Trainer_innennot und Politikversagen
- Samstag, 18. Juli 2015 @ 22:57
Kurt Luttenberger über die Misere in der Bildungsbranche
Am 6. Juni 2015 erklärte Ex-Finanzminister Lacina zum Zustand seiner SPÖ nach den Wahlen im Burgenland und der Steiermark: „An Machtworte glaube ich nicht mehr. Worte hat es genug gegeben. Das betrifft nicht nur die SPÖ, sondern die ganze Regierung. Ich sehe nicht, dass noch glaubwürdig Macht ausgeübt wird – angesichts steigender Arbeitslosenzahlen, wo man nicht den Eindruck hat, dass die Regierung sehr beunruhigt ist…“ Ende Juni 2015 waren beim AMS in Österreich 381.898 Kolleg_innen als arbeitssuchend vorgemerkt, darunter 61.726 Personen in AMS-Schulungsmaßnahmen. Laut Prognosen ist im nächsten Halbjahrzehnt mit keiner Besserung der Situation zu rechnen. In der EU ist Österreich hinter Deutschland und Großbritannien zurückgefallen. Tendenz? Weiter zurückfallend.
Auf das Drama von Arbeitslosigkeit und deren gesellschaftspolitischer Auswirkung möchte ich nicht zum x-ten Mal näher eingehen. Wesentlicher Hintergrund der Misere bleibt die unverminderte Sparpolitik der SP-VP-Regierung. Gilt es doch weiter das Bankenkapital zu stützen, sei es die Abwicklung der Hypo Alpe Adria oder die Stützung von Raiffeisen mit Steuermitteln. Diese Gelder werden auch aus dem Sozialbereich lukriert. Manchen von uns ist noch erinnerlich, wie von der schwarz-blauen Regierung Milliarden AMS-Mittel – von unseren Löhnen und Gehältern erarbeitet und als Absicherung vor möglicher Arbeitslosigkeit angespart – in den Staatshaushalt verschoben wurden. Jetzt, wo auch in Österreich eine Massenarbeitslosigkeit von 500.000 und mehr Menschen droht, spart die Bundespolitik weiter drastisch beim AMS ein.
Politik macht Trainer_innen arbeitslos
Was die AMS-Führung nach Anweisung der Politik nun tut, sind nicht nur einfach Kürzungen, sondern Umschichtungen. Statt in Ausbildungen und Qualifizierungen arbeitsloser Kolleg_innen zu investieren, werden wieder Abermillionen von Euros den Unternehmen nachgeschmissen. Etwa als „Lohnsubventionen“ mit dem vagen Ziel ältere, arbeitslose Kolleg_innen (Stichwort: 50 plus) wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Dies obwohl aktuell viele Unternehmen die „Alten“ nur mehr als unnötige Kostenfaktoren betrachten und seit Jahren diesen Personenkreis flugs abbauen. Das Arbeitsmarktbudget beläuft sich heuer auf 1,14 Mrd. Euro (2014: 1,12 Mrd. Euro) mit denen bisher rund 50.000 erwerbslose Menschen mehr zu versorgen sind, Tendenz weiter steigend. Gleichzeitig wurde das Budget für Kurse, die Arbeitssuchende selbstaussuchen, auf 20 Millionen Euro heruntergekürzt, Tendenz stark fallend.
Schrumpfen statt Wachsen
Österreichweit liefern etwa 150 Schulungspartner dem AMS zu. Dazu zählen sozialpartnerschaftlich strukturierte „Großunternehmen“ wie Wifi oder bfi, wo rund 40 Prozent der bereitgestellten AMS-Mittel landen. Profitiert hatten aber auch – EU sei Dank – private Anbieter wie BIT, Mentor oder Ibisacam. Durch die Kürzungen sind österreichweit von 7.000 Trainer_innenarbeitsplätzen in den nächsten Jahren bis zu 2.000 Jobs bedroht. Das Arbeitsklima ist ja schon seit geraumer Zeit im Keller. Viele Trainer_innen arbeiten freiberuflich und müssen – je nach Arbeitszeiten – mit Hungerlöhnen (exklusive Vorbereitungszeiten, Korrekturen und Fahrten zum Trainingsort) über die Runden kommen. Als AMS-Chef Kopf jedoch gefragt wurde, ob er sich dafür einsetzen wird, mehr Budgetmittel für Schulungen zu bekommen, kam eine doch überraschende Antwort: „Mehr finanzielle Mittel von der Politik einzufordern sei nicht seine Aufgabe!“ Wie „tickt“ dieser Mensch?
Widerstand formiert sich
Am 2. Juni demonstrierten vor dem Bundeskanzleramt rund 1.500 Kolleg_innen gegen den drohenden sozialen Kahlschlag. Organisiert von der GPA-djp nahmen auch etwa 60 steirische Kolleg_innen teil. Es war ein wichtiges Zeichen, aber wie öfters stellt sich mir die Frage: „War dies der Beginn oder war es gar schon das Ende der Auseinandersetzung?“.
Trotz gutem Einstimmungssound von Musikkonserven (etwa der Rockgruppe T. Rex mit „Children of the Revolution“) machte das Bundekanzleramt, wo aktuell die für unsere Probleme zuständigen Minister tagten und prompte „Win-Win-Situationen“ anordnen könnten, einen gewollt verödeten Eindruck. Alle Fenster waren geschlossen, teilweise sogar Rollos und Vorhänge zugezogen. Auf Grund meiner fast 45-jährigen Berufs- und Gewerkschaftserfahrung gilt es aber trotzdem, weiter Druck aufzubauen. Zum Beispiel eben in Richtung Bundesregierung, wo noch nie zuvor so viele verantwortliche Minister_innen – mit ÖGB- und AK-Background – mitregieren. Wo es noch nie so viele Kolleg_innen gab, die im Nationalrat, Bundesrat und in den Landtagen angeblich unsere Interessen vertreten. Ob dies auch so ist werden die nächsten Monate zeigen
ÖGB-Vizepräsidentin Anderl betonte in ihrer Rede, dass der ÖGB „hinter uns“ steht. Bleibt zu hoffen, dass, wenn es möglichweise zu Kampfmaßnahmen käme und wir uns „umdrehen“ müssten, wir auch dann den ÖGB hinter uns sehen werden...
Kurt Luttenberger ist sozialpädagogischer Trainer und Betriebsrat im bfi-Steiermark, AK-Rat und KPÖ-Gemeinderat in Graz
Am 6. Juni 2015 erklärte Ex-Finanzminister Lacina zum Zustand seiner SPÖ nach den Wahlen im Burgenland und der Steiermark: „An Machtworte glaube ich nicht mehr. Worte hat es genug gegeben. Das betrifft nicht nur die SPÖ, sondern die ganze Regierung. Ich sehe nicht, dass noch glaubwürdig Macht ausgeübt wird – angesichts steigender Arbeitslosenzahlen, wo man nicht den Eindruck hat, dass die Regierung sehr beunruhigt ist…“ Ende Juni 2015 waren beim AMS in Österreich 381.898 Kolleg_innen als arbeitssuchend vorgemerkt, darunter 61.726 Personen in AMS-Schulungsmaßnahmen. Laut Prognosen ist im nächsten Halbjahrzehnt mit keiner Besserung der Situation zu rechnen. In der EU ist Österreich hinter Deutschland und Großbritannien zurückgefallen. Tendenz? Weiter zurückfallend.
Auf das Drama von Arbeitslosigkeit und deren gesellschaftspolitischer Auswirkung möchte ich nicht zum x-ten Mal näher eingehen. Wesentlicher Hintergrund der Misere bleibt die unverminderte Sparpolitik der SP-VP-Regierung. Gilt es doch weiter das Bankenkapital zu stützen, sei es die Abwicklung der Hypo Alpe Adria oder die Stützung von Raiffeisen mit Steuermitteln. Diese Gelder werden auch aus dem Sozialbereich lukriert. Manchen von uns ist noch erinnerlich, wie von der schwarz-blauen Regierung Milliarden AMS-Mittel – von unseren Löhnen und Gehältern erarbeitet und als Absicherung vor möglicher Arbeitslosigkeit angespart – in den Staatshaushalt verschoben wurden. Jetzt, wo auch in Österreich eine Massenarbeitslosigkeit von 500.000 und mehr Menschen droht, spart die Bundespolitik weiter drastisch beim AMS ein.
Politik macht Trainer_innen arbeitslos
Was die AMS-Führung nach Anweisung der Politik nun tut, sind nicht nur einfach Kürzungen, sondern Umschichtungen. Statt in Ausbildungen und Qualifizierungen arbeitsloser Kolleg_innen zu investieren, werden wieder Abermillionen von Euros den Unternehmen nachgeschmissen. Etwa als „Lohnsubventionen“ mit dem vagen Ziel ältere, arbeitslose Kolleg_innen (Stichwort: 50 plus) wieder in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Dies obwohl aktuell viele Unternehmen die „Alten“ nur mehr als unnötige Kostenfaktoren betrachten und seit Jahren diesen Personenkreis flugs abbauen. Das Arbeitsmarktbudget beläuft sich heuer auf 1,14 Mrd. Euro (2014: 1,12 Mrd. Euro) mit denen bisher rund 50.000 erwerbslose Menschen mehr zu versorgen sind, Tendenz weiter steigend. Gleichzeitig wurde das Budget für Kurse, die Arbeitssuchende selbstaussuchen, auf 20 Millionen Euro heruntergekürzt, Tendenz stark fallend.
Schrumpfen statt Wachsen
Österreichweit liefern etwa 150 Schulungspartner dem AMS zu. Dazu zählen sozialpartnerschaftlich strukturierte „Großunternehmen“ wie Wifi oder bfi, wo rund 40 Prozent der bereitgestellten AMS-Mittel landen. Profitiert hatten aber auch – EU sei Dank – private Anbieter wie BIT, Mentor oder Ibisacam. Durch die Kürzungen sind österreichweit von 7.000 Trainer_innenarbeitsplätzen in den nächsten Jahren bis zu 2.000 Jobs bedroht. Das Arbeitsklima ist ja schon seit geraumer Zeit im Keller. Viele Trainer_innen arbeiten freiberuflich und müssen – je nach Arbeitszeiten – mit Hungerlöhnen (exklusive Vorbereitungszeiten, Korrekturen und Fahrten zum Trainingsort) über die Runden kommen. Als AMS-Chef Kopf jedoch gefragt wurde, ob er sich dafür einsetzen wird, mehr Budgetmittel für Schulungen zu bekommen, kam eine doch überraschende Antwort: „Mehr finanzielle Mittel von der Politik einzufordern sei nicht seine Aufgabe!“ Wie „tickt“ dieser Mensch?
Widerstand formiert sich
Am 2. Juni demonstrierten vor dem Bundeskanzleramt rund 1.500 Kolleg_innen gegen den drohenden sozialen Kahlschlag. Organisiert von der GPA-djp nahmen auch etwa 60 steirische Kolleg_innen teil. Es war ein wichtiges Zeichen, aber wie öfters stellt sich mir die Frage: „War dies der Beginn oder war es gar schon das Ende der Auseinandersetzung?“.
Trotz gutem Einstimmungssound von Musikkonserven (etwa der Rockgruppe T. Rex mit „Children of the Revolution“) machte das Bundekanzleramt, wo aktuell die für unsere Probleme zuständigen Minister tagten und prompte „Win-Win-Situationen“ anordnen könnten, einen gewollt verödeten Eindruck. Alle Fenster waren geschlossen, teilweise sogar Rollos und Vorhänge zugezogen. Auf Grund meiner fast 45-jährigen Berufs- und Gewerkschaftserfahrung gilt es aber trotzdem, weiter Druck aufzubauen. Zum Beispiel eben in Richtung Bundesregierung, wo noch nie zuvor so viele verantwortliche Minister_innen – mit ÖGB- und AK-Background – mitregieren. Wo es noch nie so viele Kolleg_innen gab, die im Nationalrat, Bundesrat und in den Landtagen angeblich unsere Interessen vertreten. Ob dies auch so ist werden die nächsten Monate zeigen
ÖGB-Vizepräsidentin Anderl betonte in ihrer Rede, dass der ÖGB „hinter uns“ steht. Bleibt zu hoffen, dass, wenn es möglichweise zu Kampfmaßnahmen käme und wir uns „umdrehen“ müssten, wir auch dann den ÖGB hinter uns sehen werden...
Kurt Luttenberger ist sozialpädagogischer Trainer und Betriebsrat im bfi-Steiermark, AK-Rat und KPÖ-Gemeinderat in Graz