Ist der Preis zu billig, wirst du leicht betrogen
- Donnerstag, 19. November 2015 @ 16:58
Lahouri El Fontroussi zum Thema Vergabe
Hierzulande ist zwar schon länger bekannt, dass billig nicht immer günstig ist, aber in guter österreichischer Tradition gilt natürlich die Unschuldsvermutung und deswegen darf es dann schon etwas billig sein oder noch besser: billigst. Dieser Überlegung dürfte der Gesetzgeber gefolgt sein, als er festlegte, dass der Zuschlag dem Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen ist, also dem Billigstbieter. Das Bundesvergabegesetz mit 351 Paragrafen und 20 Anhängen in einem Satz zusammenzufassen ist natürlich problematisch, auch weil aufgrund von Ausnahmeregelungen und Schwellenwerten nicht offene Verfahren ohne vorige Bekanntgabe möglich sind. Der öffentliche Auftraggeber entscheidet also, auch geheim, über die Vergabe.
Das Zugeständnis, den Billigstbieter zu wählen, soll wohl einen verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeldern suggerieren. Wenn allerdings auf einer Seite gespart wird, fehlt woanders etwas. Die Folge eines Billigstbieter-Prinzips sind Lohn- und Sozialdumping auf Kosten der ArbeitnehmerInnenschaft, die dann mit ihren geleisteten Steuern sogar die eigene Ausbeutung mitfinanziert. Darüber hinaus wird ein nicht unbeachtlicher Teil der Auftragssummen dank kreativer Unternehmensstrukturen dem Geldumlauf entzogen.
Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDB-G) ist eine Sammlung von Novellierungen in fünf Gesetzestexten. Die größte Errungenschaft ist die Einrichtung eines Kompetenzzentrums, das jedes Jahr feststellt, dass es Lohn- und Sozialdumping in Österreich gibt, dass zwar einige Fälle aufgedeckt werden, und dass es aber viel mehr davon gibt.
Die Baubranche mit ihrer unübersichtlichen, aber erlaubten Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmen ist besonders betroffen. So sind Menschen aus Osteuropa als neue selbstständige HilfsarbeiterInnen auf österreichischen Baustellen tätig und Personalvermittlungsfirmen in Billiglohnländern behalten als Provision einen nicht unbeachtlichen Teil des Lohnes ein. Dass sich das für die so ausgebeuteten Menschen trotzdem rechnet, liegt an dem niedrigen Lohnniveau ihrer Ursprungsländer.
Ein prominenter Fall war die Auftragsvergabe für die Herstellung der neuen U-Bahn-Garnituren. Ein Angebotsleger hat geltend gemacht, dass Produktionsabläufe in Österreich liegen, dass Lehrlinge ausgebildet und freiwillige soziale Leistungen erbracht werden, also versucht, die Wertschöpfungskette in Österreich zu halten und fair zu seinen MitarbeiterInnen zu sein. Solche Argumente fallen allerdings nicht ins Gewicht, wenn der niedrigste Preis zählt. Dass ausgebildeten Lehrlinge und ein Teil der Belegschaft der Firma, auch der mit ihr verbundenen Unternehmen, freigesetzt werden und dadurch keine Sozialversicherungsbeiträge, noch Steuern in Österreich leisten, sondern nun Versicherungs- und Transferleistungen beziehen, wurde in der Logik des Billigstpreises nicht berücksichtigt.
Beschäftigte im Teil des Dienstleistungssektors, der von öffentlichen Aufträgen abhängig ist, geraten ebenfalls unter Druck. Um möglichst billige Angebote abgeben zu können, wird vor allem bei den Personal- und Materialkosten gespart: Arbeitsverdichtung durch Personalnotstand, Streichung von freiwilligen sozialen Leistungen, ungenügend zur Verfügung gestelltes Arbeitsmaterial usw. Sogar arbeitsrechtlichen Standards werden missachtet: bis zur Gesundheitsgefährdung schlecht ausgestattete Arbeitsplätze, Verweigerung der Gewährung von kollektivvertraglichen Ansprüchen, unbezahlte Mehr- und Überstunden u.ä. Aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes werden Rechte nicht eingefordert, geschweige denn eingeklagt.
Die Qualität der Arbeitsplätze, wie auch die Qualität der geleisteten Arbeit, leidet darunter. Diese Vergabestrategie verursacht hohe Folgekosten und oft wäre es billiger gewesen, wenn gleich ein fairer Preis gezahlt worden wäre. Bauprojekte die sich als Millionengräber herausstellen, weil die Reparatur des Pfusches die Kosten in die Höhe treiben, sind noch harmlos gegen die Vorstellung, welche Gräber ein Billigstbieter im Sozial- und Gesundheitswesen verursacht.
Einige Fachgewerkschaften nehmen sich dieses Themas an, aber ein koordiniertes Vorgehen des ÖGB fehlt noch. GPA-djp, Bau-Holz und PRO-GE unterstützen die Initiative „Faire Vergabe schafft Arbeitsplätze“, die sich auf die Baubranche konzentriert, aber durchaus allgemein gültige Forderungen stellt und vida hat eine BürgerInneninitiative für BusfahrerInnen gestartet. Die Bundeskonferenz der GPA-djp wird einem Antrag aus dem Bildungsbereich, unterstützt vom Sozialbereich, zustimmen, der eine Qualitätssicherung in der Bundesvergabe einfordert. Allen gemeinsam ist, dass sie „Bestbieter statt Billigstbieter“ wollen.
Um hier erfolgreich zu sein und vor allem auch, um sich von der gleichlautenden rechtspopulistischen Phrase abzugrenzen, ist es entscheidend, die Worthülse „Bestbieter“ mit klaren Inhalten zu füllen: Bestbieter sind diejenigen, die Verantwortung gegenüber der ArbeitnehmerInnenschaft - der jetzigen, der zukünftigen und der ehemaligen - und dem Gemeinwohl übernehmen. Aufgabe der Gewerkschaft ist es, hierfür Qualitätskriterien zu formulieren und einzufordern.
Lahouri El Fontroussi ist Betriebsrat bei ibis acam und GLB-Aktivist in Wien
Hierzulande ist zwar schon länger bekannt, dass billig nicht immer günstig ist, aber in guter österreichischer Tradition gilt natürlich die Unschuldsvermutung und deswegen darf es dann schon etwas billig sein oder noch besser: billigst. Dieser Überlegung dürfte der Gesetzgeber gefolgt sein, als er festlegte, dass der Zuschlag dem Angebot mit dem niedrigsten Preis zu erteilen ist, also dem Billigstbieter. Das Bundesvergabegesetz mit 351 Paragrafen und 20 Anhängen in einem Satz zusammenzufassen ist natürlich problematisch, auch weil aufgrund von Ausnahmeregelungen und Schwellenwerten nicht offene Verfahren ohne vorige Bekanntgabe möglich sind. Der öffentliche Auftraggeber entscheidet also, auch geheim, über die Vergabe.
Das Zugeständnis, den Billigstbieter zu wählen, soll wohl einen verantwortungsbewussten Umgang mit Steuergeldern suggerieren. Wenn allerdings auf einer Seite gespart wird, fehlt woanders etwas. Die Folge eines Billigstbieter-Prinzips sind Lohn- und Sozialdumping auf Kosten der ArbeitnehmerInnenschaft, die dann mit ihren geleisteten Steuern sogar die eigene Ausbeutung mitfinanziert. Darüber hinaus wird ein nicht unbeachtlicher Teil der Auftragssummen dank kreativer Unternehmensstrukturen dem Geldumlauf entzogen.
Das Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz (LSDB-G) ist eine Sammlung von Novellierungen in fünf Gesetzestexten. Die größte Errungenschaft ist die Einrichtung eines Kompetenzzentrums, das jedes Jahr feststellt, dass es Lohn- und Sozialdumping in Österreich gibt, dass zwar einige Fälle aufgedeckt werden, und dass es aber viel mehr davon gibt.
Die Baubranche mit ihrer unübersichtlichen, aber erlaubten Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmen ist besonders betroffen. So sind Menschen aus Osteuropa als neue selbstständige HilfsarbeiterInnen auf österreichischen Baustellen tätig und Personalvermittlungsfirmen in Billiglohnländern behalten als Provision einen nicht unbeachtlichen Teil des Lohnes ein. Dass sich das für die so ausgebeuteten Menschen trotzdem rechnet, liegt an dem niedrigen Lohnniveau ihrer Ursprungsländer.
Ein prominenter Fall war die Auftragsvergabe für die Herstellung der neuen U-Bahn-Garnituren. Ein Angebotsleger hat geltend gemacht, dass Produktionsabläufe in Österreich liegen, dass Lehrlinge ausgebildet und freiwillige soziale Leistungen erbracht werden, also versucht, die Wertschöpfungskette in Österreich zu halten und fair zu seinen MitarbeiterInnen zu sein. Solche Argumente fallen allerdings nicht ins Gewicht, wenn der niedrigste Preis zählt. Dass ausgebildeten Lehrlinge und ein Teil der Belegschaft der Firma, auch der mit ihr verbundenen Unternehmen, freigesetzt werden und dadurch keine Sozialversicherungsbeiträge, noch Steuern in Österreich leisten, sondern nun Versicherungs- und Transferleistungen beziehen, wurde in der Logik des Billigstpreises nicht berücksichtigt.
Beschäftigte im Teil des Dienstleistungssektors, der von öffentlichen Aufträgen abhängig ist, geraten ebenfalls unter Druck. Um möglichst billige Angebote abgeben zu können, wird vor allem bei den Personal- und Materialkosten gespart: Arbeitsverdichtung durch Personalnotstand, Streichung von freiwilligen sozialen Leistungen, ungenügend zur Verfügung gestelltes Arbeitsmaterial usw. Sogar arbeitsrechtlichen Standards werden missachtet: bis zur Gesundheitsgefährdung schlecht ausgestattete Arbeitsplätze, Verweigerung der Gewährung von kollektivvertraglichen Ansprüchen, unbezahlte Mehr- und Überstunden u.ä. Aus Angst vor Verlust des Arbeitsplatzes werden Rechte nicht eingefordert, geschweige denn eingeklagt.
Die Qualität der Arbeitsplätze, wie auch die Qualität der geleisteten Arbeit, leidet darunter. Diese Vergabestrategie verursacht hohe Folgekosten und oft wäre es billiger gewesen, wenn gleich ein fairer Preis gezahlt worden wäre. Bauprojekte die sich als Millionengräber herausstellen, weil die Reparatur des Pfusches die Kosten in die Höhe treiben, sind noch harmlos gegen die Vorstellung, welche Gräber ein Billigstbieter im Sozial- und Gesundheitswesen verursacht.
Einige Fachgewerkschaften nehmen sich dieses Themas an, aber ein koordiniertes Vorgehen des ÖGB fehlt noch. GPA-djp, Bau-Holz und PRO-GE unterstützen die Initiative „Faire Vergabe schafft Arbeitsplätze“, die sich auf die Baubranche konzentriert, aber durchaus allgemein gültige Forderungen stellt und vida hat eine BürgerInneninitiative für BusfahrerInnen gestartet. Die Bundeskonferenz der GPA-djp wird einem Antrag aus dem Bildungsbereich, unterstützt vom Sozialbereich, zustimmen, der eine Qualitätssicherung in der Bundesvergabe einfordert. Allen gemeinsam ist, dass sie „Bestbieter statt Billigstbieter“ wollen.
Um hier erfolgreich zu sein und vor allem auch, um sich von der gleichlautenden rechtspopulistischen Phrase abzugrenzen, ist es entscheidend, die Worthülse „Bestbieter“ mit klaren Inhalten zu füllen: Bestbieter sind diejenigen, die Verantwortung gegenüber der ArbeitnehmerInnenschaft - der jetzigen, der zukünftigen und der ehemaligen - und dem Gemeinwohl übernehmen. Aufgabe der Gewerkschaft ist es, hierfür Qualitätskriterien zu formulieren und einzufordern.
Lahouri El Fontroussi ist Betriebsrat bei ibis acam und GLB-Aktivist in Wien