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Land der Erben

  • Freitag, 20. November 2015 @ 11:32
Meinung Leo Furtlehner zum Thema Erbschaften und Steuern

„Experten der Wirtschaftsuni Wien schätzen, dass die Zahl der Erbschaften hierzulande von aktuell rund 40.000 auf fast 70.000 im Jahr 2040 anwachsen wird“, schreibt das keinesfalls kapitalfeindliche Magazin „Forbes“. Und konstatiert, „statt aktuell durchschnittlich 15 Milliarden Euro könnte in den kommenden Jahren mit mehr als 20 Milliarden Euro um ein Drittel mehr vererbt werden, als das bislang der Fall war“.

Sogar eine aktuelle OECD-Studie hat festgestellt, dass erben in Österreich für den sozialen Aufstieg wichtiger ist als anderswo. Entsprechend groß ist der Ansturm bei einschlägig auf Erben und Vererben und dazu gehörige Steuerkonstruktionen wie etwa Privatstiftungen spezialisierten Rechtsanwälten. Zumal 2015 die EU-Erbrechtsverordnung in Kraft getreten ist, welche das grenzüberschreitende Erben völlig neu geregelt hat. Ergänzt durch ein neues ab 2017 in Kraft tretendes Erbrechtsänderungsgesetz. Und auch die 2016 in Kraft tretende Steuerreform hat mit der Verteuerung der Weitergabe von Immobilien den Anwälten zusätzliche Arbeit verschafft.

Schweigen im Walde gilt dabei als Selbstverständlichkeit: „Diskretion ist das Um und Auf“ bringt es die Anwältin Katharina Müller auf den Punkt. So ist etwa nichts darüber zu erfahren, was mit dem Milliardenvermögen des verstorbenen Ex-Billa-Eigentümers Karl Wlaschek geschehen ist und wer Begünstigter seiner Stiftung ist. Diese Diskretion der Erb-Anwälte und ihrer Klienten geht so weit, dass man sogar Finanzkonstruktionen mi dem sonst so verteufelten Russland eingeht:

„Denn, dass Russland Daten an den Westen rausrückt, ist eher unwahrscheinlich“ meint Anwalt Michael Sedlaczek süffisant. Wenngleich ansonsten das Steuerparadies Liechtenstein auf Grund der erhöhten Geheimhaltung und steuerlichen Vorteile sowie der geografischen Nähe bevorzugt wird, während die Schweiz durch zunehmende Auskunftsbereitschaft an Attraktivität für die professionellen Steuerhinterzieher eingebüßt hat.

Auch das 1994 vom damaligen SPÖ-Finanzminister Ferdinand Lacina geschaffene Modell Privatstiftung hat mittlerweile deutlich an Attraktivität eingebüßt. Stieg die Zahl der Neugründungen bis 2000 auf den Spitzenwert von 804, sinkt sie seither ständig und gab es seit 2012 sogar einen Rückgang vom einstigen Höchststand von 3.253 solcher Stiftungen, in welchen schätzungsweise 100 Milliarden Euro deponiert sind.

Einer der größten Schandflecke der seit 2006 regierenden rotschwarzen Koalition ist die 2008 erfolgte Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Während die Regierung damals die wenige Monate später doch abgeschafften unsozialen Studiengebühren (130 Mio. Euro) als unverzichtbar bezeichnete, verzichtete sie großzügig auf 155 Millionen Euro (Budget 2007) Erbschaftssteuer. Was WKO-Chef Christoph Leitl umgehend als ein „sehr, sehr positives Ergebnis der auslaufenden Regierung“ bezeichnete und damit sein Klientel bestens bedient sah.

Die Beseitigung der Erbschaftssteuer war ein weiterer Gipfelpunkt bei der Entlastung von Kapitalgesellschaften und Millionenvermögen: Abschaffung der Vermögenssteuer, ebenso der Kapitalverkehrssteuer, Senkung des Spitzensteuersatzes von 62 auf 50 Prozent, Schaffung steuerschonender Privatstiftungen, Senkung der Körperschaftssteuer von 34 auf 25 Prozent, Einführung der Gruppenbesteuerung.

Im Ergebnis verlottert Österreich immer stärker zum Steuerparadies für Kapital und Vermögen in der EU, während gleichzeitig durchschnittliche Einkommensbezieher_innen mit der Lohnsteuer und Mehrwertsteuer einen immer größeren Teil der Steuerbelastung erbringen müssen.

Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“