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Privatisierung mit Wiener Schmäh?

  • Samstag, 18. Februar 2017 @ 08:46
Meinung Anna Leder zur geplanten Ausgliederung des Wiener Krankenanstaltenverbunds

Seit einigen Monaten denkt die Wiener Stadtregierung laut über eine Privatisierung des Wiener Krankenanstaltenverbunds (KAV) nach – unter Beibehaltung der Eigentümerschaft der Stadt. Es droht die Ausgliederung von ca. 30.000 Beschäftigten, die in den elf Spitälern, vier Geriatriezentren und acht Pflegewohnhäusern der Stadt Wien arbeiten.

Derzeit ist der KAV als Unternehmung der Stadt Wien zwar eigenständig, die wichtigen Bereiche Finanzen und Personal obliegen aber der Stadt. Der Zeitpunkt der Privatisierungsdebatte erstaunt wenig: Zum einen gibt die Wiener Struktur- und Ausgabenreform (WiStA) vor, bis 2020 bei einem Budget von 13 Milliarden Euro fast 900 Millionen einzusparen; das sind Kürzungen von fast 10 Prozent – in einer wachsenden Stadt.

Dies rückt naturgemäß den KAV als größten Betrieb der Stadt Wien, die mit ca. 65.000 Beschäftigten größte Arbeitgeberin Österreichs ist, in den Fokus. Zum anderen wollte die umstrittene Gesundheitsstadträtin Wehsely mit ihrem Vorstoß wohl auch dem Rechnungshof-Rohbericht zuvorkommen, der die fehlende Finanz- und Personalhoheit des KAV (die auch ohne Ausgliederung zu korrigieren wäre) sowie die externen Beratungsausgaben und die hohen Managementgehälter kritisiert.

Ein Arbeitsteam rund um den Chef der MA 24 (Gesundheitsplanung), Richard Gauss, arbeitet seither die Vor- und Nachteile verschiedener Modelle für den KAV aus. Mitte Jänner sollen die Rechercheergebnisse vorliegen. Die politische Entscheidung soll noch im ersten Halbjahr 2017 folgen.

Gesundheits AG?

Ein mögliches Szenario ist die Umwandlung des KAV in eine Aktiengesellschaft, analog zu den Betrieben der Wien Holding. Doch egal welche Rechtsform der KAV in Zukunft bekommen wird, es wäre dies nur ein weiterer Schritt in einer langen Reihe von Ausgliederungen und Privatisierungen, die einer Ökonomisierung des Sozialen bei der Stadt Wien gleichkommen. Im Sinne des «New Public Management», wo nur das Spardiktat als Motor dient, wird Privatisierung gern mit «Effizienzsteigerung» argumentiert. Sozialleistungen werden entpolitisiert, die Politik gibt nur noch die Rahmenbedingungen in Form eines Auftrags und eines (sinkenden) Globalbudgets vor, das Management hat freie Hand bei der Umsetzung. Ob der Auftrag bei einem zu knapp bemessenen Budget überhaupt erfüllbar ist, soll dann nicht mehr Sache der Politik sein.

Doch bereits vor seiner wahrscheinlichen Ausgliederung war für KAV-Beschäftigte in den letzten Jahren schmerzhaft spürbar, was es bedeutet, in ein «marktkonformes» Unternehmen umgewandelt zu werden. Denn nichts anderes sind die «Reformen» der letzten Jahre, die mit einer immensen Arbeitsverdichtung bei steigenden «Fallzahlen» einhergegangen sind. Dazu gehören: die Umsetzung des Ärzt_innenarbeitszeitgesetzes, das mit Personaleinsparungen einherging, die Implementierung des «mitverantwortlichen Bereichs», der einen Gutteil ärztlicher Tätigkeiten auf billigere Pflegearbeitskräfte abschob, der «Skill & Grade Mix» von Personal, der vielfach ebenso wie die beschlossene Ausbildungsreform schlicht eine Dequalifizierung in der Pflege bedeutet, bis hin zur Besoldungsreform 2017.

Bei einer Ausgliederung würden neue Kolleg_innen nach einem erst zu schaffenden, vermutlich schlechteren Kollektivvertrag bezahlt werden. Weitere Auslagerungen innerhalb des KAV, wie sie bisher vor allem patientenferne Bereiche betreffen, würden folgen. Die Konsequenzen daraus wären ein sinkendes Gehaltsniveau, Personaleinsparungen und gespaltene Belegschaften.

Gewerkschaft auf dem Rückzug

Dass der SPÖ-Vorstoß weder bei den Grünen, aber auch nicht bei den eigenen Genoss_innen auf ungeteilte Zustimmung stößt, war vorhersehbar. Ob das Argument, angesichts der wachsenden FPÖ-Macht wolle man das Gesundheitswesen Wiens derart vor einem blauen Zugriff retten, bei den Skeptiker_innen greift, bleibt abzuwarten. Ein Armutszeugnis ist es allemal.

Zu den Gegner_innen der Ausgliederung zählt naturgemäß die zuständige Gewerkschaft Younion. In einem Brief vom November 2016 entrüstet sie sich, lediglich Gerüchte aus dritter Hand zu vernehmen und verweigert seither jede Kooperation in Zusammenhang mit der geplanten Ausgliederung. Ein begrüßenswerter Schritt, doch die entscheidenden Konsequenzen zieht die Younion wie schon in der Vergangenheit nicht daraus.

Denn trotz anderslautender Beschlüsse hatte sie bislang alle erfolgten Ausgliederungen innerhalb des KAV mitgetragen und ist den immer unerträglicher werdenden Arbeitsbedingungen nicht konsequent begegnet, solange sie im sozialpartnerschaftlichen Rahmen in Entscheidungen eingebunden war. Dass sie sich jetzt, wo ihr Einfluss auf die Belegschaften, aber auch auf die Politik schwindet, nur zurückzieht und nicht auf eine Mobilisierung der Beschäftigten und Kampfmaßnahmen setzt, ist fatal – für die im KAV Arbeitenden, aber auch für die zukünftige Qualität des kommunalen Gesundheitswesens.

Beitrag aus „Augustin“, Ausgabe 428/2016

Anna Leder ist Physiotherapeutin, basisgewerkschaftlich aktiv und Aktivistin bei CARE Revolution