleiben der befürchteten wirtschaftlichen Katastrophe ist, dass sich das Verhältnis im kapitalistischen Konkurrenzkampf nicht verändert hat. Natürlich nur, weil die Arbeitszeitverkürzung alle Branchen, und somit Kollektivverträge, gleichermaßen betrifft.
Der politische Versuch, die Kaufkraft der Menschen mit Steuerreformen zu stärken, um damit die heilige Kuh des Kapitalismus - das Wirtschaftswachstum - zu erhalten, dient einzig den Kapitalisten. Solche Maßnahmen schaffen weder Arbeitsplätze (Arbeitslose werden weiterhin vom Staat und somit von der Allgemeinheit getragen) noch wirken sie der Prekarisierung der ArbeiterInnen entgegen.
Wenn von Steuerreformen die Rede ist, soll das der Öffentlichkeit den Eindruck einer Umverteilung von Reichtum vermitteln. Hinterfragen sollten wir hierbei jedoch, was denn nun umverteilt werden soll. Die Umverteilung von Geld von „oben nach unten” bedeutet, den von den ArbeiterInnen geschaffenen Mehrwert dem Kapital zu entreißen und den ArbeiterInnen zukommen zu lassen. In Folge wird der Kapitalist dafür sorgen, den Verlust dieses Mehrwertes zu kompensieren. Eine weitere Prekarisierung in der Lohnsklaverei ist unausweichlich. Der erste Schritt des Kapitalisten, einen Profitverlust auszugleichen, ist das variable Kapital, die Lohnkosten und somit Arbeitsplätze abzubauen. Noch mehr Arbeitslose und somit Armutsgefährdete und Betroffene sind die Folge. Sollte all dies nicht eintreten, so kann man davon ausgehen, dass diese Umverteilung von „oben nach unten” nicht mehr als ein wenig Kosmetik war. Es haben sich ein paar PolitikerInnen und GewerkschafterInnen ein wenig ins rechte Licht gesetzt.
Eine etwas andere Art der Umverteilung, ist die Umverteilung von Arbeitszeit. Nicht Geld wird umverteilt, sondern die „gesellschaftlich notwendige Arbeit” wird aufgeteilt. Es ist ja auch absurd, zuerst den ArbeiterInnen Mehrwert abzupressen um ihn diesen wieder zurückzuführen. Keine Verschlechterung der Arbeitsumstände, sondern vielmehr ein Rückgang der Arbeitslosenzahl und wirksame Bekämpfung der Armut würden diese Maßnahme belohnen.
Die vom GLB geforderte 30-Stunden-Lohnarbeitswoche bei vollem Lohnausgleich wäre ein erster Schritt der Annäherung von entwickelter Produktivkraft und Arbeitszeit.
Michael Heindl ist Druckformenhersteller und Aktivist des GLB in Wien