Instrument der Spaltung
- Freitag, 17. Februar 2017 @ 18:17
Anne Rieger zum Thema Freizeitoption
Die Unternehmer fordern den 12-Stunden-Tag, die 60-Stunden-Woche und 24 Monate Durchrechnungszeiten. Der Arbeitsdruck steigt. Jeder zweite Betriebsrat in Oberösterreich sagt, dass es aktuell Fälle von Burnout gibt. Da ist es kein Wunder, dass der Wunsch nach Verkürzung der Arbeitszeit zunimmt. Bei vollem Lohn- und Personalausgleich, würde man meinen. Denn Lohnerhöhungen sind zur Inflationsabgeltung unumgänglich und wenn Personal kürzer arbeitet, muss dafür Ersatz her.
Aber statt dafür Kraft zu sammeln, zu mobilisieren, fordern Gewerkschafter*innen in verschiedenen Branchen seit 2013 eine Freizeitoption. Beschäftigte sollen dabei selber „entscheiden“ ob sie sich eine Lohnerhöhung auszahlen lassen oder stattdessen zusätzliche Freistunden nehmen, sich also ihre Arbeitszeitverkürzung selber zahlen sollen.
Nulllohnrunde
Hinter dem freundlichen Wort Freizeitoption verbirgt sich eine Nulllohnrunde für jene, die sich für freie Stunden entscheiden. Aufs Jahr gerechnet und bei einer niedrigen Inflationsrate von einem Prozent klingt das nach einer minimalen Einbuße. Über Jahre gerechnet sieht es aber anders aus.
Erhält ein Beschäftigter 2.200 Euro brutto und entscheidet sich statt eine Lohnerhöhung von zwei Prozent für eine Nulllohnrunde, liegt der Verlust nach zehn Jahren bei 6.745 Euro nach Gewerkschaftsberechnungen. Der gesamte Betrag fehlt nicht nur aktuell im Geldbeutel, sondern auch für die Sozialversicherung. Die Pension wird geringer ausfallen, die Sozialversicherungen müssen ihre Leistungen verringern.
Die Niedriglöhner dagegen sorgen sich ob gestiegener Lebenshaltungskosten um die Finanzierung ihres täglichen Lebens. Beschäftigte, die mit ihrem Einkommen schon jetzt jeden Euro zweimal umdrehen müssen und die das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht für Urlaube oder Weihnachteinkäufe ausgeben, sondern damit ihr überzogenes Konto ausgleichen können sich nur für die Lohnerhöhung entscheiden und werden so nie zu einer Arbeitszeitverkürzung kommen.
Spaltung
Somit bilden sich zwei Gruppen von Beschäftigten in den Betrieben heraus: Die etwas besser Verdienenden mit kürzerer Arbeitszeit und die Niedriglöhner mit der immer gleichen längeren Arbeitszeit. Womöglich müssen sie die liegen gebliebene Arbeit für die Kürzerarbeiter miterledigen. Es wird gespaltenen Belegschaften geben. Glaubt jemand, dass sie gemeinsam für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich gegen die Dienstgeber streiten werden?
Dienstgeber profitieren
Bei derart selbst bezahlter Arbeitszeitverkürzung profitieren die Dienstgeber dreifach: Erstens durch eine kostenlose Produktivitätssteigerung. Denn für die Kürzerarbeiter fallen geringere Kosten an, wenn sie auf die Lohnerhöhung verzichten. Die Arbeit aber wird entweder von den länger Arbeitenden oder von den Kürzerarbeitern in kürzerer Arbeitszeit erledigt. Für gut organisierte kapitalistische Unternehmen ist es ein Leichtes, solche Verkürzungen auf den Beschäftigtenstand umzulegen. Erst schaffen die Kürzerarbeiter ungewollt die Produktivitätssteigerung, als Dank erhalten sie keine Lohnerhöhung.
Zweitens bilden sich gespaltene Belegschaften heraus, für die ein gemeinsames Vorgehen gegen die Unternehmer äußerst schwierig wird. Und drittens gewöhnen sich die Belegschaften, an den Gedanken, Arbeitszeitverkürzung muss nicht der Unternehmer von seinem Produktivitätsgewinn, sondern wir uns selber zahlen. Wollen wir das?
Anne Rieger ist Vorstandsmitglied des GLB-Steiermark
Die Unternehmer fordern den 12-Stunden-Tag, die 60-Stunden-Woche und 24 Monate Durchrechnungszeiten. Der Arbeitsdruck steigt. Jeder zweite Betriebsrat in Oberösterreich sagt, dass es aktuell Fälle von Burnout gibt. Da ist es kein Wunder, dass der Wunsch nach Verkürzung der Arbeitszeit zunimmt. Bei vollem Lohn- und Personalausgleich, würde man meinen. Denn Lohnerhöhungen sind zur Inflationsabgeltung unumgänglich und wenn Personal kürzer arbeitet, muss dafür Ersatz her.
Aber statt dafür Kraft zu sammeln, zu mobilisieren, fordern Gewerkschafter*innen in verschiedenen Branchen seit 2013 eine Freizeitoption. Beschäftigte sollen dabei selber „entscheiden“ ob sie sich eine Lohnerhöhung auszahlen lassen oder stattdessen zusätzliche Freistunden nehmen, sich also ihre Arbeitszeitverkürzung selber zahlen sollen.
Nulllohnrunde
Hinter dem freundlichen Wort Freizeitoption verbirgt sich eine Nulllohnrunde für jene, die sich für freie Stunden entscheiden. Aufs Jahr gerechnet und bei einer niedrigen Inflationsrate von einem Prozent klingt das nach einer minimalen Einbuße. Über Jahre gerechnet sieht es aber anders aus.
Erhält ein Beschäftigter 2.200 Euro brutto und entscheidet sich statt eine Lohnerhöhung von zwei Prozent für eine Nulllohnrunde, liegt der Verlust nach zehn Jahren bei 6.745 Euro nach Gewerkschaftsberechnungen. Der gesamte Betrag fehlt nicht nur aktuell im Geldbeutel, sondern auch für die Sozialversicherung. Die Pension wird geringer ausfallen, die Sozialversicherungen müssen ihre Leistungen verringern.
Die Niedriglöhner dagegen sorgen sich ob gestiegener Lebenshaltungskosten um die Finanzierung ihres täglichen Lebens. Beschäftigte, die mit ihrem Einkommen schon jetzt jeden Euro zweimal umdrehen müssen und die das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nicht für Urlaube oder Weihnachteinkäufe ausgeben, sondern damit ihr überzogenes Konto ausgleichen können sich nur für die Lohnerhöhung entscheiden und werden so nie zu einer Arbeitszeitverkürzung kommen.
Spaltung
Somit bilden sich zwei Gruppen von Beschäftigten in den Betrieben heraus: Die etwas besser Verdienenden mit kürzerer Arbeitszeit und die Niedriglöhner mit der immer gleichen längeren Arbeitszeit. Womöglich müssen sie die liegen gebliebene Arbeit für die Kürzerarbeiter miterledigen. Es wird gespaltenen Belegschaften geben. Glaubt jemand, dass sie gemeinsam für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich gegen die Dienstgeber streiten werden?
Dienstgeber profitieren
Bei derart selbst bezahlter Arbeitszeitverkürzung profitieren die Dienstgeber dreifach: Erstens durch eine kostenlose Produktivitätssteigerung. Denn für die Kürzerarbeiter fallen geringere Kosten an, wenn sie auf die Lohnerhöhung verzichten. Die Arbeit aber wird entweder von den länger Arbeitenden oder von den Kürzerarbeitern in kürzerer Arbeitszeit erledigt. Für gut organisierte kapitalistische Unternehmen ist es ein Leichtes, solche Verkürzungen auf den Beschäftigtenstand umzulegen. Erst schaffen die Kürzerarbeiter ungewollt die Produktivitätssteigerung, als Dank erhalten sie keine Lohnerhöhung.
Zweitens bilden sich gespaltene Belegschaften heraus, für die ein gemeinsames Vorgehen gegen die Unternehmer äußerst schwierig wird. Und drittens gewöhnen sich die Belegschaften, an den Gedanken, Arbeitszeitverkürzung muss nicht der Unternehmer von seinem Produktivitätsgewinn, sondern wir uns selber zahlen. Wollen wir das?
Anne Rieger ist Vorstandsmitglied des GLB-Steiermark