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Rosig nur für eine Minderheit

  • Mittwoch, 19. Februar 2014 @ 12:45
Meinung Nikolaus Lackner über die Arbeitswelt im Tourismus

Die Wochenenden, wenn die Mehrheit der Menschen im Lande die Freizeit genießt, sind die stressigsten Zeiten in der Gastronomie. Oft bleibt aufgrund der Arbeitszeiten auch wenig Chance, am kulturellen oder sozialen Leben teilzunehmen. Obwohl der Tourismus und die Gastronomie zu den größten Exportbranchen zählen (da sie Devisen ins Land bringen) und de facto die Grundlage für den Aufstieg des an Rohstoffen armen Österreich nach dem verheerenden Weltkrieg waren, ist die Situation der Beschäftigten in dieser Branche nur für eine kleine Minderheit rosig.

Im Gegensatz zu den Beschäftigten in der Stahlindustrie, die organisiert und selbstbewusst für mehr Rechte und höhere Löhne kämpften, blieb die Gastronomie eine weitgehend gewerkschafts- und betriebsratsfreie Zone, und jeglicher »Arbeitskampf« ist ein persönlicher, »Chef« gegen »Mitarbeiter«. Fast immer zieht Letzterer den Kürzeren – da hinter ihm oft schon Ersatzmitarbeiter zur Verfügung stehen, und so entwickelt sich oft ein negativer Lohnwettbewerb nach unten.

Zauberwort Flexibilität

Das Lieblingswort vieler UnternehmerInnen in dem Sektor ist Flexibilität. Hier ist jedoch nicht die eigene, sondern die der Lohnabhängigen gemeint. Flexibilität bedeutet in dieser Auslegung oft unbezahlte Überstunden, Verzicht auf freie Wochenenden und Feiertage, Verzicht auf Pausen. In manchen Betrieben wird sogar das Wort „Krankenstand“ geächtet, was dazu führt, dass viele selbst dann noch zum Dienst erscheinen, wenn sie schon längst ins Bett gehören um sich auszukurieren.

Problem All-in-Verträge

Ursprünglich eigentlich für Manager gedacht ist dieses Schlupfloch mittlerweile auch in der Gastronomie ein beliebtes Mittel zur Aushebelung der Kollektivverträge geworden. Die Einrechnung von Überstunden und Urlaubsansprüchen in ein „Gesamtpaket“ geht in den meisten Fällen mit einer de facto Verschlechterung des Einkommens gegenüber dem eigentlichen Kollektivlohn einher. Die Änderung der gesetzlichen Grundlagen für dieses unternehmerfreundliche Instrument wurde bereits des öfteren angekündigt, aber noch nicht durchgeführt.

Unbekannte Kollektivverträge

Wie bereits eingangs erwähnt ist das Gastgewerbe in weiten Teilen eine gewerkschaftsfreie Zone. Das führt unter anderem dazu, dass viele Beschäftige nicht über die gültigen Kollektivverträge im Bilde sind, was wiederum dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, eine niedrigere Einstufung vorzunehmen als eigentlich angezeigt.

Bei den Fällen, in denen die AK die Interessen von ArbeitnehmerInnen vertritt, ist das Gastgewerbe überproportional oft vertreten. Dabei ist auch zu beachten, dass es Fristen gibt, innerhalb derer man unbezahlte Überstunden geltend machen muss – versäumt man diese, fällt man um sein schwer verdientes Geld um.

Fleckerlteppich Erwerbsbiografie

Die saisonalen Schwankungen im Fremdenverkehr führen nicht nur zu einer Binnenmigration von Arbeitskräften in die touristischen Hotspots, sondern auch zu einer an verschiedenen Arbeitgebern reichen Erwerbsbiografie der Arbeiter und Angestellten. In diesen Tagen wurden z.B. von der PVA die Erinnerungen für die korrekte Berechnung der Pensionskonten versandt. Da es im Gastgewerbe auch oft zu saisonalen Aufenthalten im Ausland kommt, empfiehlt sich dringend den oft mehrere Seiten langen Versicherungsdatenauszug genau zu studieren und zu ergänzen.

Reallohn „schwarz“

Ein weit verbreitetes Phänomen in der Gastronomie sind teilweise schwarz abgerechnete Teile des Lohns. So wird oft ein niedrigerer Kollektivvertragslohn angemeldet und der Rest „schwarz“ ausbezahlt. Tückisch dabei sind nicht nur fehlende Beiträge für die eigene Pension, sondern auch das Vorenthalten von Beiträgen für das Pensionssystem als Ganzes: Denn durch die teilweise Abrechnung „bar auf die Hand“ spart sich der Unternehmer ebendiese Abgaben.

Lohnsteuerausgleich nicht liegenlassen

Wer beispielsweise auf Wintersaison geht und nach deren Ende kurze Zeit arbeitslos ist bevor eine neue Arbeitsstelle angetreten wird, hat beim Lohnsteuerausgleich besonders gute Karten. Es lohnt sich also in jedem Fall den Steuerausgleich zu machen. Mittlerweile ist dies auch problemlos online möglich.

Nützliche Tipps

Wichtig ist die Dokumentation der tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden. Am besten mit dem neuen GLB Jahreskalender, den Du unter office@glb kostenlos anfordern kannst. Er enthält auch wichtige Telefonnummern und nützliche Infos und passt bequem in jede Jackentasche.

Überprüfe Deinen Kollektivvertrag: Entweder auf der nächsten Beratungsstelle der AK oder online unter www.kollektivvertrag.at .

Werde Mitglied in der Gewerkschaft und kläre Deine KollegInnen über die Vorteile einer Mitgliedschaft auf: www.glbvida.at. Gemeinsam sind wir stärker!

In Betrieben ab fünf MitarbeiterInnen kann ein Betriebsrat gegründet werden, der eventuelle Probleme direkt im Betrieb lösen kann. Alles über die Gründung eines Betriebsrates findest Du unter: www.arbeiterkammer.at/service/betrieb...index.html

Nikolaus Lackner ist Koch und lebt in Krems