Solidarische Mobilitätspolitik
- Mittwoch, 10. April 2013 @ 09:53
Von Michael Schmida
2013 ist Wahljahr. Und so hat sich die Politik ein paar Wahlzuckerl für die AutofahrerInnen einfallen lassen. Damit sind wir aber auch schon bei einem Hauptproblem der heimischen Verkehrs- und Pendelpolitik. Die Menschen werden von der Politik fast nur als BenützerInnen eines privaten Kraftfahrzeuges wahrgenommen. Dementsprechend wird Politik gemacht. Ein Beweis ist die Änderung der PendlerInnenförderung. Umwelt- und kritische Verkehrsorganisationen, wie etwa der Verkehrsclub Österreich (VCÖ), Greenpeace oder Pro Bahn haben die fehlende bzw. falsche ökologische und soziale Wirkung kritisiert. Geholfen hat es wenig. Beschlossen wurde die weitgehende Beibehaltung des bestehenden Modells mit zusätzlichen Leistungen und einem erweiterten Kreis von Anspruchsberechtigten für die Pendlerpauschale.
PendlerInnenförderung neu
Nun können auch Teilzeitbeschäftigte ab vier Arbeitstagen pro Monat das große oder das kleine Pendlerpauschale geltend machen. Wer Anspruch auf ein Pendlerpauschale hat, kann sich zusätzlich einmal im Jahr einen Euro pro Kilometer („Pendlereuro“) des Hin- und Retour-Arbeitsweges von der Steuer abziehen lassen.
Daneben wurden noch Verbesserungen für Niedrigverdienende, die zwar formal die Voraussetzungen für Pendlerpauschale und Pendlereuro erfüllen, aber keine Lohnsteuern zahlen, geschaffen. Ein Pendelzuschlag wird zur Negativsteuer hinzugerechnet und ergibt so maximal 400 Euro, die bei der ArbeitnehmerInnenveranlagung vom Finanzamt zurückbezahlt werden.
Mit Mai gestrichen wird das Pendlerpauschale hingegen für ArbeitnehmerInnen, die ihren Dienstwagen privat nutzen können, wobei ausdrücklich klargestellt wird, dass die Streichung nur bei Nutzung eines arbeitgebereigenen Fahrzeugs gilt. Für BenutzerInnen öffentlicher Verkehrsmittel bringt die Gesetzesnovelle ein erweitertes „Jobticket“: Künftig können ArbeitgeberInnen auch jenen Beschäftigten steuerfrei eine Jahreskarte zur Verfügung stellen, die keinen Anspruch auf ein Pendlerpauschale haben.
Grundlegende Kritik
Dass neben Vollzeit- auch Teilzeitkräfte profitieren sollen, mag gerecht sein. Auch dass nun künftig für geringe Einkommen, meistens ebenfalls aus Teilzeitarbeit, die Pendelförderung in die Negativsteuer einberechnet wird, kann als kleiner Fortschritt gelten. Insgesamt bleibt aber die PendlerInnenförderung in Österreich unsozial, wie kaum eine andere Förderung. Es wird mit hohen Steuergeldmengen ein System der Mobilität zum Arbeitsplatz aufrechterhalten, welches in erster Linie gutsituierte Haushalte bevorzugt und zusätzlichen Autoverkehr generiert.
Laut VCÖ arbeiten über zwei Millionen Menschen außerhalb ihres Wohnortes. Seit 1981 hat sich die Zahl der PendlerInnen verdoppelt, davon fahren 75 Prozent mit dem Auto zur Arbeit. Insgesamt werden im Autopendelverkehr täglich rund 55 Millionen Kilometer zurückgelegt. Das verursachte 2006 einen CO2-Ausstoß von 2,7 Millionen Tonnen, doppelt soviel wie 1991. Menschen mit höherem Einkommen nutzen dabei vier Mal mehr das Auto als das unterste Einkommensviertel. 60 Prozent dieser Haushalte, aber nur vier Prozent der reicheren Haushalte besitzen gar kein Auto, rechnet der VCÖ vor.
Dem Bundesfinanzministerium zufolge gab es 2009 rund 850.000 BezieherInnen des Pendlerpauschales. Tendenz steigend. Im gleichen Jahr wurden rund 800 Millionen Euro geltend gemacht, was fast eine Verdreifachung in weniger als 15 Jahren entspricht und Steuermindereinnahmen von rund 320 Millionen Euro verursacht. Allein die aktuelle Novellierung der Pendelförderung wird geschätzte 110 Millionen Euro kosten.
Von der Pendlerpauschale, die als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden kann, profitieren Besserverdienende überdurchschnittlich. Damit subventioniert die öffentliche Hand den motorisierten Individualverkehr und benachteiligt sozial Schwache. Etwa ein Drittel der Pendlerpauschale-BezieherInnen verdient mehr als 45.000 Euro. Je höher das Einkommen, umso höher ist auch aufgrund der Steuerprogression der steuerliche Absetzbetrag.
Zudem fördert das Pauschale die Zersiedelung. Die großzügig gewährte und immer wieder dynamisierte Pendlerpauschale hat die Distanz zwischen Wohnen und Arbeiten vergrößert. Die AutopendlerInnen haben durch eine Übersiedlung ins Umland mehrfach profitiert: Durch eine bessere und oft auch kostengünstigere Wohnsituation, durch die indirekte Subvention in Form nicht angerechneter externer Kosten der Pkw-Nutzung (Umwelt- und Unfallkosten) und außerdem durch die stetig steigende Pendlerpauschale. Eine Subvention langer Arbeitswege lenkt aber in die falsche Richtung: Lange Arbeitswege bedeuten höheren Energieverbrauch, größere Umweltbelastungen und höhere Kosten für die Allgemeinheit.
Die Alternativen?
Wer wirklich soziale Gerechtigkeit bei der Mobilität und eine Trendwende in der heimischen Raum- und Verkehrsentwicklung herbeiführen will, muss es radikal an der Wurzel angehen. Neben der derzeitigen Wohnbauförderung, Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung, sowie der Gebühren- und Abgabenpolitik gehört das System der PendlerInnenförderung zu den Haupttriebfedern einer unsolidarischen und umweltzerstörerischen Siedlungs- und Raumordnungsentwicklung.
Statt Fehlentwicklungen auch noch individuell zu fördern, müsste eine solidarisch gelenkte und geplante Infrastrukturpolitik zum Wohle Aller geschaffen werden. Mit frei werdenden Steuermitteln könnte der Aus- und Aufbau des öffentlichen Verkehrs vorangetrieben werden und Tarife für Bus, Bahn und Bim gesenkt statt mit einer Selbstverständlichkeit jährlich erhöht werden. Am Ende könnte hier die Freifahrt auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln in ganz Österreich stehen.
Statt immer längere Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf zu nehmen bzw. zu fördern, muss Arbeiten und Wohnen wieder näher zusammenrücken, indem die Lebensqualität und Beschäftigungssituation in den Regionen und Städten erhöht wird. Kurzum: Eine solidarische Gesellschaft setzt auf sanfte und sozial gerechtere Formen und Förderungen der Mobilität auf Basis kürzerer Wegstrecken.
Michael Schmida ist HTL-Lehrer und Personalvertreter
2013 ist Wahljahr. Und so hat sich die Politik ein paar Wahlzuckerl für die AutofahrerInnen einfallen lassen. Damit sind wir aber auch schon bei einem Hauptproblem der heimischen Verkehrs- und Pendelpolitik. Die Menschen werden von der Politik fast nur als BenützerInnen eines privaten Kraftfahrzeuges wahrgenommen. Dementsprechend wird Politik gemacht. Ein Beweis ist die Änderung der PendlerInnenförderung. Umwelt- und kritische Verkehrsorganisationen, wie etwa der Verkehrsclub Österreich (VCÖ), Greenpeace oder Pro Bahn haben die fehlende bzw. falsche ökologische und soziale Wirkung kritisiert. Geholfen hat es wenig. Beschlossen wurde die weitgehende Beibehaltung des bestehenden Modells mit zusätzlichen Leistungen und einem erweiterten Kreis von Anspruchsberechtigten für die Pendlerpauschale.
PendlerInnenförderung neu
Nun können auch Teilzeitbeschäftigte ab vier Arbeitstagen pro Monat das große oder das kleine Pendlerpauschale geltend machen. Wer Anspruch auf ein Pendlerpauschale hat, kann sich zusätzlich einmal im Jahr einen Euro pro Kilometer („Pendlereuro“) des Hin- und Retour-Arbeitsweges von der Steuer abziehen lassen.
Daneben wurden noch Verbesserungen für Niedrigverdienende, die zwar formal die Voraussetzungen für Pendlerpauschale und Pendlereuro erfüllen, aber keine Lohnsteuern zahlen, geschaffen. Ein Pendelzuschlag wird zur Negativsteuer hinzugerechnet und ergibt so maximal 400 Euro, die bei der ArbeitnehmerInnenveranlagung vom Finanzamt zurückbezahlt werden.
Mit Mai gestrichen wird das Pendlerpauschale hingegen für ArbeitnehmerInnen, die ihren Dienstwagen privat nutzen können, wobei ausdrücklich klargestellt wird, dass die Streichung nur bei Nutzung eines arbeitgebereigenen Fahrzeugs gilt. Für BenutzerInnen öffentlicher Verkehrsmittel bringt die Gesetzesnovelle ein erweitertes „Jobticket“: Künftig können ArbeitgeberInnen auch jenen Beschäftigten steuerfrei eine Jahreskarte zur Verfügung stellen, die keinen Anspruch auf ein Pendlerpauschale haben.
Grundlegende Kritik
Dass neben Vollzeit- auch Teilzeitkräfte profitieren sollen, mag gerecht sein. Auch dass nun künftig für geringe Einkommen, meistens ebenfalls aus Teilzeitarbeit, die Pendelförderung in die Negativsteuer einberechnet wird, kann als kleiner Fortschritt gelten. Insgesamt bleibt aber die PendlerInnenförderung in Österreich unsozial, wie kaum eine andere Förderung. Es wird mit hohen Steuergeldmengen ein System der Mobilität zum Arbeitsplatz aufrechterhalten, welches in erster Linie gutsituierte Haushalte bevorzugt und zusätzlichen Autoverkehr generiert.
Laut VCÖ arbeiten über zwei Millionen Menschen außerhalb ihres Wohnortes. Seit 1981 hat sich die Zahl der PendlerInnen verdoppelt, davon fahren 75 Prozent mit dem Auto zur Arbeit. Insgesamt werden im Autopendelverkehr täglich rund 55 Millionen Kilometer zurückgelegt. Das verursachte 2006 einen CO2-Ausstoß von 2,7 Millionen Tonnen, doppelt soviel wie 1991. Menschen mit höherem Einkommen nutzen dabei vier Mal mehr das Auto als das unterste Einkommensviertel. 60 Prozent dieser Haushalte, aber nur vier Prozent der reicheren Haushalte besitzen gar kein Auto, rechnet der VCÖ vor.
Dem Bundesfinanzministerium zufolge gab es 2009 rund 850.000 BezieherInnen des Pendlerpauschales. Tendenz steigend. Im gleichen Jahr wurden rund 800 Millionen Euro geltend gemacht, was fast eine Verdreifachung in weniger als 15 Jahren entspricht und Steuermindereinnahmen von rund 320 Millionen Euro verursacht. Allein die aktuelle Novellierung der Pendelförderung wird geschätzte 110 Millionen Euro kosten.
Von der Pendlerpauschale, die als Werbungskosten steuerlich geltend gemacht werden kann, profitieren Besserverdienende überdurchschnittlich. Damit subventioniert die öffentliche Hand den motorisierten Individualverkehr und benachteiligt sozial Schwache. Etwa ein Drittel der Pendlerpauschale-BezieherInnen verdient mehr als 45.000 Euro. Je höher das Einkommen, umso höher ist auch aufgrund der Steuerprogression der steuerliche Absetzbetrag.
Zudem fördert das Pauschale die Zersiedelung. Die großzügig gewährte und immer wieder dynamisierte Pendlerpauschale hat die Distanz zwischen Wohnen und Arbeiten vergrößert. Die AutopendlerInnen haben durch eine Übersiedlung ins Umland mehrfach profitiert: Durch eine bessere und oft auch kostengünstigere Wohnsituation, durch die indirekte Subvention in Form nicht angerechneter externer Kosten der Pkw-Nutzung (Umwelt- und Unfallkosten) und außerdem durch die stetig steigende Pendlerpauschale. Eine Subvention langer Arbeitswege lenkt aber in die falsche Richtung: Lange Arbeitswege bedeuten höheren Energieverbrauch, größere Umweltbelastungen und höhere Kosten für die Allgemeinheit.
Die Alternativen?
Wer wirklich soziale Gerechtigkeit bei der Mobilität und eine Trendwende in der heimischen Raum- und Verkehrsentwicklung herbeiführen will, muss es radikal an der Wurzel angehen. Neben der derzeitigen Wohnbauförderung, Flächenwidmungs- und Bebauungsplanung, sowie der Gebühren- und Abgabenpolitik gehört das System der PendlerInnenförderung zu den Haupttriebfedern einer unsolidarischen und umweltzerstörerischen Siedlungs- und Raumordnungsentwicklung.
Statt Fehlentwicklungen auch noch individuell zu fördern, müsste eine solidarisch gelenkte und geplante Infrastrukturpolitik zum Wohle Aller geschaffen werden. Mit frei werdenden Steuermitteln könnte der Aus- und Aufbau des öffentlichen Verkehrs vorangetrieben werden und Tarife für Bus, Bahn und Bim gesenkt statt mit einer Selbstverständlichkeit jährlich erhöht werden. Am Ende könnte hier die Freifahrt auf allen öffentlichen Verkehrsmitteln in ganz Österreich stehen.
Statt immer längere Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf zu nehmen bzw. zu fördern, muss Arbeiten und Wohnen wieder näher zusammenrücken, indem die Lebensqualität und Beschäftigungssituation in den Regionen und Städten erhöht wird. Kurzum: Eine solidarische Gesellschaft setzt auf sanfte und sozial gerechtere Formen und Förderungen der Mobilität auf Basis kürzerer Wegstrecken.
Michael Schmida ist HTL-Lehrer und Personalvertreter