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Profit als zentrales Element

  • Samstag, 18. Februar 2017 @ 08:33
International Anne Rieger über die Konzernpolitik von VW

Als „Zukunftspakt“ verkündete VW-Markenvorstand Diess am 18. November 2016: „Die operative Umsatzrendite soll von zuletzt zwei Prozent in 2015 auf vier Prozent bis 2020 verdoppelt werden. Bis 2025 soll sie weiter auf sechs Prozent steigen. Nach 2025 wird eine weitere Verbesserung über diese Marke hinaus angestrebt“. Konkret wird bis 2020 ein „positiver Ergebniseffekt“ von 3,7 Mrd. Euro jährlich erwartet, davon 3,0 Mrd. in deutschen Standorten. Dafür werden 30.000 Arbeitsplätze vernichtet, Leiharbeiter gefeuert, wird in Teilbereichen die Arbeitszeit auf 40 Stunden erhöht und soll die Produktivität bis 2020 um 25 Prozent steigen. Beschäftigte, Betriebsräte und Gewerkschaft haben die Erpressung für einige „Zuckerl“ geschluckt.

An der Seite des Kapitals

So lassen sich die VW-Beschäftigten in einen Häuserkampf um ihre Arbeitsplätze treiben – mit den KollegInnen anderer Konzerne als Gegner und dem Kapital als scheinbarem Bündnispartner. Aber die Konzernherren sind keine Verbündeten, sondern Klassengegner, denen es um ihre Profite geht. In den ersten neun Monaten 2016 immerhin satte 8,7 Mrd. Euro.

Die Schlüsselbranche Auto steht vor strukturellen und technologischen Umbrüchen, dabei will VW die Nase vorn haben. Bei der Elektromobilität will man bis 2025 Weltmarktführer werden, eine Million Elektroautos verkaufen und bis 2030 wieder größter Autohersteller weltweit werden. Nach dem Schwindel mit den Abgasmanipulationen, weil Umrüstung, Ersatz und Strafzahlungen fällig werden, versuchen sich die Konzernherren an den Beschäftigten schadlos zu halten. Weder die Boni-Zahlungen für Vorstände, noch die Milliarden Dividenden an die Aktionäre – Haupteigentümer Piech/Porsche ist mit 35,4 Mrd. Euro Stiftungsvermögen reichste Familie Österreich – werden angetastet.

Solange das VW-Stammpersonal dem Kapital beim Konkurrenzkampf nützlich ist, wird es als scheinbar gleichberechtigte Bündnispartner behandelt. Wird es weiterem Profit hinderlich, verliert es Arbeitsplätze und Einkommen. Treffend ein SZ-Kommentar zum Zukunftspakt „Neun Jahre ohne Angst – und dann?“

Der Kampf um Absatzmärkte ist gnadenlos. Die Überproduktion grinst uns in Häfen und auf den Megaparkplätzen der Händler und Hersteller entgegen. Rabattschlachten, Eigenzulassungen und mit Steuergeldern bezahlte Abwrackprämien sind Indizien dafür. Das gebundene Kapital der Autowerke schreit nach höherer Auslastung.

Arbeitszeitverkürzung

Angst um Arbeitsplätze scheint vergessen zu lassen, dass wir in einer Klassengesellschaft leben. Statt mit den Beschäftigten anderer Autokonzerne, Industrien und Dienstleistungen einen Kampf um Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich gegen die Macht der Konzernherren zu organisieren, machen sie sich die VW-Beschäftigten objektiv zu Gegnern ihrer KollegInnen anderer Autokonzerne um die Arbeitsplätze in „ihrem“ Konzern zu retten.

Das Geschäftsmodell Auto hat aber mittel- bis langfristig ausgedient. Arbeitsplatzverluste durch neue Antriebskonzepte, Digitalisierung, autonomes Fahren, neue Mobilitätskonzepte und Überproduktion werden auch mit dem E-Mobil nicht zu lösen sein.

Verkehrsinfarkte

Die Produktion von Autos kann nicht unendlich ausgeweitet werden. In den Industrieländern erreicht die Automobildichte schon bald objektive Grenzen und führt zu Verkehrsinfarkten. Und das Klima kollabiert, wenn Länder wie China oder Indien das westliche Niveau der Automobilisierung erreichen

E-Autos verhindern zwar im Verkehr hohe CO²-Emissionen. Bei der Herstellung und Zulieferung ist der CO²-Ausstoß jedoch enorm. Laut dem Motorenentwickler Fritz Indra hat ein Elektroauto eine 1,6-mal so schlechte CO²-Bilanz wie ein vergleichbares Fahrzeug mit modernem Verbrennungsmotor. Und auch künftig wird ein Großteil des Stroms aus kalorischen Kraftwerken mit hohem CO²-Ausstoß kommen. Aber um Kosten zur Maximierung des Profits zu senken werden Umweltschäden in Kauf genommen.

Produktkonversion

Notwendig ist eine neue gesellschaftlich kontrollierte sozial-ökologische Mobilitäts- und Beschäftigungspolitik mit erweiterter Mitentscheidung und demokratische Kontrolle. Beschäftigte, Gewerkschaften, Umweltverbände, NGOs, KommunalpolitikerInnen und Menschen der Region sollen gemeinsam über konkrete Schritte zur Konversion der Autokonzerne in einen ökologisch orientierten Dienstleister für öffentliche Mobilität beraten und entscheiden.

Gefragt sind integrierte Mobilitätskonzepte, um das Gewicht zwischen öffentlichem und privatem Verkehr zu verschieben und Bahn, Straßenbahnen, Bussen, Fußgängern und Fahrräder Vorrang vor dem Autoverkehr einzuräumen. Energie-effizientere Anlagen, Maschinen und Geräte in Industrie, öffentlichem Bereich und Haushalten müssen dringend vorhandene ersetzen.

Die deutsche Autoindustrie investiert 39 Mrd. Euro in Forschung und Entwicklung. Das für Produktkonversion nutzbar zu machen, wäre eine langfristig beschäftigungssichernde Strategie. Ohne die Machtfrage zu stellen, wird das aber im gesellschaftlichen Interesse nicht möglich sein. Ansonsten bleibt die Befürchtung, dass nur die Braut „schön“ gemacht werden soll.

Anne Rieger ist Vorstandsmitglied des GLB-Steiermark