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GLB aktiv in der Wiener Arbeiterkammer

  • Mittwoch, 29. Oktober 2014 @ 22:00
Wien Steuerreform, Sozialstaat, die Freihandelsabkommen TTIP und CETA, die Sonntagsöffnung und der Voranschlag 2015 waren Themen der 163. AK-Vollversammlung in Wien am 29. Oktober 2014. Zwischen FSG und ÖAAB gab es dabei einen heftigen Streit, der angenommene FSG-Antrag hatte die ÖGB-Kampagne zum Inhalt, der ÖAAB wollte 2,5 Mrd. Euro Steuerentlastung für Familien. GLB-Arbeiterkammerrat Robert Hobek kritisierte beim FSG-Antrag „Sozialstaat stärken“ den Widerspruch zwischen dem Bad Ischler Papier der Sozialpartner und dem real stattfindenden Sozialabbau und meinte, dass seit 2000 das Privatvermögen in Österreich um 171 Prozent, die Löhne jedoch nur um 35 Prozent stiegen.

Einmal mehr sprach sich Hobek gegen die Sonntagsöffnung im Handel aus. Er verwies auf „den hart erkämpften Achtstunden-Arbeitstag als eine der größten Errungenschaften des letzten Jahrhunderts“ und kritisierte die Ablehnung eines Antrages gegen die Ausweitung der Arbeitszeit auf zwölf Stunden durch die FSG. Ebenso legte Hobek neuerlich ein Plädoyer für das öffentliche Eigentum ab und kritisierte, dass im FSG-Antrag die Forderung des GLB nach einem verfassungsmäßigen Schutz und Ausbau des öffentlichen Eigentums abgelehnt wurde.

Laut Post-Gewerkschaftsvorsitzendem Köstinger war der Börsegang der Post „ein schwerer Fehler“, so Hobek. Schon nach der Ausgliederung der Post aus dem Budget wurde eine radikale Privatisierung vorangetrieben: „Der Slogan der Postmanager ist treffsicher: Die Post bringt allen was, den Kunden zu höheren Tarifen eine schlechtere Qualität, den Beschäftigten schlechtere Arbeitsverträge“ so Hobek. Er rief in Erinnerung, dass Kanzler und Vizekanzler bekräftigt haben, nicht gegen weitere Privatisierungen zu sein, wenn es gute Angebote gäbe.

Die lang geübte Methode, dass Gewerkschaft und Arbeiterkammer für die Kolleg_innen verhandeln werde immer mehr von den Kolleg_innen in Abrede gestellt: „Der GLB wird weiter die Einheit in ÖGB und AK suchen, aber es bedarf jetzt alle Kraft zu nutzen um für einen starken Sozialstaat einzutreten“, so Hobek. Präsident Rudolf Kaske ging auf Hobeks Kritik positiv ein und meinte, es gäbe „keine Verhaberung mit dem Klassengegner“, aber „es muss Kompromisse geben“.

Vom GLB wurden bei dieser Vollversammlung acht Anträge eingebracht. Nachstehend die Anträge im Wortlaut:

Antrag 1: Übergriffe bei den Wiener Linien

Die tätlichen Übergriffe auf die Kontrollorgane der Wiener Linien ist so hoch wie nie. Ständig muss man auf einen Angriff ertappter und wütender Schwarzfahrer gefasst sein. Speziell bei Intensivkontrollen, bekommt man die Wut der Fahrgäste immer öfter zu spüren. Das alles weiß die FSG und das weiß auch die Unternehmensleitung – nur getan wird nicht viel, eigentlich gar nichts. Im Grunde genommen lässt man es darauf ankommen, dass die KollegInnen im besten Fall „nur eine gebirnt“ bekommen.
Das Personal wird hier bewusst einer Gefahr ausgesetzt, die man zumindest bei Intensivkontrollen vermeiden könnte. Es ist wichtig, dass bei Intensivkontrollen zum Schutz der Bediensteten verpflichtend die Hilfestellung der Polizei hinzugezogen wird. Hier muss das Unternehmen seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern nachkommen und Sparmaßnahmen hinten anstellen. Für eine neue U-Bahnlinie ist Geld da, für die Kolleginnen und Kollegen anscheinend nicht.
Der GLB fordert dass bei Intensivkontrollen der Kontrollorgane der Wiener Linienverpflichtet die Hilfestellung der Polizei hinzugezogen wird.

Antrag 2: Fahrerkabinen bei den Wiener Linien

Tätliche Angriffe auf das Fahrpersonal der Wiener Linien sind zum Alltag geworden und so hoch wie nie. Das Personal wird hier bewusst einer Gefahr ausgesetzt, die man durch den Einbau von Fahrerkabinen in die alten Fahrzeuggarnituren E1 (die noch vorhanden sind), E2 und der Busflotte vermeiden könnte. Die Prototype die vor kurzem „als Fahrerkabine“ vorgestellt wurde war eine vorgezogene Glasscheibe, die seitlich offen ist und keinerlei Schutz vor tätlichen Angriffen bietet und eigentlich ein makabrer Scherz ist.
Der GLB fordert zur Sicherheit vor tätlichen Angriffen auf das Fahrpersonal der Wiener Linien den Einbau von Fahrerkabinen

Antrag 3: Leistbares Wohnen

„Leistbares Wohnen“ war ein wesentliches Thema der Vorbereitung der Arbeiterkammerwahl. Entgegen den Forderungen der AK-Wien steigen die Mieten unvermindert weiter. Mit 1. April wurden die Richtwertmieten neuerlich um über 5 Prozent angehoben.
Der GLB stellt deshalb den Antrag, die AK-Wien möge ihre Forderungen zu leistbaren Wohnen auf einen sofortigen Mietzinsstopp für alle Mietkategorien zuspitzen und ihr gesetzliches Initiativrecht in diesem Sinne nutzen.

Antrag 4: Kalte Progression

Das Wifo hat in seinem März-Prognosebericht festgestellt, dass die Nettoreallöhne pro Kopf in den vergangenen zwei Jahrzehnten faktisch stagnieren. Das bestätigt einmal mehr den Befund, den auch andere Institutionen bereits gestellt haben. Abgesehen von der Tatsache, dass in diesem Zeitraum die Produktivitätssteigerungen nicht mehr abgegolten werden, was sich im Sinken der Lohnquote am Volkseinkommen widerspiegelt, fressen Inflation und kalte Progression nahezu jede Lohnerhöhung weg.
Der GLB stellt daher den Antrag, die AK-Wien möge dringendst einen Gesetzesvorschlag einbringen, der eine jährliche Anpassung der Einkommenssteuersätze an die Inflation vorsieht.

Antrag 5: Lohnnebenkosten

Unternehmerverbände und diverse Parlamentsparteien fordern eine steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit durch Senkung der Lohnnebenkosten. Diese sind aber im Wesentlichen Sozialversicherungsbeiträge der Unternehmen und damit indirekte Lohnbestandteile.
Der GLB beantragt deshalb: Die AK-Wien spricht sich gegen jede weitere Senkung der Lohnnebenkosten aus. Stattdessen ist die Umstellung der Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung auf der Basis der Wertschöpfung der Unternehmen entsprechend dem seinerzeitigen Konzept des Sozialminister Dallinger in Angriff zu nehmen.

Antrag 6: Leiharbeit

Die 163.Vollversammlung der AK Wien spricht sich grundsätzlich gegen Leiharbeit aus und wird alle Schritte bis hin zur Möglichkeit der Gesetzesinitiative unternehmen, um diese zurückzudrängen bzw. abzuschaffen. Die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen soll verstärkt durch das Arbeitsinspektorat überprüft werden, dieses ist mit ausreichend Personal auszustatten. Weiters beschließt die 163. Vollversammlung der AK Wien die Durchführung einer Informationskampagne der Arbeiterkammer für LeiharbeiterInnen.
Begründung: Auch wenn sich die Situation für Leiharbeitskräfte durch die Einführung des entsprechenden Kollektivvertrags bzw. durch die Regelungen im Arbeitskräfteüberlassungsgesetz etwas verbessert hat, sind Leiharbeitskräfte nach wie vor „Beschäftigte 2. Klasse“. Konzerne besitzen bereits seit langem eigene Leiharbeitsfirmen, um flexibler und kostengünstiger agieren zu können. Zudem kommen noch viele kleinere Leiharbeitsfirmen, bei denen ebenfalls die Einhaltung des Kollektivvertrags etc. überprüft werden soll. Damit das die Kolleginnen und Kollegen, die in diesem Bereich arbeiten auch können, führt die Arbeiterkammer eine Informationskampagne dazu durch.

Antrag 7: Mindestsicherung

Der Gewerkschaftliche Linksblock GLB-Wien stellt den Antrag, die Bedarfsorientierte Mindestsicherung (BMS) in eine Garantierte Mindestsicherung über der Armutsgefährdungsschwelle umzuwandeln. Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung ist eine Reform der ehemaligen Sozialhilfe. Mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) sollen all jene Menschen unterstützt werden, die für ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft nicht mehr aufkommen können. Es wird der notwendige monatliche Bedarf an Nahrung, Kleidung, Körperpflege, Beheizung und Strom, Hausrat, andere persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe sowie Wohnbedarf mit einem jährlich neu festgelegten Geldbetrag ausgedrückt.
Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung gebührt zwölfmal im Jahr und beträgt 2014 für Alleinstehende bzw. Alleinerziehende 813,99 Euro und für Paare 1.220,99 Euro. In diesen Beträgen ist bereits ein Anteil von 25 Prozent für die Wohnkosten enthalten.“ (Quelle: www.help.gv.at1) Die Armutsgefährdungsschwelle liegt 2014 bei 1090 Euro; Armutsgefährdung in Österreich: 14,4 Prozent der Bevölkerung
(Quelle: armutskonferenz.at2)Bei geschätzten 500.000 Arbeitslosen (eine inoffizielle Schätzung - offiziellen Angaben ist hinsichtlich der „versteckten Arbeitslosigkeit“ nicht zu trauen) sind Repressionen (nämlich die Bedarfsorientierung) gegen diese, die wohl ungeeignetste Methode die Arbeitslosenzahl zu verringern. Die Höhe der momentanen Mindestsicherung ist eine weitere Repression - Armut als Werkzeug zur Unterdrückung und unzumutbaren Arbeitszwang. Allein die Höhe des Wohnkostenbeitrags (bei einem Einpersonenhaushalt wären das 203,5 Euro) ist angesichts des durchschnittlichen Aufwandes pro Hauptmietwohnung von 494 Euro eine Verhöhnung der Armutsbetroffenen.3
Die momentane bedarfsorientierte Mindestsicherung ist eine Duldung unserer Gesellschaft an Armut. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt pro Kopf ist Österreich das zweitreichste Land in der EU (EU-weit ist nur noch Luxemburg vor Österreich - europaweit liegen nur noch die Schweiz, Norwegen und Luxemburg in dieser Rangliste vor Österreich4). Diese Gegebenheit muss auch als Argumentation vor der Bundesregierung vorgebracht werden. Eine Vermögensbesteuerung, progressive Einkommenssteuer, Erbschaftssteuer ab einer bestimmten Höhe könnten Armut in unserem Land massiv mildern, wenn nicht sogar ganz beseitigen. Die Finanzierung auf diese Weise würden die Reichen unseres Landes kaum bis gar nicht zu spüren bekommen - es stellt sich also die Frage warum dieser Schritt nicht längst getan wurde. Eine Rechtfertigung der Regierung für diesen Missstand ist nachdrücklich zu fordern. Die Einhaltung der Artikel 22 und 25 der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, zu der sich Österreich 1964 verpflichtet hat, ist hinsichtlich des gesellschaftlichen Reichtums dringlichst umzusetzen. Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1958: Beitritt Österreichs zur Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK, in Verfassungsrang seit 1964):
Artikel 22: „Jeder hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit und Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit sowie unter Berücksichtigung der Organisation und der Mittel jedes Staates in den Genuss der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen, die für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlich sind.“
Artikel 25
1. „Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen gewährleistet sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.“
2. „Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung. Alle Kinder, eheliche wie außereheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz.“

Antrag 8: Sonntagsöffnung

Die 163. Vollversammlung der AK Wien spricht sich neuerlich entschieden gegen alle Versuche aus, die Sonntagsöffnung im Handel durchzusetzen und wird mit allen rechtlichen Schritten dagegen vorgehen. Die 163. Vollversammlung der AK Wien unterstützt die „Allianz für den freien Sonntag“ und spricht sich dafür aus, alle etwaigen gesetzlichen Lücken zu schließen, mit denen „kreative“ Unternehmer versuchen, das Verbot der Sonntagsöffnung zu umgehen.
Begründung: Immer wieder gibt es Angriffe auf die Sonntagsruhe im Handel. So nun z.B. im Zuge der Diskussion um Tourismuszonen oder Großveranstaltungen in Wien. Diesen Versuchen muss sofort ein Riegel vorgeschoben werden, denn ansonsten droht ein „Dammbruch“, beispielsweise durch die Sonntagsöffnung der großen Einkaufszentren – dies wäre dann auch für andere Branchen, in denen Sonntagsarbeit nicht zwingend notwendig ist, eine Einladung zur Sonntagsarbeit. Die Sonntagsarbeit ginge auf Kosten der Lebensqualität der betroffenen Beschäftigten und ihrer Familien, sie würde nur den großen Handelsunternehmen nützen und die Nahversorgung weiter ausdünnen. Es geht darum, die historisch erkämpfte Wochenendfreizeit als kulturelle Errungenschaft und wesentlichen Bestandteil der Lebensqualität zu erhalten.