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Rezepte gegen Auswirkungen von Industrie 4.0 notwendig

  • Montag, 13. Juni 2016 @ 09:27
News Nicht zum ersten Mal wird mit der Abstempelung als „Maschinensteuer“ die Notwendigkeit einer Wertschöpfungsabgabe von den Kapitalvertretungen wie WKO und Industriellenvereinigung und deren politischen Satrapen torpediert, stellt Josef Stingl, Bundesvorsitzender der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) zur aktuellen Debatte fest. Ähnlich wurde bekanntlich bereits Anfang der 1980er Jahre die visionäre Idee des damaligen Sozialministers Alfred Dallinger (SPÖ) durch mediale Verteufelung als „Maschinensteuer“, „Experimentierfeld für linke Steuerideen“, „Vertreibungssteuer“ und „Unfug“ zu Fall gebracht.
Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) ist zuzustimmen, wenn er dieses Thema wieder aufgegriffen hat, auch wenn es ihm dabei vorrangig darum gehen dürfte die verunsicherte SPÖ-Basis zu beschwichtigen. Es ist aber bezeichnend, dass die Gegner keine anderen Rezepte vorzulegen haben, wie mit den Folgen von Digitalisierung und Automatisierung bei der Entwicklung zur Industrie 4.0 umgegangen werden soll, durch welche immer stärker Arbeitskräfte durch Maschinen ersetzt und damit die Finanzierung des Sozialstaates ausgehöhlt wird.

Wenn ÖVP-Wirtschaftsbundchef Peter Haubner meint „Maschinen zahlen keine Steuern“ und IV-Generalsekretär Christoph Neumayer über „Rezepte von vorgestern“ und „Maschinenstürmer“ polemisiert wollen sie ebenso wie mit dem Lamento gegen eine neue Steuer davon ablenken, dass es höchste Zeit ist, die Umstellung der Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung und die Kommunalabgabe von der reinen Lohnsumme auf die gesamte Wertschöpfung umzustellen. Der GLB hat die Notwendigkeit einer Wertschöpfungsabgabe mit einem Antrag in der oö Arbeiterkammervollversammlung im Mai 2015 thematisiert.

Denn unbestreitbar ist, dass die Lohnsumme durch die fortschreitende Rationalisierung rückläufig ist und damit auch daran gebundenen Beiträge für Sozialleistungen und Gemeindefinanzierung: „Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage auf Wertschöpfungsbasis soll der Rationalisierung Rechnung tragen und Unternehmen mit hohem Personaleinsatz entlasten, scharf rationalisierende Unternehmen hingegen stärker belasten, was eigentlich auch im Interesse der Wirtschaftskammer und der von ihr vertretenen Klein- und Mittelbetrebe liegen müsste“ so Stingl.

Die reflexartige Ablehnung einer Wertschöpfungsabgabe wie etwa von ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner geäußert entspricht also entweder eine bedingungslose Unterwerfung unter die Profitinteressen des Großkapitals oder gesellschaftspolitische Blindheit. Dabei hat Mitterlehner noch 2005 als damaliger WKO-Generalsekretär sogar noch Überlegungen für eine Umstellung der Bemessungsgrundlage der SV-Abgaben erkennen lassen.

Der GLB kann auch Argumente wie des Linzer Uni-Professors Friedrich Schneider, der eine Verteuerung des Faktors Kapital und Hightech-Betriebe verjagen nicht teilen, wo doch die Apologeten des Neoliberalismus ständig nach einer Entlastung des Faktors Arbeit rufen. Unverständlich ist auch das Argument der Wifo-Ökonomin Margit Schratzenstaller, eine Bemessung nach der Wertschöpfung sei nicht administrierbar und würde nur kurzfristig wirken. Dass der oö IV-Landesgeschäftsführer Joachim Haindl-Grutsch von einer „Investitions-Strafsteuer“ spricht und gar behauptet hier würde eine Steuer für die Sozialversicherung verwendet entspricht der gezielten Verwirrungstaktik der Industrie.

Das Potenzial für eine Wertschöpfungsabgabe zeigt das jährliche Wertschöpfungsbarometer der oö Arbeiterkammer auf. Laut dieser AK-Studie überstieg2014 in den 934 untersuchten Unternehmen mit 400.062 Beschäftigten die durchschnittliche Pro-Kopf-Wertschöpfung mit 96.446 Euro den durchschnittlichen Pro-Kopf-Personalaufwand um 33.165 Euro, die Gewinnauszahlungen pro Beschäftigtem sind auf 14.551 Euro gewachsen. Den AK-Daten zufolge stiegen von 2000 bis 2014 die Gewinnauszahlungen um 77 Prozent, der Personalaufwand hingegen nur um 31 Prozent.

Einmal mehr wird damit die berüchtigte Leitl-Formel „Die Gewinne von heute sind die Arbeitsplätze von morgen“ widerlegt, weil die Eigentümer einen viel zu großen Anteil des von den Lohnabhängigen erarbeiteten Mehrwerts statt in die Unternehmen zu investieren am Kapitalmarkt verzocken: „Nicht genug damit, verstärkt die Kapitalseite mit niedrigen KV-Abschlüssen und dem immer stärkeren Druck zur Senkung von Lohnnebenkosten das Verhältnis zwischen Produktivität und Lohn und führt damit die Sonntagsreden von sozialer Marktwirtschaft und Sozialpartnerschaft ad absurdum“, so Stingl.

Das ökonomische Credo der Gegner einer Wertschöpfungsabgabe erschöpft sich in den monotonen Forderungen nach Senkung der Lohnnebenkosten, Reduzierung von Frühpensionen, Reduzierung von Lohn- und Sozialkosten und Flexibilisierung der Arbeitszeit ohne Überstundenzuschläge: „Die Hohepriester des Kapitals müssen sie sich zu Recht die Frage gefallen lassen, ob die Wirtschaft für die Menschen da zu sein hat oder die Menschen nur lästige Anhängsel der Wirtschaft, sprich des Kapitals und dessen Dranges nach Maximalprofit“ so Stingl abschließend.