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Ohne Kampf keine Verteidigung des bisher Erreichten

  • Freitag, 20. November 2015 @ 11:25
PRO-GE Anne Rieger zum Metall-Kollektivvertrag

Die Unternehmer haben sich beim Metaller Abschluss durchgesetzt, die voestalpine kauft eine Stahlfirma in Wisconsin. Eine knappe Woche nach dem Abschluss der Kollektivvertragsverhandlungen im Bereich des Fachverbandes Bergbau-Stahl kündigte der börsennotierte Stahlkonzern voestalpine eine bevorstehende Akquisition in den USA an.

Deutlicher können Konzernherren nicht zeigen, wer von dem Abschluss profitiert. Geld, das den Beschäftigten, die die Kaufsumme mit erarbeitet haben, im Börserl fehlen wird nutzt der Konzern, um international Konkurrenz zu kaufen. Später wird er Beschäftigte konzernintern damit gegeneinander ausspielen.

Die Tücken des Abschlusses…

Für die Beschäftigten bleiben da nur 1,5 Prozent mehr Einkommen, ebenso wie in den anderen fünf Fachgruppen der Metallindustrie. Das klingt auf den ersten Blick so schlecht nicht, blickt man auf die uns offiziell präsentierte Inflationsrate und die angekündigte Lohnsteuerreform.

Schaut man tiefer, erkennt man die Tücken dieses Abschlusses: Laut Statistik Austria stiegen Wohnungsmieten um 4,0 Prozent, Versicherungsdienstleistungen und „Verschiedene Waren und Dienstleistungen“ jeweils um zwei Prozent. Die Instandhaltung von Wohnungen verteuerte sich um 1,5 Prozent. Schon daran erkennt man, dass im Börserl wenig übrig bleiben wird von den von Beschäftigten selber geschaffenen Werten. Die Produktivität ihrer Arbeitskraft steigern sie kontinuierlich, so die Arbeiterkammer Oberösterreich.

Eine Arbeitsstunde sei heute im Schnitt real 18 Prozent produktiver als im Jahr 2000. Der pro Stunde ausgezahlte Bruttolohn sei mit plus neun Prozent aber nur halb so stark gewachsen. Umverteilung von unten nach oben nennt man das. Und wer die Lohnsteuerreform dann wirklich zahlen muss? Sicher nicht die Reichen.

... auch in der Arbeitszeit

Schwerer noch wirken die Vereinbarungen zur Arbeitszeit. Sie werden weder zur Entlastung des Arbeitsdrucks in den Betrieben beitragen, noch zur Entlastung des „Arbeitsmarktes“, noch zur Stärkung der Kaufkraft. Bereits vor Beginn der Verhandlungen haben die Unternehmer ein Sperrfeuer gegen die Ausweitung der sechsten Urlaubswoche auf mehr Beschäftigte gelegt.

Sie unterbrachen die Verhandlungen. Von den Gewerkschaften verlangten sie, diese sollten sich gegenüber der Bundesregierung gegen die Wertschöpfungsabgabe und sechsten Urlaubswoche aussprechen, empörte sich der ÖGB. Erst eine bundesweite Betriebsrätekonferenz brachte sie wieder an den Verhandlungstisch. Aber die sechste Urlaubswoche hatten die Unternehmer mit der Unterbrechung weggefegt.

Freizeitoption – Kosten bis in die Pension

Der Arbeitsdruck in den Betrieben ist außerordentlich hoch und Verkürzung der Arbeitszeit ein dringender Wunsch vieler Beschäftigter. So entwickelten GewerkschafterInnen vor ein paar Jahren die sogenannte Freizeitoption. Mit dieser hässlichen Form der Arbeitszeitverkürzung können sich Beschäftigte freie Zeit kaufen. Sie können „sich dafür entscheiden, anstelle der IST-Erhöhung von 1,5 Prozent mehr Freizeit im Ausmaß von zwei Stunden und 15 Minuten pro Monat zu nehmen“ teilt die PRO-GE mit.

Die Beschäftigten zahlen damit ihre Arbeitszeitverkürzung selber. Aber nicht nur in diesem Jahr, sondern in allen folgenden, und der Fehlbetrag steigt jährlich. Angenommen eine Person verdient 2.000 Euro monatlich, dann fehlen 30 Euro Monat für Monat bis zum Arbeitsende. Der Fehlbetrag erhöht sich zusätzlich ansteigend um die fehlende prozentuale jährliche Kollektivvertragserhöhung für diesen Fehlbetrag. Schwierig? Stichwort ist hier: Zinseszins. Das hat schlussendlich auch Auswirkungen auf die Höhe der Pension.

Arbeit wird verdichtet

Die Unternehmer dagegen haben keine erhöhten Kosten. Denn für solch eine individuell zu nehmende verkürzte Arbeitszeit wird kein Beschäftige/r zusätzlich eingestellt. Die vorhandene Arbeit fliegt aber nicht dahin. Sie wird entweder von im Betrieb zurückbleibenden KollegInnen erledigt oder aber vom Zeitkäufer/in vor oder nach seiner Freizeit selber. Damit wird die Arbeit in den Betrieben weiter verdichtet.

Böswillig könnte man sogar sagen, dass diejenigen, die etwas besser verdienen, also IST-Löhne bekommen, ihre anfallende Arbeit auf jene abladen (müssen) die den „puren“ Kollektiv erhalten. Jenen steht diese Option nicht offen, da unter Kollektiv niemand bezahlt werden darf.

Gewinner aber sind in jedem Fall die Unternehmer, denn diese von den Beschäftigten selbst bezahlte Form der Arbeitszeitverkürzung kostet sie keinen Cent. Verloren aber geht der Gedanke der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich.

Flexikonten

Zusätzlich ist es den Unternehmern nach Jahren gelungen, die Arbeitszeitkonten auszuweiten. Ein Zeitkonto von 167 Stunden ist vorgesehen, bis zur 60. Stunde ohne Zuschläge. Von der 61. bis zur 100. Stunde werden 10 Prozent, von der 101. bis zur 167. Stunde 20 Prozent bezahlt. Der Durchrechnungszeitraum beträgt ein Kalenderjahr. Bis zu 40 Stunden können in den nächsten Durchrechnungszeitraum übertragen werden. Alle anderen Stunden des Zeitkontos müssen entweder konsumiert oder ausbezahlt werden.

Sie werden auf einem eigenen Zuschlagskonto gesammelt, den Verbrauch bestimmt der/die Beschäftigte. Das ist keine Reduzierung der Überstunden – denn mehr Personal wird nicht eingestellt, sondern der Schritt in unbezahlte Überstunden.

Umgehend begrüßte der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, die Flexibilisierung. Entscheidend sei „dass es endlich gelungen ist, bei der dringend notwendigen flexibleren Gestaltung von Arbeitszeiten endlich etwas weiterzubringen.“ Die zunehmenden Schwankungen in der Auftragslage könnten damit nun besser ausgeglichen werden, „den Betrieben ist damit ein Instrument in die Hand gegeben worden, um künftige Krisensituationen besser als bisher bewältigen zu können.“

Höchstarbeitszeit ausgedehnt

Das unternehmerische Risiko wird auf die Beschäftigten verlagert und gleichzeitig Personal gespart. Diesen Erfolg im Interesse der Unternehmer im Rücken, forderte Neumeyer zugleich eine spürbare Lohnnebenkostensenkung. Auf dem Arbeitsmarktgipfel erreichten das die Unternehmer: die Senkung ihrer Beiträge bei Insolvenzgeld- und Familienlastenausgleichfonds wurden beschlossen sowie eine weitere schleichende Erhöhung der Arbeitszeit: Für Beschäftigte auf Dienstreisen oder Montage wird die tägliche Höchstarbeitszeit von zehn auf zwölf Stunden angehoben.

GLB-ProGe Vorsitzende Hilde Tragler und Betriebsrätin bei Magna hat dem KV-Abschluss nicht zugestimmt. Auch wenn der 31. Dezember endlich arbeitsfrei ist und der Mindestlohn 1.750 Euro beträgt. KV-Abschlüsse im Interesse der Beschäftigten können nur im Kampf durchgesetzt werden.

Anne Rieger ist GLB-Aktivistin in der Steiermark