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Mindestsicherung absichern statt abbauen

  • Samstag, 3. Dezember 2016 @ 22:00
Positionen Die 2010 anstelle der früheren Sozialhilfe eingeführte bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) ist aktuell das Hauptangriffsziel bei der Demontage der in Jahrzehnten erkämpften sozialen Errungenschaften. Angetrieben von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer agieren vor allem FPÖ und ÖVP auf der politischen Ebene als Einpeitscher für die Verschlechterung der BMS. Die erste Stoßrichtung zielt dabei auf Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte, welchen die BMS mit der Absicht gekürzt wird, den Zuzug von Flüchtlingen nach Österreich zu bremsen. Die zweite Stoßrichtung begründet die Kürzungen mit dem Argument, dass die BMS zu hoch sei und daher zuwenig Anreiz eine Arbeit aufzunehmen vorhanden sei.

In diesem Sinne wurde in Oberösterreich von ÖVP und FPÖ die BMS für Flüchtlinge bereits auf 365 Euro (plus 155 Euro Integrationsbonus) gekürzt. In Niederösterreich wurde die BMS von ÖVP, FPÖ und Team Stronach für Familien bzw. Haushalte mit 1.500 Euro gedeckelt und eine Wartefrist eingeführt. Im Burgenland wollen SPÖ und FPÖ in gleicherweise nachziehen. Verstärkt gibt es auch die Forderung, den Bezug einer Mindestsicherung von einer Mindestaufenthaltsdauer abhängig zu machen.

Laut Gutachten des Sozialrechtsexperte Walter Pfeil sind solche Kürzungen mehrfach rechtswidrig und verstoßen gegen österreichisches, Europa- und Völkerrecht. Und es liegt auf der Hand, dass solche Kürzungen für Flüchtlinge nur die Einstiegsdroge für eine Verschlechterung für alle sind. Das eigentliche Problem ist daher nicht die Mindestsicherung, sondern es sind zu niedrige Löhne, zu hohe Wohnkosten, unzureichende Kinderbetreuungsangebote und die hohe Arbeitslosigkeit. Bekanntlich sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt derzeit für BMS-Bezieher_innen sehr bescheiden.

Die Verfechter der Kürzungen wollen vor allem davon ablenken, dass nicht die BMS zu hoch, sondern dass die Mindestlöhne zu niedrig sind. Laut einer Studie der Arbeiterkammer OÖ verdienten 2014 nicht weniger als 344.000 Vollzeitbeschäftigte weniger als 1.700 Euro brutto (1.310 Euro netto), dem aktuellen Mindestlohnziel der Gewerkschaften. 244.000 Beschäftigte verdienten 2014 sogar weniger als 1.500 Euro brutto (1.199 Euro netto).

Die Auswirkungen des großen Niedriglohnsektors zeigen sich daran, dass ein Großteil der BMS-Bezieher_innen sehr wohl in Beschäftigung stehen, aber durch prekäre Arbeitsverhältnisse wie Teilzeit oder Geringfügigkeit so wenig verdienen, dass sie zur Aufrechterhaltung eines minimalen Lebensstandards als sogenannte „Aufstocker_innen“ eine Zuzahlung in Form als BMS benötigen. Eine entsprechende Anhebung der Mindestlöhne würde demnach zur Entlastung der BMS führen, weil solche Zuzahlungen dann wegfallen würden.

Die BMS ist eine aus Steuergeld finanzierte nicht versicherungsabhängige Leistung zur Existenzsicherung durch bestimmte Mindeststandards verbunden mit einer Krankenversicherung als präventive Bekämpfung von Armut, welche neben österreichischen und EU-Staatsbürger_innen auch Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten gewährt wird und die durch die anhaltende Krise von Wirtschaft und Arbeitsmarkt verstärkt an Bedeutung gewinnt. 2015 bezogen 284.274 Personen (davon 56 Prozent in Wien) teilweise ganzjährig, großteils aber nur temporär eine BMS, wofür 765,2 Mio. Euro aufgewendet wurden. Der durchschnittliche Bezug lag zwischen 322 Euro pro Haushalt und Monat im Burgenland und 809 Euro in Tirol. Laut Wifo-Chef Badelt steht das Gewicht der aktuellen Diskussion über die Mindestsicherung nicht im Einklang mit den Kosten, weil die Mindestsicherung nur rund ein Prozent der gesamten Sozialausgaben ausmacht, aber sozialpolitisch „wird ein Feuer angezündet, das man schwer löschen kann“.

Fragwürdig sind auch Vorschläge für eine verstärkte Umstellung auf Sachleistungen und verschärfte Sanktionen zur Aufnahme einer Arbeit auch zu fragwürdigen Bedingungen, wie sie auch von der SPÖ vertreten werden. So hatte schon im Jänner 2016 AMS-Chef Buchinger die Länder gerügt, dass sie vorhandene Sanktionsmöglichkeiten nicht genügend nützen und angekündigt bei Bedarf tagesaktuelle AMS-Meldungen über den Missbrauch der Mindestsicherung zur Verfügung zu stellen. Angesichts des Missverhältnisses von Arbeitssuchenden (Oktober 2016: 411.951 inklusive Schulungsteilnehmer_innen) und offenen Stellen (Oktober 2016: 40.958) kann dies nur als Verhöhnung bezeichnet werden.

Nicht übersehen werden darf auch, dass extrem neoliberale Kräfte wie die NEOS die als Fortsetzung des Arbeitslosengeldes gewährte Notstandshilfe abschaffen und durch die BMS mit einer Regelung analog dem berüchtigten Hartz IV in Deutschland ersetzen wollen. Bewusst verdrängt wird dabei, dass die Notstandshilfe eine Versicherungsleistung darstellt, die von den Beschäftigten durch Beiträge finanziert wird, während die BMS eine steuerfinanzierte Leistung darstellt.

Ein grundlegender Konstruktionsfehler bei der BMS ist zudem die von der Sozialhilfe übernommene Zuständigkeit der Länder. Das bedeutet nicht nur neun unterschiedliche Regelungen, sondern auch wie sich aktuell zeigt die Blockade einer einheitlichen bundesweiten Regelung durch einige Landesfürsten bzw. die Absicht potenzielle BMS-Bezieher_innen nach Wien abzudrängen um dort das System zu überlasten.

Die Bundeskonferenz des GLB fordert daher:
- Bundesweit einheitliche Regelung der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS)
- Gewährung der Mindestsicherung 14mal im Jahr
- Anhebung der maximalen Höhe der BMS auf die offizielle Armutsgrenze (2016: 1.161 Euro)
- Umgehende Anhebung der Mindestlöhne für Vollzeitarbeit auf 1.700 Euro brutto
- Eine offensive Beschäftigungspolitik vor allem durch öffentliche Investitionen in Wohnbau, Infrastruktur usw. um BMS-Bezieher_innen in Beschäftigung zu bringen
- Kein Ersatz der Notstandshilfe durch eine BMS, Gewährung der Notstandshilfe unabhängig von Partner_inneneinkommen

Resolution der GLB-Bundeskonferenz am 3.12.2016