Hände falten – Goschen halten!
- Donnerstag, 5. Dezember 2013 @ 15:49
Von Karin Antlanger
Letzteres ist erwünscht. Dafür dürfen aber die Hände auch für andere Dinge verwendet werden: für Applaus, für stimmungssteigerndes Mitklatschen bei den Musikeinlagen und zum Winken in die Kamera. Es ist auch nach jahrzehntelanger Gewerkschaftserfahrung immer wieder befremdend, dass es in einer Organisation, die von ihren Mitgliedern lebt, möglich ist, mehr als 500 BetriebsrätInnen bei einer gesamtösterreichischen Konferenz aufs Zuhören und Mitpaschen zu reduzieren.
Rigides Veranstaltungsdesign verhindert jegliche Diskussion
Zum Aufwärmen gleich ein Kasperltheater nach dem Motto „Seid ihr alle da?“ Die Moderatorin ruft „Huhhhuhh – ich freu mich so, dass ihr alle da seid“ und lässt die VertreterInnen aus den einzelnen Bundesländern gruppenweise „Hier“ rufen und winken.
Nach dieser Anstrengung haben sich alle Musik verdient: ein Gitarren-Trio singt inhaltlich nicht allzu anspruchsvolle Lieder im Happy-Wienerlied-Sound, eine Art Gewerkschaftspop. Dieser erste musikalische Teil sorgt bei einigen im Saal dafür, dass sie animiert mitwippen und –schaukeln, grad halt nicht schunkeln, aber immerhin kommt kein Diskussionsbedürfnis auf.
Die Angst der Gewerkschaften vor anderen Meinungen
Bereits im Vorfeld der Konferenz für die privaten Gesundheits-und Sozialdienste war immer wieder zu hören gewesen, dass so manch hauptamtliche FunktionärInnen befürchteten, es könnte vor dem Haus der Begegnung zu Aktionen kritischer BetriebsrätInnen gegen die offizielle Gewerkschaftslinie kommen – und, oh Schreck – es könnte dies von den Medien wahrgenommen werden.
Da könnte dann doch glatt in den Zeitungen zu lesen sein, dass sich die GewerkschafterInnen nicht in allen Dingen einig sind! Na so was auch! Wo kämen wir da hin, wenn es plötzlich in der einen oder anderen Frage Andersdenkende gäbe? Noch deutlicher als durch eine dreieinhalbstündige Veranstaltung ohne Diskussionsmöglichkeit kann es eine Gewerkschaft ihren Mitgliedern nicht sagen: Es interessiert uns nicht, was ihr zu sagen habt.
Diese Angst einiger maßgeblicher GewerkschaftsfunktionärInnen vor Andersdenkenden ist einerseits lächerlich, zumal eine Organisation dieser Größe wohl verschiedene Meinungen aushalten muss, andererseits drückt sich in dieser Angst aber auch viel schlechte Gewissen aus. Schlechtes Gewissen deshalb, weil ja wohl kaum jemand von ihnen so blöd sein wird zu glauben, dass die Kollektivverträge im Sozial- und Gesundheitsbereich das Gelbe vom Ei sind, obwohl sie dies den Beschäftigten immer einzureden versuchen, sobald der jährliche Abschluss unter Dach und Fach ist.
Angst, weil sich die führenden GewerkschafterInnen nie sicher sein können, wie lange sich die Leute die Jubelmeldungen noch einreden lassen. Angst, weil etwa die Zustimmung zum KV-Abschluss der Sozialwirtschaft (BAGS), selbst im großen Verhandlungsgremium auf ArbeitnehmerInnenseite jedes Jahr knapper wird.
Die straffe Konferenzplanung verlief wie am Schnürchen, sodass einfach keine Diskussion aufkommen konnte. Lediglich nach der Vorstellung einer Studie der AK-Wien waren einige „Fragen“ zugelassen. Aber wie gesagt, das Stimmvieh soll die Goschen halten, bestenfalls a paar Fragen stellen, weil’s eh nix verstehen.
Gewerkschaftliche Wellness-Veranstaltung
Nach der Vorstellung des Forderungskataloges für die diesjährigen KV-Verhandlungen war wieder Musik am Programm. Die Stimmung steigt. Eine echte Gewerkschafts-Wellness-Veranstaltung. Dann darf auch der Regional-Geschäftsführer der Vorarlberger GPA-djp darstellen, wie sie es im fernen Westen Österreichs geschafft haben, 1.500 Euro Mindestlohn im Sozial-KV durchzusetzen. Dass der Anstoß dafür der Streik von 11 TurnusärztInnen war, geht im allgemeinen Trubel unter.
Gegen Ende bittet die Moderatorin alle Mitglieder der drei Verhandlungsteams von Sozialwirtschaft, Caritas und Diakonie auf die Bühne und fordert sie auf „Holts euch die Kraft, die ihr für die Verhandlungen braucht“! Sie meinte damit, sie sollen sich die Kraft und die positive Energie aus der Masse im Saal holen… Jetzt erinnerte das Ganze schon an eine Sekte. Oder war es doch „Krieg der Sterne“: Die Macht ist mit euch, junge Yedi-Ritter.
Wieder ein Lied zu Gitarreklängen und dann: His Masters voice!
Wolfgang Katzian konnte sich von den Koalitionsverhandlungen loseisen und uns wie in den letzten Jahren versichern, dass diese gesellschaftlich wertvolle Arbeit, die im Sozial-und Gesundheitsbereich geleistet wird, auch ordentlich bezahlt werden muss.
Wir hören es wohl, allein uns fehlt der Glaube, dass das gerade heuer durchgesetzt wird. Es sei denn, die Koalitionsverhandlungen scheitern, es kommt zu einer schwarz-blau-Stronach-Koalition und der ÖGB wäre wieder mal gefordert, echte Gewerkschaftspolitik zu machen.
Eigentlich eine perverse Idee, dass erst eine noch rechtere Regierung es ermöglichen könnte, dass die Gewerkschaften sich wieder auf ihre ureigenste Aufgabe besinnen: Verteilungsgerechtigkeit herzustellen und damit die Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu befriedigen.
Schluss mit dem Bedüdeln der Mitglieder!
1.500 Euro Mindestlohn ist z.B. offizielle Beschlusslage der GPA-djp, scheint aber in den Forderungen zu den KV-Verhandlungen im Sozial-und Gesundheitsbereich NICHT auf!!! Da scheint sich wieder mal die Vorgehensweise durchgesetzt zu haben: „Warten wir halt ein paar Jahre, dann haben wir die 1.500 Euro durch die jährlichen Anpassungen eh irgendwann erreicht.“ Liebe FunktionärInnen, haltet ihr die Leute wirklich für so blöd?!
Solange sich die Leute jährlich damit zufrieden geben, irgendwelche Unterschriften zu sammeln oder auf einer Demo mitzugehen, die die Arbeitgeber bei den KV-Verhandlungen nicht mal hinter den Ohrwascheln kratzt, solange wird sich auch in den Kollektivverträgen der privaten Sozial-und Gesundheitsdiente nichts Wesentliches tun.
Gewerkschaftliche Aktionen machen dann Sinn, wenn sie für die ArbeitgeberInnen schmerzlich spürbar sind. D.h., stundenlange Betriebsversammlungen bis hin zu Streiks. Das heißt aber auch, dass sich die BetriebsrätInnen ordentlich ins Zeug werfen müssen, denn ein Streik ist kein Spaziergang sondern gewerkschaftliche Schwerarbeit, die ordentlich vorbereitet und lückenlos durchgeführt werden muss.
Und den Angsthasen unter den GewerkschaftsfunktionärInnen sei Nelson Mandela empfohlen, der schreibt: „It always seems impossible, until it is done.“
Karin Antlanger über die österreichweite BetriebsrätInnenkonferenz der privaten Sozial-und Gesundheitsdienste 4.12.2013. Karin Antlanger ist BRV-Stellvertreterin von EXIT-sozial Linz
Letzteres ist erwünscht. Dafür dürfen aber die Hände auch für andere Dinge verwendet werden: für Applaus, für stimmungssteigerndes Mitklatschen bei den Musikeinlagen und zum Winken in die Kamera. Es ist auch nach jahrzehntelanger Gewerkschaftserfahrung immer wieder befremdend, dass es in einer Organisation, die von ihren Mitgliedern lebt, möglich ist, mehr als 500 BetriebsrätInnen bei einer gesamtösterreichischen Konferenz aufs Zuhören und Mitpaschen zu reduzieren.
Rigides Veranstaltungsdesign verhindert jegliche Diskussion
Zum Aufwärmen gleich ein Kasperltheater nach dem Motto „Seid ihr alle da?“ Die Moderatorin ruft „Huhhhuhh – ich freu mich so, dass ihr alle da seid“ und lässt die VertreterInnen aus den einzelnen Bundesländern gruppenweise „Hier“ rufen und winken.
Nach dieser Anstrengung haben sich alle Musik verdient: ein Gitarren-Trio singt inhaltlich nicht allzu anspruchsvolle Lieder im Happy-Wienerlied-Sound, eine Art Gewerkschaftspop. Dieser erste musikalische Teil sorgt bei einigen im Saal dafür, dass sie animiert mitwippen und –schaukeln, grad halt nicht schunkeln, aber immerhin kommt kein Diskussionsbedürfnis auf.
Die Angst der Gewerkschaften vor anderen Meinungen
Bereits im Vorfeld der Konferenz für die privaten Gesundheits-und Sozialdienste war immer wieder zu hören gewesen, dass so manch hauptamtliche FunktionärInnen befürchteten, es könnte vor dem Haus der Begegnung zu Aktionen kritischer BetriebsrätInnen gegen die offizielle Gewerkschaftslinie kommen – und, oh Schreck – es könnte dies von den Medien wahrgenommen werden.
Da könnte dann doch glatt in den Zeitungen zu lesen sein, dass sich die GewerkschafterInnen nicht in allen Dingen einig sind! Na so was auch! Wo kämen wir da hin, wenn es plötzlich in der einen oder anderen Frage Andersdenkende gäbe? Noch deutlicher als durch eine dreieinhalbstündige Veranstaltung ohne Diskussionsmöglichkeit kann es eine Gewerkschaft ihren Mitgliedern nicht sagen: Es interessiert uns nicht, was ihr zu sagen habt.
Diese Angst einiger maßgeblicher GewerkschaftsfunktionärInnen vor Andersdenkenden ist einerseits lächerlich, zumal eine Organisation dieser Größe wohl verschiedene Meinungen aushalten muss, andererseits drückt sich in dieser Angst aber auch viel schlechte Gewissen aus. Schlechtes Gewissen deshalb, weil ja wohl kaum jemand von ihnen so blöd sein wird zu glauben, dass die Kollektivverträge im Sozial- und Gesundheitsbereich das Gelbe vom Ei sind, obwohl sie dies den Beschäftigten immer einzureden versuchen, sobald der jährliche Abschluss unter Dach und Fach ist.
Angst, weil sich die führenden GewerkschafterInnen nie sicher sein können, wie lange sich die Leute die Jubelmeldungen noch einreden lassen. Angst, weil etwa die Zustimmung zum KV-Abschluss der Sozialwirtschaft (BAGS), selbst im großen Verhandlungsgremium auf ArbeitnehmerInnenseite jedes Jahr knapper wird.
Die straffe Konferenzplanung verlief wie am Schnürchen, sodass einfach keine Diskussion aufkommen konnte. Lediglich nach der Vorstellung einer Studie der AK-Wien waren einige „Fragen“ zugelassen. Aber wie gesagt, das Stimmvieh soll die Goschen halten, bestenfalls a paar Fragen stellen, weil’s eh nix verstehen.
Gewerkschaftliche Wellness-Veranstaltung
Nach der Vorstellung des Forderungskataloges für die diesjährigen KV-Verhandlungen war wieder Musik am Programm. Die Stimmung steigt. Eine echte Gewerkschafts-Wellness-Veranstaltung. Dann darf auch der Regional-Geschäftsführer der Vorarlberger GPA-djp darstellen, wie sie es im fernen Westen Österreichs geschafft haben, 1.500 Euro Mindestlohn im Sozial-KV durchzusetzen. Dass der Anstoß dafür der Streik von 11 TurnusärztInnen war, geht im allgemeinen Trubel unter.
Gegen Ende bittet die Moderatorin alle Mitglieder der drei Verhandlungsteams von Sozialwirtschaft, Caritas und Diakonie auf die Bühne und fordert sie auf „Holts euch die Kraft, die ihr für die Verhandlungen braucht“! Sie meinte damit, sie sollen sich die Kraft und die positive Energie aus der Masse im Saal holen… Jetzt erinnerte das Ganze schon an eine Sekte. Oder war es doch „Krieg der Sterne“: Die Macht ist mit euch, junge Yedi-Ritter.
Wieder ein Lied zu Gitarreklängen und dann: His Masters voice!
Wolfgang Katzian konnte sich von den Koalitionsverhandlungen loseisen und uns wie in den letzten Jahren versichern, dass diese gesellschaftlich wertvolle Arbeit, die im Sozial-und Gesundheitsbereich geleistet wird, auch ordentlich bezahlt werden muss.
Wir hören es wohl, allein uns fehlt der Glaube, dass das gerade heuer durchgesetzt wird. Es sei denn, die Koalitionsverhandlungen scheitern, es kommt zu einer schwarz-blau-Stronach-Koalition und der ÖGB wäre wieder mal gefordert, echte Gewerkschaftspolitik zu machen.
Eigentlich eine perverse Idee, dass erst eine noch rechtere Regierung es ermöglichen könnte, dass die Gewerkschaften sich wieder auf ihre ureigenste Aufgabe besinnen: Verteilungsgerechtigkeit herzustellen und damit die Bedürfnisse ihrer Mitglieder zu befriedigen.
Schluss mit dem Bedüdeln der Mitglieder!
1.500 Euro Mindestlohn ist z.B. offizielle Beschlusslage der GPA-djp, scheint aber in den Forderungen zu den KV-Verhandlungen im Sozial-und Gesundheitsbereich NICHT auf!!! Da scheint sich wieder mal die Vorgehensweise durchgesetzt zu haben: „Warten wir halt ein paar Jahre, dann haben wir die 1.500 Euro durch die jährlichen Anpassungen eh irgendwann erreicht.“ Liebe FunktionärInnen, haltet ihr die Leute wirklich für so blöd?!
Solange sich die Leute jährlich damit zufrieden geben, irgendwelche Unterschriften zu sammeln oder auf einer Demo mitzugehen, die die Arbeitgeber bei den KV-Verhandlungen nicht mal hinter den Ohrwascheln kratzt, solange wird sich auch in den Kollektivverträgen der privaten Sozial-und Gesundheitsdiente nichts Wesentliches tun.
Gewerkschaftliche Aktionen machen dann Sinn, wenn sie für die ArbeitgeberInnen schmerzlich spürbar sind. D.h., stundenlange Betriebsversammlungen bis hin zu Streiks. Das heißt aber auch, dass sich die BetriebsrätInnen ordentlich ins Zeug werfen müssen, denn ein Streik ist kein Spaziergang sondern gewerkschaftliche Schwerarbeit, die ordentlich vorbereitet und lückenlos durchgeführt werden muss.
Und den Angsthasen unter den GewerkschaftsfunktionärInnen sei Nelson Mandela empfohlen, der schreibt: „It always seems impossible, until it is done.“
Karin Antlanger über die österreichweite BetriebsrätInnenkonferenz der privaten Sozial-und Gesundheitsdienste 4.12.2013. Karin Antlanger ist BRV-Stellvertreterin von EXIT-sozial Linz