Talk statt Diskussion
- Mittwoch, 15. Mai 2013 @ 22:00
Dass die Landeskonferenz einer Organisation mit 238.000 Mitgliedern zwangsläufig ein sehr komprimiertes Ereignis sein muss liegt auf der Hand, eine solche aber in dreieinhalb Stunden weitgehend diskussionsfrei abzuwickeln ist schon eine Leistung sondergleichen. Die Rede ist von der 22. Landeskonferenz des ÖGB-Oberösterreich die am 15. Mai 2013 in der Kürnberghalle in Leonding unter dem Motto „Sozialstaat. Gerechtigkeit braucht Gewerkschaft“ über die Bühne ging. Die Konferenz war durchgehend bestimmt von Begrüßungsritualen, Grußworten und der Selbstdarstellung der SpitzengewerkschafterInnen.
Zunahme des Widerstandes
Eine Präsentation zeigte als Leistungsschau, dass in den Jahren seit 2009 die Zahl der Proteste und Arbeitskämpfe in Oberösterreich deutlich zugenommen hat. Streiks von EXIT-sozial und pro mente, der MetallerInnen und zuletzt der Ordensspitäler, starke Protestkundgebungen und Demos der Beschäftigten der Sozialvereine, Caritas, Druckereien, Banken, Gemeindebediensteten sowie gegen die Spitalsreform sind Ausdruck dafür.
Gleichzeitig ist aber zunehmend spürbar, dass es den ÖGB-Granden vielfach nur um das berühmte Dampfablassen geht, etwa wenn der intensiv vorbereitete Streik der Gemeindebediensteten im März 2012 am Vortag zugunsten eines windigen Übereinkommens mit dem Landeshauptmann abgeblasen wurde was entsprechend Frust hinterlassen hat.
ÖGB-Landesvorsitzender und AK-Präsident Johann Kalliauer kritisierte in seinem Kurzbericht zu Recht, dass europaweit 700 Milliarden Euro für die Bankenrettung auf Kosen der SteuerzahlerInnen flüssig gemacht wurden, verschwieg allerdings, dass die GewerkschafterInnen im Parlament dem zugestimmt hatten. Kalliauer verwies auf den enormen Produktivitätszuwachs die mit einer massiven Arbeitsverdichtung verbunden ist und verlangte Entschleunigung und Verteilungsgerechtigkeit. Seine Kritik an WKO-Chef Leitls Denunzierung des Sozialstaates als Hängematte ist freilich insofern zu ergänzen, als auch Sozialminister Hundstorfer meinte, die Mindestsicherung sei keine Hängematte sondern ein Trampolin.
Kalliauers Forderung an die Politik, Maßnahmen für Beschäftigung, etwa im Wohnbau und im Sozialbereich zu setzen, ist ebenso zuzustimmen wie dem Bekenntnis zum öffentlichen Sektor und dass für all das die Finanzierung die Schlüsselfrage ist. Erfreulich ist zweifellos, dass der ÖGB in Oberösterreich einen leichten Mitgliederzuwachs erreichen konnte und bei der Jugend die stärkste Landesorganisation stellt. Wobei sich die Funktion der Arbeiterkammer als Brain-Trust für die Gewerkschaften über Oberösterreich hinaus als äußerst wichtig erweist.
Die offizielle Interpretation
Eine Interviewrunde mit SpitzengewerkschafterInnen sollte dem Publikum die offizielle Version von Arbeitskämpfen liefern. So sprach PROGE-Landessekretär Walter Schopf wortgewaltig über „harte Kämpfe“ bei der Lohnrunde und dem Anspruch „den Fünfer zu schaffen“, ließ aber offen ob dieser Fünfer vor oder hinter dem Komma steht.
GdG-Landesobmann Norbert Haudum berichtete über den Protest gegen die einprozentige Gehaltskürzung für 2012 gegen die mit 17.000 Unterschriften und einer Demo mit fast 5.000 TeilnehmerInnen mobilisiert wurde. Den am Vortag zu Gunsten eines mehr als mageren Ergebnisses abgesagten Streik kommentierte er mit „Streikbeschlüssen als Druckmittel“.
Ganz im Gegensatz dazu stand der Bericht der Spitalsbetriebsrätin Sonja Reitinger über den Streik der Ordensspitäler, eine Maßnahme die sie nach eigenen Worten vor sechs bis acht Jahren für undenkbar gehalten hätte. Das Ergebnis sei tragfähig, aber noch nicht ausgestanden, die Dienstgeber hätten sich bei den Verhandlungen auffällig still verhalten und den Ball dem Landeshauptmann zugespielt, so Reitinger.
Der als Aufsteiger und Hans-Dampf-in-allen-Gassen geltende und vom Moderator mit enormen Vorschusslorbeeren bedachte GPA-Landesgeschäftsführer Andreas Stangl meinte, die Caritas sei nach einer Streikdrohung eingeknickt und kritisierte, dass vom Land ein einheitliches Dienstrecht für Kindergärten blockiert wird. Seine weiteren Themen waren der Konflikt um den gekündigten und dann wiederaufgenommenen Druck-KV sowie um die Sonntagsöffnung, die bei der Landesausstellung im Bezirk Braunau und bei dayli verhindert werden konnte.
Umfangreicher Leitantrag
Wohl um unerwünschte Debatten zu verhindern durften die sechs KandidatInnen für das Präsidium dann kapitelweise den Leitantrag vorstellen. Dementsprechend gab es zu den 19 Kapiteln ganze sechs Kurzwortmeldungen.
Für den GLB kritisierte Karin Antlanger (BRVStv EXIT-sozial Linz) die Preisgabe der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung durch den ÖGB 2009, deren Wiederaufnahme im bei der Konferenz beschlossenen Leitantrag verlangt wird. Sie meinte, dass die Belastung und Leistungsverdichtung immer stärker wird, wovon die wachsende Zahl der Burn-Outs zeugt. Die zunehmende Perspektivlosigkeit treibt die Menschen in Krankenstand und Psychiatrie, die Diagnosen dafür kanalisieren den möglichen Widerstand.
Weiters sprach sich Antlanger entschieden gegen eine Hinaufsetzung des Pensionsalters aus und lehnte eine vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsales ab wie von WKO und ÖVP schon für 2014 statt für 2024 verlangt. Sie meinte, es sei zu befürchten, dass nach der Wahl im nächsten Koalitionspakt mit einer solchen Maßnahme zu rechnen sei, zumal sich auch Sozialminister Hundstorfer dazu teilweise ambivalent geäußert hatte. Und sie meinte, die GewerkschafterInnen im Parlament müssten verpflichtet werden dies abzulehnen.
Der dabei persönlich angesprochene PROGE-Landessekretär Schopf, gleichzeitig SPÖ-Abgeordneter, sah sich herausgefordert und meinte Hundstorfer sei nicht zweideutig, der ÖGB eindeutig gegen eine solche Maßnahme und er werde da „kräftig mitreden“. Ob es im Ernstfall zu einem „kräftigen Handheben“ aus Fraktionsdisziplin, plötzlicher Erkrankung oder der Flucht auf das Klo kommt bleibt abzuwarten.
Verunsichert wurde die Konferenzregie dann noch durch die Forderung von Sonja Reitinger beim Kapital Pflege statt einer solchen „auf hohem Niveau“ einen Personalschlüssel zu verankern. Kommissionssprecher Josef Dolzer meinte die Kommission habe sich nicht näher mit der Pflege befasst und daher diese allgemeine Floskel gewählt. Der neue PROGE-Vertreter im Präsidium, Josef Madlmayr glänzte dann noch mit der Äußerung die Privatisierung der Austria Tabak sei das „größte Verbrechen“ gewesen, unterschlug dabei freilich, dass diese Privatisierung schon 1996 durch einen unter SPÖ-Regie erfolgten Börsegang erfolgt ist.
Der Leitantrag fand große Zustimmung, lediglich die FCG deponierte zu einigen Punkten wie Streichung der staatlichen Förderung für private Zukunftsvorsorge, Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuer, Ablehnung eines Familiensplitting, Schaffung eines Integrationsministeriums, steuerliche Gleichbehandlung der Landwirte ihre Ablehnung.
Der umfangreiche Leitantrag beinhaltet zweifellos viele richtige Maßnahmen, die Frage ist freilich, wie und ob sie umgesetzt werden. Es gehört bekanntlich zum großkoalitionären Wechselspiel, dass die SPÖ gerade in Vorwahlzeiten alles fordert was gut und teuer ist, dabei aber schon im vornhinein einkalkuliert, dass der Koalitionspartner vieles ablehnt, sodass sie gar nicht in die Verlegenheit kommt diese Forderungen auch wirklich umzusetzen. Auch kann die Abfolge so gesehen werden, dass der ÖGB den Sozialstaat beschwört, die SPÖ als Regierungspartei ihn EU-konform demontiert und die FSG-Abgeordneten dem brav zustimmen.
Talk-Runde vor halbleerem Saal
Statt die Konferenz durch die Einladung von ExpertInnen zu aktuellen Themen wie etwa zur Arbeitszeit aufzuwerten wurde einem sichtlich gelichteten Publikum eine relativ fade Talk-Runde serviert. ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser meinte, man dürfe nicht nur im eigenen Saft schmoren, sondern müsse Dampf machen, vermied es aber dann doch von einem „gewerkschaftlichen Dampfgaren“ zu sprechen. Mit der Forderung nach gleichen Lohn für gleiche Arbeit lag sie zwar grundsätzlich richtig, umschiffte aber elegant, dass das Hauptproblem ist, dass der Großteil der Frauen nur mehr eine Teilzeitarbeit und damit auch wesentlich weniger Einkommen hat. Ihre Hoffnung ruht auf den jungen Frauen, so Oberhauser.
OÖGKK-Obmann Albert Maringer meinte selbstkritisch, dass die Krankenkassen und ihre Versicherten zu wenig Selbstbewusstsein haben. Er betonte die Prävention und die Selbstverwaltung der Kassen, die in Oberösterreich 2012 bei einem Umsatz von zwei Milliarden Euro einen Überschuss von zehn Millionen Euro erwirtschaftet hat. Die Forderung im Leitantrag, keine weiteren Selbstbehalte zuzulassen verdeutlicht freilich auch, dass die Versicherten neben ihren Beiträgen kräftig zur Kasse gebeten werden.
FCG-Landeschef Peter Casny (GÖD) durfte das schwarze Feigenblatt zur rosaroten Diskussionsrunde abgeben. Ganz regierungskonform sprach er von „passablen Gehaltsabschlüssen“ als Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen – bei einer Nullrunde für den Bundesdienst und mageren ein Prozent für den Landesdienst. Somit bleibt seine Aussage „eine Reform darf kein Sparpaket sein“ unglaubwürdig. Zum Lehrerdienstrecht erklärte er sich als Nicht-Experte und meinte, die Regierung gehe naiv an das Thema heran.
Auch Präsident Kalliauer durfte in der Runde nicht fehlen und meinte, dass der Mitgliederzuwachs neben dem Einsatz der rund 13.000 BelegschaftsvertreterInnen darauf zurückführt, dass der ÖGB Ecken und Kanten zeigt und die Leute spüren, dass er auf ihrer Seite steht. Mit Aktionen wie dem „Schwarzbuch Arbeitswelt“ hat der ÖGB die Auseinandersetzung zugespitzt, wenngleich nicht immer die „schwarzen Schafe“ auch beim vollen Namen genannt werden. Abschließend äußerte Kalliauer Optimismus und meinte, man müsse sich auch an den kleinen Erfolgen in den Betrieben und bei KV-Verhandlungen, wie etwa die Durchsetzung der Anrechnung von Karenzzeiten durch GPA und PROGE, aufrichten.
Die Wahl des sechsköpfigen Präsidiums durch 218 von 292 eingeladenen und 243 anwesenden ordentlichen Delegierten (zusätzlich 42 beratende und 103 Gastdelegierte) war von einem Ostblock-Ergebnis gekennzeichnet, wobei ein sichtlich gerührter Kalliauer sogar mit hundert Prozent gewählt wurde, lediglich FCG-Vertreter Casny wurde mit „nur“ 91 Prozent von den FSG-Delegierten abgestraft. Auch die Kontrollkommission, in welcher der GLB mit Thomas Erlach (Ersatz Max Müller) vertreten ist, wurde mit hoher Zustimmung bestätigt.
Zunahme des Widerstandes
Eine Präsentation zeigte als Leistungsschau, dass in den Jahren seit 2009 die Zahl der Proteste und Arbeitskämpfe in Oberösterreich deutlich zugenommen hat. Streiks von EXIT-sozial und pro mente, der MetallerInnen und zuletzt der Ordensspitäler, starke Protestkundgebungen und Demos der Beschäftigten der Sozialvereine, Caritas, Druckereien, Banken, Gemeindebediensteten sowie gegen die Spitalsreform sind Ausdruck dafür.
Gleichzeitig ist aber zunehmend spürbar, dass es den ÖGB-Granden vielfach nur um das berühmte Dampfablassen geht, etwa wenn der intensiv vorbereitete Streik der Gemeindebediensteten im März 2012 am Vortag zugunsten eines windigen Übereinkommens mit dem Landeshauptmann abgeblasen wurde was entsprechend Frust hinterlassen hat.
ÖGB-Landesvorsitzender und AK-Präsident Johann Kalliauer kritisierte in seinem Kurzbericht zu Recht, dass europaweit 700 Milliarden Euro für die Bankenrettung auf Kosen der SteuerzahlerInnen flüssig gemacht wurden, verschwieg allerdings, dass die GewerkschafterInnen im Parlament dem zugestimmt hatten. Kalliauer verwies auf den enormen Produktivitätszuwachs die mit einer massiven Arbeitsverdichtung verbunden ist und verlangte Entschleunigung und Verteilungsgerechtigkeit. Seine Kritik an WKO-Chef Leitls Denunzierung des Sozialstaates als Hängematte ist freilich insofern zu ergänzen, als auch Sozialminister Hundstorfer meinte, die Mindestsicherung sei keine Hängematte sondern ein Trampolin.
Kalliauers Forderung an die Politik, Maßnahmen für Beschäftigung, etwa im Wohnbau und im Sozialbereich zu setzen, ist ebenso zuzustimmen wie dem Bekenntnis zum öffentlichen Sektor und dass für all das die Finanzierung die Schlüsselfrage ist. Erfreulich ist zweifellos, dass der ÖGB in Oberösterreich einen leichten Mitgliederzuwachs erreichen konnte und bei der Jugend die stärkste Landesorganisation stellt. Wobei sich die Funktion der Arbeiterkammer als Brain-Trust für die Gewerkschaften über Oberösterreich hinaus als äußerst wichtig erweist.
Die offizielle Interpretation
Eine Interviewrunde mit SpitzengewerkschafterInnen sollte dem Publikum die offizielle Version von Arbeitskämpfen liefern. So sprach PROGE-Landessekretär Walter Schopf wortgewaltig über „harte Kämpfe“ bei der Lohnrunde und dem Anspruch „den Fünfer zu schaffen“, ließ aber offen ob dieser Fünfer vor oder hinter dem Komma steht.
GdG-Landesobmann Norbert Haudum berichtete über den Protest gegen die einprozentige Gehaltskürzung für 2012 gegen die mit 17.000 Unterschriften und einer Demo mit fast 5.000 TeilnehmerInnen mobilisiert wurde. Den am Vortag zu Gunsten eines mehr als mageren Ergebnisses abgesagten Streik kommentierte er mit „Streikbeschlüssen als Druckmittel“.
Ganz im Gegensatz dazu stand der Bericht der Spitalsbetriebsrätin Sonja Reitinger über den Streik der Ordensspitäler, eine Maßnahme die sie nach eigenen Worten vor sechs bis acht Jahren für undenkbar gehalten hätte. Das Ergebnis sei tragfähig, aber noch nicht ausgestanden, die Dienstgeber hätten sich bei den Verhandlungen auffällig still verhalten und den Ball dem Landeshauptmann zugespielt, so Reitinger.
Der als Aufsteiger und Hans-Dampf-in-allen-Gassen geltende und vom Moderator mit enormen Vorschusslorbeeren bedachte GPA-Landesgeschäftsführer Andreas Stangl meinte, die Caritas sei nach einer Streikdrohung eingeknickt und kritisierte, dass vom Land ein einheitliches Dienstrecht für Kindergärten blockiert wird. Seine weiteren Themen waren der Konflikt um den gekündigten und dann wiederaufgenommenen Druck-KV sowie um die Sonntagsöffnung, die bei der Landesausstellung im Bezirk Braunau und bei dayli verhindert werden konnte.
Umfangreicher Leitantrag
Wohl um unerwünschte Debatten zu verhindern durften die sechs KandidatInnen für das Präsidium dann kapitelweise den Leitantrag vorstellen. Dementsprechend gab es zu den 19 Kapiteln ganze sechs Kurzwortmeldungen.
Für den GLB kritisierte Karin Antlanger (BRVStv EXIT-sozial Linz) die Preisgabe der Forderung nach Arbeitszeitverkürzung durch den ÖGB 2009, deren Wiederaufnahme im bei der Konferenz beschlossenen Leitantrag verlangt wird. Sie meinte, dass die Belastung und Leistungsverdichtung immer stärker wird, wovon die wachsende Zahl der Burn-Outs zeugt. Die zunehmende Perspektivlosigkeit treibt die Menschen in Krankenstand und Psychiatrie, die Diagnosen dafür kanalisieren den möglichen Widerstand.
Weiters sprach sich Antlanger entschieden gegen eine Hinaufsetzung des Pensionsalters aus und lehnte eine vorzeitige Anhebung des Frauenpensionsales ab wie von WKO und ÖVP schon für 2014 statt für 2024 verlangt. Sie meinte, es sei zu befürchten, dass nach der Wahl im nächsten Koalitionspakt mit einer solchen Maßnahme zu rechnen sei, zumal sich auch Sozialminister Hundstorfer dazu teilweise ambivalent geäußert hatte. Und sie meinte, die GewerkschafterInnen im Parlament müssten verpflichtet werden dies abzulehnen.
Der dabei persönlich angesprochene PROGE-Landessekretär Schopf, gleichzeitig SPÖ-Abgeordneter, sah sich herausgefordert und meinte Hundstorfer sei nicht zweideutig, der ÖGB eindeutig gegen eine solche Maßnahme und er werde da „kräftig mitreden“. Ob es im Ernstfall zu einem „kräftigen Handheben“ aus Fraktionsdisziplin, plötzlicher Erkrankung oder der Flucht auf das Klo kommt bleibt abzuwarten.
Verunsichert wurde die Konferenzregie dann noch durch die Forderung von Sonja Reitinger beim Kapital Pflege statt einer solchen „auf hohem Niveau“ einen Personalschlüssel zu verankern. Kommissionssprecher Josef Dolzer meinte die Kommission habe sich nicht näher mit der Pflege befasst und daher diese allgemeine Floskel gewählt. Der neue PROGE-Vertreter im Präsidium, Josef Madlmayr glänzte dann noch mit der Äußerung die Privatisierung der Austria Tabak sei das „größte Verbrechen“ gewesen, unterschlug dabei freilich, dass diese Privatisierung schon 1996 durch einen unter SPÖ-Regie erfolgten Börsegang erfolgt ist.
Der Leitantrag fand große Zustimmung, lediglich die FCG deponierte zu einigen Punkten wie Streichung der staatlichen Förderung für private Zukunftsvorsorge, Einführung von Vermögens- und Erbschaftssteuer, Ablehnung eines Familiensplitting, Schaffung eines Integrationsministeriums, steuerliche Gleichbehandlung der Landwirte ihre Ablehnung.
Der umfangreiche Leitantrag beinhaltet zweifellos viele richtige Maßnahmen, die Frage ist freilich, wie und ob sie umgesetzt werden. Es gehört bekanntlich zum großkoalitionären Wechselspiel, dass die SPÖ gerade in Vorwahlzeiten alles fordert was gut und teuer ist, dabei aber schon im vornhinein einkalkuliert, dass der Koalitionspartner vieles ablehnt, sodass sie gar nicht in die Verlegenheit kommt diese Forderungen auch wirklich umzusetzen. Auch kann die Abfolge so gesehen werden, dass der ÖGB den Sozialstaat beschwört, die SPÖ als Regierungspartei ihn EU-konform demontiert und die FSG-Abgeordneten dem brav zustimmen.
Talk-Runde vor halbleerem Saal
Statt die Konferenz durch die Einladung von ExpertInnen zu aktuellen Themen wie etwa zur Arbeitszeit aufzuwerten wurde einem sichtlich gelichteten Publikum eine relativ fade Talk-Runde serviert. ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhauser meinte, man dürfe nicht nur im eigenen Saft schmoren, sondern müsse Dampf machen, vermied es aber dann doch von einem „gewerkschaftlichen Dampfgaren“ zu sprechen. Mit der Forderung nach gleichen Lohn für gleiche Arbeit lag sie zwar grundsätzlich richtig, umschiffte aber elegant, dass das Hauptproblem ist, dass der Großteil der Frauen nur mehr eine Teilzeitarbeit und damit auch wesentlich weniger Einkommen hat. Ihre Hoffnung ruht auf den jungen Frauen, so Oberhauser.
OÖGKK-Obmann Albert Maringer meinte selbstkritisch, dass die Krankenkassen und ihre Versicherten zu wenig Selbstbewusstsein haben. Er betonte die Prävention und die Selbstverwaltung der Kassen, die in Oberösterreich 2012 bei einem Umsatz von zwei Milliarden Euro einen Überschuss von zehn Millionen Euro erwirtschaftet hat. Die Forderung im Leitantrag, keine weiteren Selbstbehalte zuzulassen verdeutlicht freilich auch, dass die Versicherten neben ihren Beiträgen kräftig zur Kasse gebeten werden.
FCG-Landeschef Peter Casny (GÖD) durfte das schwarze Feigenblatt zur rosaroten Diskussionsrunde abgeben. Ganz regierungskonform sprach er von „passablen Gehaltsabschlüssen“ als Beitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen – bei einer Nullrunde für den Bundesdienst und mageren ein Prozent für den Landesdienst. Somit bleibt seine Aussage „eine Reform darf kein Sparpaket sein“ unglaubwürdig. Zum Lehrerdienstrecht erklärte er sich als Nicht-Experte und meinte, die Regierung gehe naiv an das Thema heran.
Auch Präsident Kalliauer durfte in der Runde nicht fehlen und meinte, dass der Mitgliederzuwachs neben dem Einsatz der rund 13.000 BelegschaftsvertreterInnen darauf zurückführt, dass der ÖGB Ecken und Kanten zeigt und die Leute spüren, dass er auf ihrer Seite steht. Mit Aktionen wie dem „Schwarzbuch Arbeitswelt“ hat der ÖGB die Auseinandersetzung zugespitzt, wenngleich nicht immer die „schwarzen Schafe“ auch beim vollen Namen genannt werden. Abschließend äußerte Kalliauer Optimismus und meinte, man müsse sich auch an den kleinen Erfolgen in den Betrieben und bei KV-Verhandlungen, wie etwa die Durchsetzung der Anrechnung von Karenzzeiten durch GPA und PROGE, aufrichten.
Die Wahl des sechsköpfigen Präsidiums durch 218 von 292 eingeladenen und 243 anwesenden ordentlichen Delegierten (zusätzlich 42 beratende und 103 Gastdelegierte) war von einem Ostblock-Ergebnis gekennzeichnet, wobei ein sichtlich gerührter Kalliauer sogar mit hundert Prozent gewählt wurde, lediglich FCG-Vertreter Casny wurde mit „nur“ 91 Prozent von den FSG-Delegierten abgestraft. Auch die Kontrollkommission, in welcher der GLB mit Thomas Erlach (Ersatz Max Müller) vertreten ist, wurde mit hoher Zustimmung bestätigt.