Kulturland Österreich: Für wen?
- Montag, 13. April 2015 @ 10:56
Brigitte Promberger über freie Kulturinitiativen
Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit (Karl Valentin). Österreich (speziell Salzburg) heftet sich an die Fahnen, Kulturland zu sein. Weltkulturerbe hier, Festspiele dort, Opernhäuser und Theater, weit über Landesgrenzen hinaus bekannt. Große Namen von Künstler_innen der Musik, Malerei und Literatur, von denen wir das Recht ableiten, auch nach der kulturlosesten aller Zeiten, die wir sieben Jahre mitbewirkten, uns als Kulturnation zu verstehen.
Bereits die Alliierten erkannten, wie notwendig eine rasche Wiedereröffnung kultureller Orte für die Bevölkerung war, sodass sie geflissentlich über das Vorhaben „Entnazifizierung“ hinwegsahen. Viktor Matejka, KPÖ Kulturstadtrat von 1945-1949, versuchte mit viel Energie, vertriebene Künstlerinnen und Künstler für eine Rückkehr nach Österreich zu gewinnen. Dass er mit seinem Engagement scheiterte, liegt daran, dass er der einzige (!) Politiker war, der diese Einladung aussprach.
Ab 1945 wurden Gesetze verabschiedet, die Bestehen und finanzielle Absicherung verschiedener Kulturhäuser sichern (Landes- und Bundestheater, Salzburger Festspiele, verschiedene Museen, Orchester, etc.).
Mit den 1970er Jahren kam die Generation der Nachgeborenen mit ihren Vorstellungen von Kunst und Kultur – frei von braunem Mief, abseits der Hochkultur. Weg vom Bewahren, hin zu Neuem. Experimentelles in Musik, Malerei und Literatur, was durchgehend auf Ablehnung stieß. Besetzungen von Orten (meist Abbruchgebäude) für die entstehende Szene – der Beginn der alternativen und freien Kulturinitiativen. Für eine gesellschaftliche und (kultur)politische Anerkennung brauchte es noch mehr als ein Jahrzehnt. Doch etwas, das in Bewegung geraten ist, lässt sich nicht so leicht mehr aufhalten.
Inzwischen sind allein im Bundesland Salzburg über 70 freie Kulturinitiativen aktiv. Unter frei versteht man alle Einrichtungen, die nicht gesetzlich verankert sind (von Schauspielhäusern bis zu kleinen Theatergruppen, Literaturhäuser, Konzertveranstalter, Kunstvereine etc.). Sie bilden eine breite Plattform für bezahlte Auftritte von etablierten Künstler_innen, leisten Pionierarbeit für neue Strömungen und junge Kunstschaffende. Darüber hinaus werden Workshops für Kinder, Jugendliche und Erwachsene geboten.
Mehrere Tausend Menschen arbeiten in Österreich in der freien Kultur, wenige Vollzeit, viele Teilzeit und/oder ehrenamtlich. Dazu kommt eine beträchtliche Zahl abhängiger Selbständiger (Technik, Equipment, Grafik).
2010 hat die Arbeiterkammer Salzburg den Arbeitsklimaindex Kulturbetriebe erstellt, 2012 wertete die IG-Kultur einen umfassenden Fragebogen zur Aktion Fair Pay im Kulturbereich aus. Die Motivation der im Kulturbereich Tätigen ist eine sehr hohe: Interesse an Kunst und Kultur, selbstbestimmtes Arbeiten, hohe Eigenverantwortlichkeit, Beitrag zu positiver Veränderung der Gesellschaft, flache Hierarchien, Teamarbeit. Unregelmäßige Arbeitszeiten erfordern hohe Flexibilität, was etwa zehn Prozent der Beschäftigten als belastend bewerten.
Wenig motivierend sind die Einkommen, die laut Auswertungen bei knapp sieben Prozent der Vollzeitbeschäftigten, bei 18,5 Prozent der Teilzeitbeschäftigten und bei 32 Prozent der geringfügig Beschäftigten nicht zum Auskommen reichen. Für über 50 Prozent jeder Beschäftigungsgruppe handelt es sich um ein gerade-noch-Auskommen. Auch im Kulturbereich liegen die Einkommen von Frauen unter denen von Männern, was an der höheren Teilzeitarbeit und an der Bewertung der Arbeitsbereiche liegt. Kollektivverträge gibt es nicht, jährliche Anpassungen ebenso wenig.
Die IG-Kultur hat das Gehaltsschema für Vereine der GPA-djp für Kulturvereine adaptiert und um die Forderung nach der 35-Stunden-Woche erweitert. Eine Umsetzung ist aufgrund der finanziellen Mittel, die den Vereinen zur Verfügung stehen, kaum möglich.
Von welchen Zahlen sprechen wir? Hier als Beispiel Salzburg. Die Stadt Salzburg hat im Budget 2015 das Kulturbudget verdoppelt, das nunmehr 6,20 Prozent des Gesamtbudgets ausmacht. 0,98 Prozent des Gesamtbudgets stehen der freien Kultur zur Verfügung. Das Land Salzburg erübrigt für Kultur 1,5 Prozent, 0,18 Prozent bleiben für freie Kultur.
Die von ÖGB und AK als Erfolg gefeierte sogenannte Steuerreform ändert nichts an der Verteilungsungerechtigkeit, im Gegenteil, es werden weitere Sparpakete geschnürt werden müssen. Bildung, Kultur, Gesundheit, Soziales ein Luxus, den Staat sich zunehmend nicht mehr leisten will?
Wer profitiert nun also vom Kulturland Österreich? Die Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen sind es wohl kaum. Und wäre da nicht die Wirtschaft, wer würde unser Kulturland so freudig bewerben? Die Tourismusbranche hat das für sich entdeckt. Wirtschaftsfaktor Kultur.
Brigitte Promberger ist Kulturarbeiterin und GLB-Arbeiterkammerrätin in Salzburg
Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit (Karl Valentin). Österreich (speziell Salzburg) heftet sich an die Fahnen, Kulturland zu sein. Weltkulturerbe hier, Festspiele dort, Opernhäuser und Theater, weit über Landesgrenzen hinaus bekannt. Große Namen von Künstler_innen der Musik, Malerei und Literatur, von denen wir das Recht ableiten, auch nach der kulturlosesten aller Zeiten, die wir sieben Jahre mitbewirkten, uns als Kulturnation zu verstehen.
Bereits die Alliierten erkannten, wie notwendig eine rasche Wiedereröffnung kultureller Orte für die Bevölkerung war, sodass sie geflissentlich über das Vorhaben „Entnazifizierung“ hinwegsahen. Viktor Matejka, KPÖ Kulturstadtrat von 1945-1949, versuchte mit viel Energie, vertriebene Künstlerinnen und Künstler für eine Rückkehr nach Österreich zu gewinnen. Dass er mit seinem Engagement scheiterte, liegt daran, dass er der einzige (!) Politiker war, der diese Einladung aussprach.
Ab 1945 wurden Gesetze verabschiedet, die Bestehen und finanzielle Absicherung verschiedener Kulturhäuser sichern (Landes- und Bundestheater, Salzburger Festspiele, verschiedene Museen, Orchester, etc.).
Mit den 1970er Jahren kam die Generation der Nachgeborenen mit ihren Vorstellungen von Kunst und Kultur – frei von braunem Mief, abseits der Hochkultur. Weg vom Bewahren, hin zu Neuem. Experimentelles in Musik, Malerei und Literatur, was durchgehend auf Ablehnung stieß. Besetzungen von Orten (meist Abbruchgebäude) für die entstehende Szene – der Beginn der alternativen und freien Kulturinitiativen. Für eine gesellschaftliche und (kultur)politische Anerkennung brauchte es noch mehr als ein Jahrzehnt. Doch etwas, das in Bewegung geraten ist, lässt sich nicht so leicht mehr aufhalten.
Inzwischen sind allein im Bundesland Salzburg über 70 freie Kulturinitiativen aktiv. Unter frei versteht man alle Einrichtungen, die nicht gesetzlich verankert sind (von Schauspielhäusern bis zu kleinen Theatergruppen, Literaturhäuser, Konzertveranstalter, Kunstvereine etc.). Sie bilden eine breite Plattform für bezahlte Auftritte von etablierten Künstler_innen, leisten Pionierarbeit für neue Strömungen und junge Kunstschaffende. Darüber hinaus werden Workshops für Kinder, Jugendliche und Erwachsene geboten.
Mehrere Tausend Menschen arbeiten in Österreich in der freien Kultur, wenige Vollzeit, viele Teilzeit und/oder ehrenamtlich. Dazu kommt eine beträchtliche Zahl abhängiger Selbständiger (Technik, Equipment, Grafik).
2010 hat die Arbeiterkammer Salzburg den Arbeitsklimaindex Kulturbetriebe erstellt, 2012 wertete die IG-Kultur einen umfassenden Fragebogen zur Aktion Fair Pay im Kulturbereich aus. Die Motivation der im Kulturbereich Tätigen ist eine sehr hohe: Interesse an Kunst und Kultur, selbstbestimmtes Arbeiten, hohe Eigenverantwortlichkeit, Beitrag zu positiver Veränderung der Gesellschaft, flache Hierarchien, Teamarbeit. Unregelmäßige Arbeitszeiten erfordern hohe Flexibilität, was etwa zehn Prozent der Beschäftigten als belastend bewerten.
Wenig motivierend sind die Einkommen, die laut Auswertungen bei knapp sieben Prozent der Vollzeitbeschäftigten, bei 18,5 Prozent der Teilzeitbeschäftigten und bei 32 Prozent der geringfügig Beschäftigten nicht zum Auskommen reichen. Für über 50 Prozent jeder Beschäftigungsgruppe handelt es sich um ein gerade-noch-Auskommen. Auch im Kulturbereich liegen die Einkommen von Frauen unter denen von Männern, was an der höheren Teilzeitarbeit und an der Bewertung der Arbeitsbereiche liegt. Kollektivverträge gibt es nicht, jährliche Anpassungen ebenso wenig.
Die IG-Kultur hat das Gehaltsschema für Vereine der GPA-djp für Kulturvereine adaptiert und um die Forderung nach der 35-Stunden-Woche erweitert. Eine Umsetzung ist aufgrund der finanziellen Mittel, die den Vereinen zur Verfügung stehen, kaum möglich.
Von welchen Zahlen sprechen wir? Hier als Beispiel Salzburg. Die Stadt Salzburg hat im Budget 2015 das Kulturbudget verdoppelt, das nunmehr 6,20 Prozent des Gesamtbudgets ausmacht. 0,98 Prozent des Gesamtbudgets stehen der freien Kultur zur Verfügung. Das Land Salzburg erübrigt für Kultur 1,5 Prozent, 0,18 Prozent bleiben für freie Kultur.
Die von ÖGB und AK als Erfolg gefeierte sogenannte Steuerreform ändert nichts an der Verteilungsungerechtigkeit, im Gegenteil, es werden weitere Sparpakete geschnürt werden müssen. Bildung, Kultur, Gesundheit, Soziales ein Luxus, den Staat sich zunehmend nicht mehr leisten will?
Wer profitiert nun also vom Kulturland Österreich? Die Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen sind es wohl kaum. Und wäre da nicht die Wirtschaft, wer würde unser Kulturland so freudig bewerben? Die Tourismusbranche hat das für sich entdeckt. Wirtschaftsfaktor Kultur.
Brigitte Promberger ist Kulturarbeiterin und GLB-Arbeiterkammerrätin in Salzburg