Kein Paket für gute Laune
- Samstag, 18. Februar 2017 @ 08:35
Leo Furtlehner über den Koalitionspakt Neu
Letztlich kann es auch Minister Sobotka nicht schwergefallen sein, das Update des Koalitionspaktes zu unterschreiben. Hat sich doch bei den Inhalten seine ÖVP voll durchgesetzt. Im 36-Seiten-Papier entfallen von 76 Punkten und Unterpunkten 29 auf die Wirtschaft und 25 auf die Sicherheit, der Rest sind Marginalien zu Bildung, Energie und Verwaltung. Vom „Programm für Wohlstand, Sicherheit & gute Laune“, sprich „Plan A“, den SPÖ-Chef Kern im Jänner in Wels großspurig als Befreiungsschlag gegen den widerspenstigen Koalitionspartner präsentierte, ist nicht viel geblieben. Von guter Laune erst gar nicht zu reden.
Als früherer CEO ist es Kern gewohnt anzuschaffen. Dass dies in einer Koalition mit einem annähernd gleichstarken Partner nicht so läuft wie bei den ÖBB, macht ihm wohl zu schaffen. Per Ultimatum hoffte er wohl, dass ihm die ÖVP einen Anlass für Neuwahlen liefert, wofür freilich auch in der SPÖ wenig Begeisterung vorhanden ist. Kern hat hoch gepokert, im Ergebnis allerdings der eigenen Partei einen Schuss ins Knie verpasst, da ihm die ÖVP keinen Anlass für Neuwahlen geliefert hat.
Beim Koalitionspakt Neu hat sich die ÖVP durchgesetzt. Vizekanzler Mitterlehner – im innerparteilichen Abwehrkampf gegen den Kurz-Flügel befindlich – kann sich freuen, dass im Kapitel Wirtschaft viele Forderungen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung verankert sind und gilt vorerst sogar gestärkt. Beim Kapital Sicherheit wiederum haben die Strache-Agenten in der rot-schwarzen Regierung – Sobotka, Kurz & Doskozil – viele FPÖ-Forderungen durchgesetzt.
Die rote Handschrift hingegen ist nicht einmal in Spurenelementen vorhanden. Was freilich nicht verwundert, ist doch schon Kerns „Plan A“ eine Hinwendung zu noch mehr neoliberaler Politik. Vermögenssteuern oder Wertschöpfungsabgabe sind für Kern & Co. wohl nur Schlaftabletten, um das verunsicherte Parteivolk zu beruhigen.
Wem nützt es?
Diese Frage ist auch bei einem Regierungsprogramm zu stellen. Auch bei großzügiger Auslegung finden sich nur wenige Fortschritte für Lohnabhängige, Prekarisierte oder Pensionist_innen. Da wird etwa die Förderung älterer Arbeitnehmer_innen betont – zuvor aber der Kündigungsschutz für die Altersgruppe 50+ gelockert. Oder es wird die Studienplatzfinanzierung beschworen – zuvor aber der freie Hochschulzugang eingeschränkt. Da wird eine Beschäftigungsoffensive angekündigt – die durch Senkung der Lohnnebenkosten und damit Ausdünnung des Sozialstaates finanziert werden soll.
Dazu kommen Hämmer wie noch mehr Flexibilisierung, sprich 12-Stundentag ohne Überstundenzuschläge oder der Einstieg privater Investoren bei Wohnungsgenossenschaften, sprich die Unterminierung des sozialen Wohnbaus. Ganz auf FPÖ-Linie die „Eindämmung“ des Zuzugs ausländischer Arbeitskräfte, auf jener der WKO die Verschärfung bei der Zumutbarkeit von Jobs. Auch für die Gleichberechtigung der Frauen tut die Regierung etwas, freilich nicht bei der Angleichung der Einkommen, sondern durch eine Frauenquote in ATC-Unternehmen ab tausend Beschäftigten.
Weil weder Gewerkschaft noch Wirtschaftskammer einen solchen per Gesetz wollen, liegt der Ball bei den Sozialpartnern. Völlig vergessen hat dabei der ÖGB seine eigene Forderung nach 1.700 Euro brutto Mindestlohn für Vollzeitarbeit, man tut jetzt so, als wären 1.500 Euro brutto (1.199 Euro netto) das Gelbe vom Ei.
Zur Ablenkung von der ökonomischen und sozialen Tristesse läßt die Regierung beim Thema Sicherheit die Sau raus. Noch mehr Überwachung und Bespitzelung mit Innenminister Sobotka als Mini-Metternich, eine noch rigidere Asylpolitik – Flüchtlinge als Billigarbeitskräfte inklusive – sind die Kernpunkte dabei. Als Placebo ganz nach dem Geschmack der FPÖ dienen ein Vollverschleierungsverbot – ganz so als ob islamistische Terroristen in Burka auftreten würden – und ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Wenn aber von einem „Neutralitätsgebot des Staates“ die Rede ist, was haben dann Kreuze in Schulklassen oder Gerichten zu suchen?
Die Maßnahmen sollen vier Milliarden Euro kosten, davon 2,8 Mrd. durch Einsparungen. Ob die restlichen 1,2 Mrd. durch die berühmten Konjunktureffekte finanziert werden können, ist ein Wunschkonzert. Sicher ist jedenfalls, dass die Regierung nicht bei den großen Vermögen oder den Profiten der Kapitalgesellschaften zugreifen will. Die Umverteilung von unten nach oben wird also fortgesetzt.
Frei nach Hermann Hesse galt für den Amtsantritt von Kanzler Kern „Allem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Warum allerdings in der SPÖ immer noch eine Kern-Euphorie vorhanden ist, nachdem sich dieser längst entzaubert hat, muss wohl einem politischen Masochismus geschuldet sein. Es spricht freilich für den Zustand einer Partei, wenn das höchste der Gefühle für die Mitglieder ein Selfie mit dem Kanzler ist.
Wie lange das neue Arbeitsprogramm hält ist offen. Die Zündler sind bekanntlich in beiden Regierungsparteien unterwegs. Die Optionen bei einer vorzeitigen Neuwahl sind freilich begrenzt. Außer blau-schwarz bleibt nur die Öffnung der SPÖ in Richtung FPÖ, denn bei einer Wiederauflage von rot-schwarz müsste man sich zu Recht fragen, wozu der ganze Theaterdonner.
Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“
Letztlich kann es auch Minister Sobotka nicht schwergefallen sein, das Update des Koalitionspaktes zu unterschreiben. Hat sich doch bei den Inhalten seine ÖVP voll durchgesetzt. Im 36-Seiten-Papier entfallen von 76 Punkten und Unterpunkten 29 auf die Wirtschaft und 25 auf die Sicherheit, der Rest sind Marginalien zu Bildung, Energie und Verwaltung. Vom „Programm für Wohlstand, Sicherheit & gute Laune“, sprich „Plan A“, den SPÖ-Chef Kern im Jänner in Wels großspurig als Befreiungsschlag gegen den widerspenstigen Koalitionspartner präsentierte, ist nicht viel geblieben. Von guter Laune erst gar nicht zu reden.
Als früherer CEO ist es Kern gewohnt anzuschaffen. Dass dies in einer Koalition mit einem annähernd gleichstarken Partner nicht so läuft wie bei den ÖBB, macht ihm wohl zu schaffen. Per Ultimatum hoffte er wohl, dass ihm die ÖVP einen Anlass für Neuwahlen liefert, wofür freilich auch in der SPÖ wenig Begeisterung vorhanden ist. Kern hat hoch gepokert, im Ergebnis allerdings der eigenen Partei einen Schuss ins Knie verpasst, da ihm die ÖVP keinen Anlass für Neuwahlen geliefert hat.
Beim Koalitionspakt Neu hat sich die ÖVP durchgesetzt. Vizekanzler Mitterlehner – im innerparteilichen Abwehrkampf gegen den Kurz-Flügel befindlich – kann sich freuen, dass im Kapitel Wirtschaft viele Forderungen von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung verankert sind und gilt vorerst sogar gestärkt. Beim Kapital Sicherheit wiederum haben die Strache-Agenten in der rot-schwarzen Regierung – Sobotka, Kurz & Doskozil – viele FPÖ-Forderungen durchgesetzt.
Die rote Handschrift hingegen ist nicht einmal in Spurenelementen vorhanden. Was freilich nicht verwundert, ist doch schon Kerns „Plan A“ eine Hinwendung zu noch mehr neoliberaler Politik. Vermögenssteuern oder Wertschöpfungsabgabe sind für Kern & Co. wohl nur Schlaftabletten, um das verunsicherte Parteivolk zu beruhigen.
Wem nützt es?
Diese Frage ist auch bei einem Regierungsprogramm zu stellen. Auch bei großzügiger Auslegung finden sich nur wenige Fortschritte für Lohnabhängige, Prekarisierte oder Pensionist_innen. Da wird etwa die Förderung älterer Arbeitnehmer_innen betont – zuvor aber der Kündigungsschutz für die Altersgruppe 50+ gelockert. Oder es wird die Studienplatzfinanzierung beschworen – zuvor aber der freie Hochschulzugang eingeschränkt. Da wird eine Beschäftigungsoffensive angekündigt – die durch Senkung der Lohnnebenkosten und damit Ausdünnung des Sozialstaates finanziert werden soll.
Dazu kommen Hämmer wie noch mehr Flexibilisierung, sprich 12-Stundentag ohne Überstundenzuschläge oder der Einstieg privater Investoren bei Wohnungsgenossenschaften, sprich die Unterminierung des sozialen Wohnbaus. Ganz auf FPÖ-Linie die „Eindämmung“ des Zuzugs ausländischer Arbeitskräfte, auf jener der WKO die Verschärfung bei der Zumutbarkeit von Jobs. Auch für die Gleichberechtigung der Frauen tut die Regierung etwas, freilich nicht bei der Angleichung der Einkommen, sondern durch eine Frauenquote in ATC-Unternehmen ab tausend Beschäftigten.
Weil weder Gewerkschaft noch Wirtschaftskammer einen solchen per Gesetz wollen, liegt der Ball bei den Sozialpartnern. Völlig vergessen hat dabei der ÖGB seine eigene Forderung nach 1.700 Euro brutto Mindestlohn für Vollzeitarbeit, man tut jetzt so, als wären 1.500 Euro brutto (1.199 Euro netto) das Gelbe vom Ei.
Zur Ablenkung von der ökonomischen und sozialen Tristesse läßt die Regierung beim Thema Sicherheit die Sau raus. Noch mehr Überwachung und Bespitzelung mit Innenminister Sobotka als Mini-Metternich, eine noch rigidere Asylpolitik – Flüchtlinge als Billigarbeitskräfte inklusive – sind die Kernpunkte dabei. Als Placebo ganz nach dem Geschmack der FPÖ dienen ein Vollverschleierungsverbot – ganz so als ob islamistische Terroristen in Burka auftreten würden – und ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst. Wenn aber von einem „Neutralitätsgebot des Staates“ die Rede ist, was haben dann Kreuze in Schulklassen oder Gerichten zu suchen?
Die Maßnahmen sollen vier Milliarden Euro kosten, davon 2,8 Mrd. durch Einsparungen. Ob die restlichen 1,2 Mrd. durch die berühmten Konjunktureffekte finanziert werden können, ist ein Wunschkonzert. Sicher ist jedenfalls, dass die Regierung nicht bei den großen Vermögen oder den Profiten der Kapitalgesellschaften zugreifen will. Die Umverteilung von unten nach oben wird also fortgesetzt.
Frei nach Hermann Hesse galt für den Amtsantritt von Kanzler Kern „Allem Anfang wohnt ein Zauber inne“. Warum allerdings in der SPÖ immer noch eine Kern-Euphorie vorhanden ist, nachdem sich dieser längst entzaubert hat, muss wohl einem politischen Masochismus geschuldet sein. Es spricht freilich für den Zustand einer Partei, wenn das höchste der Gefühle für die Mitglieder ein Selfie mit dem Kanzler ist.
Wie lange das neue Arbeitsprogramm hält ist offen. Die Zündler sind bekanntlich in beiden Regierungsparteien unterwegs. Die Optionen bei einer vorzeitigen Neuwahl sind freilich begrenzt. Außer blau-schwarz bleibt nur die Öffnung der SPÖ in Richtung FPÖ, denn bei einer Wiederauflage von rot-schwarz müsste man sich zu Recht fragen, wozu der ganze Theaterdonner.
Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“