Klubzwang als Zwangsjacke
- Montag, 24. November 2014 @ 11:06
Karin Antlanger über SpitzengewerkschafterInnen in der Politik
Vier MinisterInnen aus der Gewerkschaft: Hundstorfer, Klug, Stöger, Oberhauser. Ist Österreich ein Paradies für ArbeiterInnen und Angestellte? Die BeamtInnen bitte nicht vergessen, kommen doch drei der vier Genannten aus dieser Gruppe. Oder werden GewerkschafterInnen in die Regierung „entsorgt“, um innerhalb des ÖGB Platz für die Nachdrängenden freizumachen? Aber nicht nur in der Regierung, auch im Parlament tummeln sich SpitzengewerkschafterInnen als Abgeordnete: Katzian, Keck, Schopf, Muchitsch, Wimmer, um nur einige zu nennen.
Gewerkschaftsanliegen kontra Parteiräson
Der ÖGB wurde 1945 von Vertretern der SPÖ, ÖVP und KPÖ, also den drei Gründungsparteien, die nach der Befreiung Österreichs vom Faschismus dazu legitimiert waren den demokratischen Wiederaufbau einzuleiten, gegründet. Der Einfluss bzw. Machtanspruch von politischen Parteien innerhalb des ÖGB hat also historische Wurzeln, die vor beinahe 70 Jahren Sinn und nachvollziehbare Funktion hatten, heute jedoch demokratiepolitisch nicht mehr zeitgemäß sind.
Denn der Klubzwang führt das verfassungsrechtlich geschützte freie Mandat der ParlamentarierInnen (Art. 56 B-VG) ad absurdum. Wer sich nicht an den Klubzwang hält, muss gehen. So geschehen etwa mit Sonja Ablinger, die es als einzige SP-Abgeordnete wagte, gegen den EU-Fiskalpakt zu stimmen und dies auch zu begründen. Die Rache der Parteiführung kam prompt: sie wurde bei der letzten NR-Wahl auf einen unsicheren Listenplatz gereiht.
Und als sie heuer der verstorbenen Barbara Prammer nachfolgen sollte, wurde sie vom linientreuen Metallgewerkschafter Schopf auf der Liste nicht „vorgelassen“. Auf die Einhaltung der Frauenquote wurde dabei obendrein gepfiffen. Der oö LH-Stv. Reinhold Entholzer, ein Eisenbahnergewerkschafter, meinte süffisant „Die Rache der Frauen wird nicht furchtbar sein.“ Womit er möglicherweise sogar Recht hat, finden sich doch immer wieder genug linientreue Frauen, die hoffen, auch irgendwann an den Futtertrog der gut bezahlten Ämter und Posten rangelassen zu werden.
Gegen den Klubzwang zu stimmen wird also mit Rausschmiss abgestraft. Drum ist es offensichtlich das Maximum, was von GewerkschafterInnen erwartet werden darf, nämlich dass sie im Nationalrat bei einer heiklen Abstimmung „zufällig“ aufs Klo verschwinden oder sich krankheitshalber entschuldigen lassen. Können sie dann doch immer behaupten, bei dieser Abstimmung „leider“ nicht dabei gewesen zu sein.
Raus aus dem Klubzwang!
2008 überlegte der damalige SP-Chef Gusenbauer, keine GewerkschafterInnen mehr auf den Wahlvorschlag zu setzen. Diese Idee war demokratiepolitisch höchst abwegig, würde dies doch bedeuten, dass einer Gruppe von Menschen aufgrund ihrer Gewerkschaftsfunktion das passive Wahlrecht abgesprochen wird. Das Problem sind nicht die GewerkschafterInnen im Parlament sondern deren (Selbst)Verpflichtung zum Klubzwang. Wir brauchen InteressenvertreterInnen und keine ParteisoldatInnen.
Und das Nationalratsmandat geht auch über die Kernkompetenz der GewerkschafterInnen hinaus. Es geht nicht nur um Kollektivverträge, Arbeitsverfassungsgesetz und Sozialversicherung – Gewerkschaftspolitik hat auch ein allgemeines politisches, soziales, wirtschaftliches und kulturelles Mandat einzuschließen.
Die Medien trommeln, dass wir uns den Sozialstaat nicht mehr leisten können, dass die Alten und Pflegebedürftigen immer mehr werden usw. Gleichzeitig seien die öffentlichen Kassen leer, weil wir die Banken retten mussten und die Wirtschaft nicht richtig in Gang komme. Fazit: Es muss bei den sozialstaatlichen Ausgaben gespart werden. Und sparen kann man da in erster Linie nur beim Personal, also bei den Altenfachbetreuerinnen, den Sozialarbeiterinnen, den Gesundheits-und Krankenpflegerinnen, den Kindergärtnerinnen, den Heilpädagoginnen, den Therapeutinnen, den Behindertenbetreuerinnen usw.
Beispiel Sozialwirtschaft
Da ist es doch praktisch, wenn führende GewerkschafterInnen drauf achten, dass die entsprechenden Kollektivverträge von Caritas, Diakonie, Sozialwirtschaft (BAGS) u.a.m. „nicht in den Himmel wachsen“. Da ist es doch „praktisch“, wenn der GPA-Verhandlungsführer der Sozialwirtschaft Österreich, Klaus Zenz, gleichzeitig auch Obmann des Sozialausschusses des Landtages der Steiermark ist.
Als solcher hat er nämlich drauf zu achten, dass die Löhne und Gehälter möglichst niedrig bleiben, damit dem Land die „Kosten nicht davonlaufen“. Wie er beide Positionen unter einen Hut bringt, ist leicht zu erraten: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Will heißen, dass der Bezug als Abgeordneter sicherlich besser ist, als die paar Euro für den WB-Vorsitz in der GPA. Ein Schelm ist, wer da an Unvereinbarkeit denkt.
2015 wird der ÖGB 70 Jahre alt. Neben den zu erwartenden Jubelfeiern, die natürlich auch sein sollen und müssen, wäre eine politische Selbstreflexion mehr als angebracht. Die Steigbügelhalterfunktionen für die Regierung aufgeben und den Sprung raus aus dem parteipolitischen Abstellkammerl wagen – das wäre vielleicht eine Überlebensstrategie für den ÖGB.
Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und Betriebsrätin bei EXIT-sozial Linz
Vier MinisterInnen aus der Gewerkschaft: Hundstorfer, Klug, Stöger, Oberhauser. Ist Österreich ein Paradies für ArbeiterInnen und Angestellte? Die BeamtInnen bitte nicht vergessen, kommen doch drei der vier Genannten aus dieser Gruppe. Oder werden GewerkschafterInnen in die Regierung „entsorgt“, um innerhalb des ÖGB Platz für die Nachdrängenden freizumachen? Aber nicht nur in der Regierung, auch im Parlament tummeln sich SpitzengewerkschafterInnen als Abgeordnete: Katzian, Keck, Schopf, Muchitsch, Wimmer, um nur einige zu nennen.
Gewerkschaftsanliegen kontra Parteiräson
Der ÖGB wurde 1945 von Vertretern der SPÖ, ÖVP und KPÖ, also den drei Gründungsparteien, die nach der Befreiung Österreichs vom Faschismus dazu legitimiert waren den demokratischen Wiederaufbau einzuleiten, gegründet. Der Einfluss bzw. Machtanspruch von politischen Parteien innerhalb des ÖGB hat also historische Wurzeln, die vor beinahe 70 Jahren Sinn und nachvollziehbare Funktion hatten, heute jedoch demokratiepolitisch nicht mehr zeitgemäß sind.
Denn der Klubzwang führt das verfassungsrechtlich geschützte freie Mandat der ParlamentarierInnen (Art. 56 B-VG) ad absurdum. Wer sich nicht an den Klubzwang hält, muss gehen. So geschehen etwa mit Sonja Ablinger, die es als einzige SP-Abgeordnete wagte, gegen den EU-Fiskalpakt zu stimmen und dies auch zu begründen. Die Rache der Parteiführung kam prompt: sie wurde bei der letzten NR-Wahl auf einen unsicheren Listenplatz gereiht.
Und als sie heuer der verstorbenen Barbara Prammer nachfolgen sollte, wurde sie vom linientreuen Metallgewerkschafter Schopf auf der Liste nicht „vorgelassen“. Auf die Einhaltung der Frauenquote wurde dabei obendrein gepfiffen. Der oö LH-Stv. Reinhold Entholzer, ein Eisenbahnergewerkschafter, meinte süffisant „Die Rache der Frauen wird nicht furchtbar sein.“ Womit er möglicherweise sogar Recht hat, finden sich doch immer wieder genug linientreue Frauen, die hoffen, auch irgendwann an den Futtertrog der gut bezahlten Ämter und Posten rangelassen zu werden.
Gegen den Klubzwang zu stimmen wird also mit Rausschmiss abgestraft. Drum ist es offensichtlich das Maximum, was von GewerkschafterInnen erwartet werden darf, nämlich dass sie im Nationalrat bei einer heiklen Abstimmung „zufällig“ aufs Klo verschwinden oder sich krankheitshalber entschuldigen lassen. Können sie dann doch immer behaupten, bei dieser Abstimmung „leider“ nicht dabei gewesen zu sein.
Raus aus dem Klubzwang!
2008 überlegte der damalige SP-Chef Gusenbauer, keine GewerkschafterInnen mehr auf den Wahlvorschlag zu setzen. Diese Idee war demokratiepolitisch höchst abwegig, würde dies doch bedeuten, dass einer Gruppe von Menschen aufgrund ihrer Gewerkschaftsfunktion das passive Wahlrecht abgesprochen wird. Das Problem sind nicht die GewerkschafterInnen im Parlament sondern deren (Selbst)Verpflichtung zum Klubzwang. Wir brauchen InteressenvertreterInnen und keine ParteisoldatInnen.
Und das Nationalratsmandat geht auch über die Kernkompetenz der GewerkschafterInnen hinaus. Es geht nicht nur um Kollektivverträge, Arbeitsverfassungsgesetz und Sozialversicherung – Gewerkschaftspolitik hat auch ein allgemeines politisches, soziales, wirtschaftliches und kulturelles Mandat einzuschließen.
Die Medien trommeln, dass wir uns den Sozialstaat nicht mehr leisten können, dass die Alten und Pflegebedürftigen immer mehr werden usw. Gleichzeitig seien die öffentlichen Kassen leer, weil wir die Banken retten mussten und die Wirtschaft nicht richtig in Gang komme. Fazit: Es muss bei den sozialstaatlichen Ausgaben gespart werden. Und sparen kann man da in erster Linie nur beim Personal, also bei den Altenfachbetreuerinnen, den Sozialarbeiterinnen, den Gesundheits-und Krankenpflegerinnen, den Kindergärtnerinnen, den Heilpädagoginnen, den Therapeutinnen, den Behindertenbetreuerinnen usw.
Beispiel Sozialwirtschaft
Da ist es doch praktisch, wenn führende GewerkschafterInnen drauf achten, dass die entsprechenden Kollektivverträge von Caritas, Diakonie, Sozialwirtschaft (BAGS) u.a.m. „nicht in den Himmel wachsen“. Da ist es doch „praktisch“, wenn der GPA-Verhandlungsführer der Sozialwirtschaft Österreich, Klaus Zenz, gleichzeitig auch Obmann des Sozialausschusses des Landtages der Steiermark ist.
Als solcher hat er nämlich drauf zu achten, dass die Löhne und Gehälter möglichst niedrig bleiben, damit dem Land die „Kosten nicht davonlaufen“. Wie er beide Positionen unter einen Hut bringt, ist leicht zu erraten: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Will heißen, dass der Bezug als Abgeordneter sicherlich besser ist, als die paar Euro für den WB-Vorsitz in der GPA. Ein Schelm ist, wer da an Unvereinbarkeit denkt.
2015 wird der ÖGB 70 Jahre alt. Neben den zu erwartenden Jubelfeiern, die natürlich auch sein sollen und müssen, wäre eine politische Selbstreflexion mehr als angebracht. Die Steigbügelhalterfunktionen für die Regierung aufgeben und den Sprung raus aus dem parteipolitischen Abstellkammerl wagen – das wäre vielleicht eine Überlebensstrategie für den ÖGB.
Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und Betriebsrätin bei EXIT-sozial Linz