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Kanzler und Krawall

  • Samstag, 16. April 2016 @ 16:50
Meinung Leo Furtlehner über gefinkelte Medienfinanzierung

Dass die Medien als vierte Macht im Staate maßgeblich zur Meinungsbildung beitragen ist ja kein Geheimnis. Und schier unendlich sind die Lobeshymnen auf die „freie Presse“ und die Meinungsfreiheit. Andererseits gilt aber grundsätzlich nach wie vor, dass „die Pressefreiheit die Freiheit von 200 reichen Leuten ist, ihre Meinung zu verbreiten“ (Paul Sethe). Gilt der formal öffentlich-rechtliche und gebührenfinanzierte ORF als in höchsten Maße parteipolitischen Einflüssen ausgesetzte Institution, so finanzieren sich private Medien überwiegend via Inserate und sind daher auf das Wohlwollen der Geschäftswelt angewiesen mit der man es sich nicht verderben will.

Aber auch bei privaten Medien ist die politische Einflussnahme nicht zu unterschätzen. Etwa wenn 2015 die öffentliche Hand 188 Mio. Euro für Inserate und Werbekampagnen ausgab, davon allein die Stadt Wien 46 Mio. Euro. Den Großteil der Inseratengelder erhielten mit 51 Mio. Euro die Krawallblätter „Krone“ (22,6), „Österreich“ (14.0) und „heute“ (14,4), das ist mehr als fünfmal so viel wie die gesamte gesetzliche Presseförderung von 8,9 Mio. Euro.

Das System, „geneigte“ Medien mit Inseratenaufträgen aus Steuergeldern zu füttern, wurde von Kanzler Werner Faymann schon in seiner früheren Funktion als Wiener Wohnbaustadtrat zur Perfektion entwickelt. Pikant wird das Ganze freilich, wenn es um den „Ehrenkodex“ der „freien Presse“ geht. 2015 behandelte der Presserat 253 Beschwerden, dabei wurden 35 Verstöße gegen den Ehrenkodex und neunmal geringfügige Fehler festgestellt. Von den 35 Verstößen erfolgten allein 19 von der „Kronenzeitung“, neun von „Österreich“ und sieben von „heute“, also jener drei Printmedien die eine Mitgliedschaft im Presserat nachdrücklich verweigern.

Wie Krawallblätter ihre Funktion definieren wird daran deutlich, wenn sie kampagnisieren. Sehen sich selbst als „seriös“ definierende Medien nicht als politische Akteure, so verschwimmen diese Grenzen beim Boulevard sehr schnell. Ein Beispiel lieferte 2014 die „Kronenzeitung“ in Oberösterreich, als sie sieben Tage durchgehend tagtäglich in ihrer Schlagzeile die Stimmung gegen bettelnde Menschen schürte.

Abgestimmt war das Ganze mit der FPÖ, die sich bekanntlich als Vorreiter in dieser Causa gebärdet. Und „zufällig“ erfolgte diese Kampagne im Vorfeld eines Landtagsbeschlusses zur Verschärfung des 2011 beschlossenen Bettelverbotes. Die Kampagne war schlussendlich sehr erfolgreich: Nicht nur, dass ÖVP und FPÖ in trauter Eintracht die Verschärfung des Bettelverbotes beschlossen, ihnen schloss sich auch die SPÖ an, die 2011 noch ihre Zustimmung verweigert hatte.

Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“