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Stronachhiebe und Wahlkampfliebe

  • Montag, 8. Juli 2013 @ 12:11
Meinung Vom 18. bis 20. Juni fand der 18. Bundeskongress des ÖGB in einer professionell gedachten Wahlkampfchoreografie statt, erstmalig sogar eine Generalprobe.

„Bühnenbild“-Wechsel: Trotz verkürztem Zeitbudget eine rege Diskussion und diszipliniertes Ausharren der Delegierten, selbst noch in der „Überzeit“ des Kongresses. Ebenfalls engagiert, das Forderungsprogramm – großes ABER ist, dass weiterhin auf die sozialpartnerschaftliche Totschlagkeule gesetzt wird und so eigentlich ein kämpferischer ÖGB obsolet ist. Am ersten Tag standen traditionell die Fraktionskonferenzen am Programm. Bei der FSG durfte sich Bundeskanzler Werner Faymann und bei der FCG Vizekanzler Michael Spindelegger abfeiern lassen. Beim Gewerkschaftlichen Linksblocks (GLB) ein etwas anderes Bild. Kein Wahlkampfgetöse und auch kein (partei)prominenter „Ehrenreferent“. Mittelpunkt der GLB-Fraktionsberatung „Fragen zur Arbeitszeit“.

Am Abend die offizielle Eröffnung des Kongresses. Die Sozialpartnerschaft wird hochgejubelt und Stronach als „Feindbild Nummer Eins“ erkoren. Langatmig die Begrüßung der Gäste – vom Bundespräsident Heinz Fischer, über Kanzler Faymann und Vizekanzler Spindelegger, bis hin zum Bundessprecher der KPÖ Mirko Messer. Als „Auflockerung“ wird „Ehrengast“ Lugnar vom Team Stronach ausgebuht und ausgepfiffen und ÖGB-Vizepräsidentin Sabine Oberhausers „Liebeserklärung“ an den obersten Wirtschaftskämmerer Leitl mit den Worten „unser lieber Christoph“...

Auch der Tag Zwei beginnt mit einem durchchoreografierten Wahlkampfgetöse mittels einer „Talk-Runde“ (!?!) mit den MinisterInnen, Hundstorfer, Heinisch-Hosek und Mitterlehner. Die Delegierten sind von der Diskussion ausgeschlossen. Eine Vorbedingung, dass Hundstorfer, Mitterlehner und Heinisch-Hosek überhaupt zum Kongress kamen? Und, endlich nach Berichten vom Präsident, den leitenden Sekretären und dem Vorsitzenden der Zentralen Kontrollkommission kommt nach „fünf Stunden Kongress“ auch der erste Delegierte zu Wort...

GLB eröffnet die Delegierten-Diskussion

Robert Hobek (GLB) kritisiert Mitterlehners Kongressauftritt. Er wirft ihm vor, dass er anscheind „in einer anderen Welt“ lebe. „Kein Wort von Lohndumping, auch keines zur Privatisierung und der Armut. Entspricht es seiner Kultur, dass sich die Lohnabhängigen maximal mit sozialen Almosen abfinden sollen, während die Wirtschaft ungehemmt Profite scheffeln darf? Wir GewerkschafterInnen müssen dies als Kampfansage sehen und es ist dringend notwendig, dass wir der Privatisierung ernsthaft entgegen treten.“

Josef Stingl, ebenfalls GLB, meint, dass vieles durchaus positiv bewertbar sei, man aber auch Platz für Selbstreflexion und Kritik finden muss – so auch der innergewerkschaftliche Demokratieumgang. „Kein Antragsrecht für die Mitglieder, keines für Fraktionen oder dem verlängerten Arm der Gewerkschaften, die BetriebsrätInnen! Die Mehrheitsfraktion verweigert das auch weiterhin!“ GPA-djp Vorsitzender Wolfgang Katzian tritt ans Podium um den KritikerInnen mitzuteilen, dass sie reden können soviel sie wollen, aber alles beim Alten bleibt!

Trommelschläge wecken die Delegierten

Der Nachmittag wird von einer Trommlergruppe eingehämmert. Ebenfalls ein Hammer, wiederum „durchstylte“ Reden. ÖGB-Präsident Erich Foglar und Ökonom Gustav Horn sprechen sich für eine Kehrtwende in der Europäischen Politik aus. Die bisherige Krisenbekämpfung habe die Krise verschlimmert. Größte Hürde sind die wirtschaftlichen Ungleichgewichte und der entfesselte Finanzkapitalismus. Die Menschen müssten in Europa wichtiger sein als das Geld.

Danach geht’s zu den einzelnen Kapiteln des Leitantrages. Erster Abschnitt „EU und Internationales“ und erstmals verliert das Präsidium die Hand über die vorbestimmte Choreografie. Sonja Grusch (als Nichtdelegierte eigentlich gar nicht redeberechtigt) nutzt die Gunst der Stunde um mit der realen Kollektivvertragspolitik der österreichischen Gewerkschaften abzurechnen und kämpferische Gewerkschaften einzufordern. Der Start einer Diskussionsflut der erbosten „KollektivvertragsverhandlerInnen“. Ihr „Scharfmacher“ Manfred Wolf geht soweit, dass er den KritikerInnen vorwarf in einem „goldenen Elfenbeinturm“ zu sitzen und „unnötig und realitätsfremd“ die Gewerkschaften schlecht zu reden. Österreichs Modell der KVs, mit einer Flächendeckung von 95 Prozent, sei ein Erfolgsmodell, auf das ganz Europa neidisch blickt.

GLB-Vorsitzender Stingl relativiert: „Nur weil wir 'die Besten' sind, heißt das nicht, dass alles Bestens ist. Fakt ist, das in den unteren Einkommen es seit Jahrzehnten zu Realeinkommensverlusten gekommen ist, ebenfalls dass die Kaufkraft im Sinken ist und Armut trotz Arbeit stark steigt. Selbstkritisches Nachdenken ist immer und überall angebracht.“

Arbeitszeitdiskussion vom GLB dominiert

Anne Rieger (GLB) verwies auf die laufende Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, nämlich durch Teilzeit. Sie forderte die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich als ersten Schritt weitreichender Arbeitszeitverkürzungen. In ihren Ausführungen zur 30-Stunden-Arbeitswoche forderte sie die Delegierten auf, mit ihr „zu träumen“, ob nicht das Recht auf mehr Leben, mehr Liebe und mehr Freizeit durchaus legitim und vor allem notwendig ist. Sie ebenfalls, habe noch Visionen.

Oliver Jonischkeit ging auf die All-inclusiv-Verträge ein, die er als Instrument versteckter Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich anprangerte, um abschließend den Schluss zu ziehen, dass das Gegenteil, nämlich Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich notwendig sein muss. Kollege Peter Scherz erklärte, dass er sich noch erinnern kann, wie er gemeinsam mit seinen MetallerkollegInnen scharf gegen die KAPOVAZ (Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit) vorgegangen ist. „Heute ist diese mit den zahlreichen Flexibilisierungsschritten der Arbeitszeit die Realität der Arbeitswelt. Und die Wirtschaft verlangt noch die Verlängerung der Normal-Tagesarbeitszeit auf zwölf Stunden!“

Und Stingl begann seinen dritten Redebeitrag damit, dass er einen Kübel auf dem RednerInnenpult platzierte. Er erinnerte daran, dass die Forderung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich bereits 30 Jahre alt sei. „Sie wird jetzt verwässert, nicht weil sie nicht mehr aktuell ist, sondern weil Angst besteht, dass sie in nächster Zeit nicht umgesetzt werden kann.“ Er meinte, ursprünglich eine Geburtstagstorte für das 30jährige Jubiläum mitbringen zu wollen, sich aber für einen Mülleimer entschieden zu haben. „Hier können dann alle Forderungen entsorgt werden, bei denen angenommen wird, dass sie nicht zu daheb'n. sind“ Übrigens der erste Redebeitrag ohne Applaus – aus Ärger oder aus Betroffenheit?

Tag der Entscheidung

Zu Beginn des letzten Tages ebenfalls vorbestimmter Wahlkampf. Diesmal mussten dafür der geschiedene und der neue Bundesarbeiterkammerpräsident „herhalten“ – danach ist die Statutendiskussion angesagt. Angelpunkt, die Verlängerung der Funktionsperioden auf fünf Jahre. Sowohl GLB, wie auch UG sehen darin einen innerorganisatorischen Demokratieverlust. Daher ein klares Nein des GLB zu den neuen Statuten!

Bei der weiteren Diskussion „spießte“ es bei den Themen „Bildung und Steuern“. Den Christlichen GewerkschafterInnen (oder jenen des ÖAAB?) gefällt weder Gesamtschule noch Vermögenssteuern. Wurde beim Bildungskapitel noch inhaltlich sachlich diskutiert, wurde beim Steuerkapitel seitens FCGlerInnen mehr polemisiert. Und das obwohl Willi Merni (FSG) und Markus Koza (UG) anschaulich zeigten, dass das ÖGB-Modell der Besteuerung der Vermögen fast kein Klientel der Gewerkschaften und nur sieben bis acht Prozent der Bevölkerung treffen wird. Der FCG war's egal, Eigentum muss geschützt, und die „Quadratur der Löcher“ beendet werden. Dem Leitantrag bei diesen Bereichen die Zustimmung verweigert...

Der GLB brachte vor der Abstimmung noch ein, dass er sich gegen den verwässerten Arbeitszeitverkürzungsinhalt ausspricht und die 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich weiterhin gültig und tagesaktuell ist! Mit diesen Anmerkungen wurde der Leitantrag dann einstimmig angenommen. Präsident Foglar, VizepräsidentInnen Oberhauser und Schnedl und nahezu alle Vorstandsmitglieder wurden mit Stimmergebnissen weit jenseits der 90-Prozentmarke gewählt.