KV-Aushöhlung abgewehrt
- Montag, 5. November 2012 @ 15:48
Von Anne Rieger
Die MetallerInnen forderten fünf Prozent Lohnerhöhung. Gleichzeitig mussten sie um den Erhalt gemeinsamer Verhandlungen, des Kollektivvertrages und die Abwehr weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit kämpfen. Mit dem sechsten Abschluss in der Metallindustrie erreichten sie nach 14 Verhandlungen für alle sechs Metallbranchen das gleiche Ergebnis: 3,4 Prozent Erhöhung. Für Peter Scherz, GLB-Mitglied im Verhandlungskomitee der PRO-GE, der „Beweis, dass es den Unternehmern in Wirklichkeit nur um eine möglichst geringe Lohnerhöhung ging.“
Scherz hatte gegen den Abschluss gestimmt. Angesichts einer Inflationsrate von 2,7 Prozent, einem Produktivitätsanstieg von 6,6 Prozent und der um 7,2 Prozent auf 2,2 Mrd. Euro gestiegenen Gewinne ist das ein zu mageres Ergebnis. Die Erhöhung liegt weit unter der Inflationsrate für den wöchentlichen Einkauf, die im August 4,3 Prozent betrug.
“Kriegserklärung an alle Beschäftigten“
Gelungen war den Industriellen dieser Coup durch ein mehrstufiges Ablenkungsmanöver. Als erstes spalteten sie den gemeinsamen Rahmen der 40 Jahre bewährten KV-Gemeinschaft Metallindustrie und Bergbau. Trotz Rainer Wimmers richtiger Analyse, dass das eine „Kriegserklärung an alle Beschäftigten in Österreich“ sei, gab es von PRO-GE, GPA-djp und ÖGB nur verbalen Widerstand, die anderen Fachgewerkschaften blieben stumm.
Die Unternehmer witterten Morgenluft und überfielen die Beschäftigten mit der Forderung nach der Zerstörung des Kollektivvertrages: Sie „boten“ 2,26 Prozent an, 2,4 bis 2,6 Prozent nur dann, wenn über ihren „Beschäftigungspakt“ verhandelt würde. Darin forderten sie
• betrieblichen Arbeitszeitregelungen (Verbetrieblichung der KV-Politik)
• unterschiedliche Lohnhöhen in Betrieben, abhängig vom wirtschaftlichem Erfolg und Personalaufwand
• unterschiedliche Arbeitszeiten für jüngere und ältere Beschäftigte. Jüngere sollten länger arbeiten und dabei ihre Überstundenzuschläge verlieren, Ältere sollten Teilzeit arbeiten.
Schützenhilfe erhielten sie von der Industriellenvereinigung. Präsident Georg Kapsch hält flexiblere Arbeitszeitmodelle für einen „Schwerpunkt bei der notwendigen Veränderung von Beschäftigungsmustern“. Die Gewerkschaftsforderung von fünf Prozent war ihm zu hoch. Mit Einmalzahlungen und Konjunkturprämien könne man die Arbeitnehmer an der guten Entwicklung der Vergangenheit beteiligen.
Gleichzeitig führte die autoritäre Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfond (IWF) in Griechenland vor wie der europaweite Eingriff in die nationalen Kollektivverträge durchzusetzen ist. Bereits im Rahmen der EU-Lissabonziele wurde die Auflösung von Flächentarifverträgen und eine stärkere Berücksichtigung der Produktivitätsentwicklung und Ertragslage in den einzelnen Betrieben „empfohlen“.
Auch im EU-Sixpack von 2011 wurden die Kollektivverträge thematisiert. Die neoliberalen EU-Technokraten sehen darin ein Hindernis für die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Wird ein Land auf Grundlage des EU-Fiskalpakts einem wirtschaftlichen „Anpassungsprogramm“ unterworfen, wird aus der Empfehlung ein Pflichtprogramm, siehe Griechenland.
GLB-Betriebsratsmitglieder forderten eine bundesweite Konferenz aller Betriebsratsmitglieder. Bedauerlicherweise rief der Bundesvorstand der PRO-GE lediglich zu einer Konferenz der BR-Vorsitzenden und ihrer StellvertreterInnen auf. Die tausend BetriebsrätInnen wiesen die Angriffe auf den KV einstimmig zurück. Damit und mit über 300 Betriebsversammlungen – allerdings nur im Bereich Maschinen und Metallwaren - konnte der Versuch der Zerstörung des Kollektivvertrages abgewehrt werden. Vorerst wurde auch die Arbeitszeit nicht im Abschluss fixiert, aber vereinbarte technische Expertengruppen lassen nicht Gutes ahnen.
Widersprüchlicher Abwehrerfolg
So erleichtert Funktionäre und Beschäftigte darüber sind, dass die Aushöhlung oder gar Zerstörung der Kollektivverträge verhindert werden konnte, so bleibt leider festhalten, dass die Unternehmer aus dieser KV-Runde gestärkt hervorgehen. Freilich konnten sie ihr ursprünglich ins Auge gefasste Ziel, einen „Beschäftigungspakt“ zum Abbau von Arbeitsplätzen, nicht durchsetzen. Die Kampfkraft der Beschäftigten stand dagegen.
Wohl aber haben sie gelernt, dass sie beim Absenken der Lohnforderung Erfolge haben, wenn sie mit riesigen Geschützen, wie der drohenden Zerstörung der Kollektivität, auffahren. Vor allem wenn das gewerkschaftliche Verhandlungskomitee sich nicht entschließen kann, alle Kampfkraft in allen Betrieben zu mobilisieren. So setzten sie die ihnen genehmen 3,4 Prozent durch.
Die Gefahr einer Wiederholung ist groß. Andere Unternehmerverbände schlagen bereits härter zu. Im Frühjahr hat der bei der Lufthansa-Tochter AUA die Unternehmensleitung den Bord-KV aufgekündigt. Der Verband Österreichischer Zeitungen hat den Journalisten-KV gekündigt. Im Gastgewerbe wurde ein KV abgeschlossen, der in zwei Bundesländern nicht gilt. 2011 versuchte die Firma Securitas in Graz Leiharbeiter als Busfahrer einzuschleusen um den geltenden KV zu unterlaufen.
Ulrich Schuh vom ECO Austria Institut der Industriellenvereinigung sagt, wohin die Reise gehen soll: Laut „Standard“ will er es Deutschland gleichtun und plädiert für niedrigere Lohnabschlüsse, die Benya-Formel hält er für überholt. Wir GewerkschafterInnen und Beschäftigten tun gut daran, uns aus der Illusion der Sozialpartnerschaft zu lösen. Richtige Analysen und gute Argumente sind wichtig für die Mobilisierung – aber ohne Mobilisierung ist alles nichts.
Anne Rieger ist Stv. Vorsitzende des GLB-Steiermark
Die MetallerInnen forderten fünf Prozent Lohnerhöhung. Gleichzeitig mussten sie um den Erhalt gemeinsamer Verhandlungen, des Kollektivvertrages und die Abwehr weiteren Flexibilisierung der Arbeitszeit kämpfen. Mit dem sechsten Abschluss in der Metallindustrie erreichten sie nach 14 Verhandlungen für alle sechs Metallbranchen das gleiche Ergebnis: 3,4 Prozent Erhöhung. Für Peter Scherz, GLB-Mitglied im Verhandlungskomitee der PRO-GE, der „Beweis, dass es den Unternehmern in Wirklichkeit nur um eine möglichst geringe Lohnerhöhung ging.“
Scherz hatte gegen den Abschluss gestimmt. Angesichts einer Inflationsrate von 2,7 Prozent, einem Produktivitätsanstieg von 6,6 Prozent und der um 7,2 Prozent auf 2,2 Mrd. Euro gestiegenen Gewinne ist das ein zu mageres Ergebnis. Die Erhöhung liegt weit unter der Inflationsrate für den wöchentlichen Einkauf, die im August 4,3 Prozent betrug.
“Kriegserklärung an alle Beschäftigten“
Gelungen war den Industriellen dieser Coup durch ein mehrstufiges Ablenkungsmanöver. Als erstes spalteten sie den gemeinsamen Rahmen der 40 Jahre bewährten KV-Gemeinschaft Metallindustrie und Bergbau. Trotz Rainer Wimmers richtiger Analyse, dass das eine „Kriegserklärung an alle Beschäftigten in Österreich“ sei, gab es von PRO-GE, GPA-djp und ÖGB nur verbalen Widerstand, die anderen Fachgewerkschaften blieben stumm.
Die Unternehmer witterten Morgenluft und überfielen die Beschäftigten mit der Forderung nach der Zerstörung des Kollektivvertrages: Sie „boten“ 2,26 Prozent an, 2,4 bis 2,6 Prozent nur dann, wenn über ihren „Beschäftigungspakt“ verhandelt würde. Darin forderten sie
• betrieblichen Arbeitszeitregelungen (Verbetrieblichung der KV-Politik)
• unterschiedliche Lohnhöhen in Betrieben, abhängig vom wirtschaftlichem Erfolg und Personalaufwand
• unterschiedliche Arbeitszeiten für jüngere und ältere Beschäftigte. Jüngere sollten länger arbeiten und dabei ihre Überstundenzuschläge verlieren, Ältere sollten Teilzeit arbeiten.
Schützenhilfe erhielten sie von der Industriellenvereinigung. Präsident Georg Kapsch hält flexiblere Arbeitszeitmodelle für einen „Schwerpunkt bei der notwendigen Veränderung von Beschäftigungsmustern“. Die Gewerkschaftsforderung von fünf Prozent war ihm zu hoch. Mit Einmalzahlungen und Konjunkturprämien könne man die Arbeitnehmer an der guten Entwicklung der Vergangenheit beteiligen.
Gleichzeitig führte die autoritäre Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfond (IWF) in Griechenland vor wie der europaweite Eingriff in die nationalen Kollektivverträge durchzusetzen ist. Bereits im Rahmen der EU-Lissabonziele wurde die Auflösung von Flächentarifverträgen und eine stärkere Berücksichtigung der Produktivitätsentwicklung und Ertragslage in den einzelnen Betrieben „empfohlen“.
Auch im EU-Sixpack von 2011 wurden die Kollektivverträge thematisiert. Die neoliberalen EU-Technokraten sehen darin ein Hindernis für die globale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Wird ein Land auf Grundlage des EU-Fiskalpakts einem wirtschaftlichen „Anpassungsprogramm“ unterworfen, wird aus der Empfehlung ein Pflichtprogramm, siehe Griechenland.
GLB-Betriebsratsmitglieder forderten eine bundesweite Konferenz aller Betriebsratsmitglieder. Bedauerlicherweise rief der Bundesvorstand der PRO-GE lediglich zu einer Konferenz der BR-Vorsitzenden und ihrer StellvertreterInnen auf. Die tausend BetriebsrätInnen wiesen die Angriffe auf den KV einstimmig zurück. Damit und mit über 300 Betriebsversammlungen – allerdings nur im Bereich Maschinen und Metallwaren - konnte der Versuch der Zerstörung des Kollektivvertrages abgewehrt werden. Vorerst wurde auch die Arbeitszeit nicht im Abschluss fixiert, aber vereinbarte technische Expertengruppen lassen nicht Gutes ahnen.
Widersprüchlicher Abwehrerfolg
So erleichtert Funktionäre und Beschäftigte darüber sind, dass die Aushöhlung oder gar Zerstörung der Kollektivverträge verhindert werden konnte, so bleibt leider festhalten, dass die Unternehmer aus dieser KV-Runde gestärkt hervorgehen. Freilich konnten sie ihr ursprünglich ins Auge gefasste Ziel, einen „Beschäftigungspakt“ zum Abbau von Arbeitsplätzen, nicht durchsetzen. Die Kampfkraft der Beschäftigten stand dagegen.
Wohl aber haben sie gelernt, dass sie beim Absenken der Lohnforderung Erfolge haben, wenn sie mit riesigen Geschützen, wie der drohenden Zerstörung der Kollektivität, auffahren. Vor allem wenn das gewerkschaftliche Verhandlungskomitee sich nicht entschließen kann, alle Kampfkraft in allen Betrieben zu mobilisieren. So setzten sie die ihnen genehmen 3,4 Prozent durch.
Die Gefahr einer Wiederholung ist groß. Andere Unternehmerverbände schlagen bereits härter zu. Im Frühjahr hat der bei der Lufthansa-Tochter AUA die Unternehmensleitung den Bord-KV aufgekündigt. Der Verband Österreichischer Zeitungen hat den Journalisten-KV gekündigt. Im Gastgewerbe wurde ein KV abgeschlossen, der in zwei Bundesländern nicht gilt. 2011 versuchte die Firma Securitas in Graz Leiharbeiter als Busfahrer einzuschleusen um den geltenden KV zu unterlaufen.
Ulrich Schuh vom ECO Austria Institut der Industriellenvereinigung sagt, wohin die Reise gehen soll: Laut „Standard“ will er es Deutschland gleichtun und plädiert für niedrigere Lohnabschlüsse, die Benya-Formel hält er für überholt. Wir GewerkschafterInnen und Beschäftigten tun gut daran, uns aus der Illusion der Sozialpartnerschaft zu lösen. Richtige Analysen und gute Argumente sind wichtig für die Mobilisierung – aber ohne Mobilisierung ist alles nichts.
Anne Rieger ist Stv. Vorsitzende des GLB-Steiermark