Gegen Sexismus in der Lehre auflehnen
- Mittwoch, 6. Februar 2013 @ 12:27
Das Alltagsleben eines Lehrlings ist ohnehin meistens sehr hart. Es gibt nicht viele Rechte und selbst die wenigen vorhandenen werden oft mit Füßen getreten. Der gelockerte Kündigungsschutz erschwert es den Jugendlichen zusätzlich, sich gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu wehren. Steigende Jugendarbeitslosigkeit erhöht den Druck auf die jungen ArbeiterInnen, scheinbar noch mehr aushalten zu müssen, um den Ausbildungsplatz zu behalten. Jedoch werden die meisten Lehrlinge als billige Arbeitskräfte ausgebeutet, anstatt qualifiziert ausgebildet und in der Regel auch noch schlecht behandelt.
Als junge Frau in der Lehre ist man doppelt betroffen, weil natürlich Sexismus auch vor den Lehrbetrieben nicht Halt macht. Ergreift man nun als junge Frau einen Lehrberuf, der von Männern dominiert wird, muss man sich häufig gegen sexistische Diskriminierungen zur Wehr setzen. Martina Thomüller (22) ist gelernte Bäckerin. Nach ihrer Lehrabschlussprüfung fand sie ihren Weg in die KJÖ, wo sie in der AG JungarbeiterInnen organisiert ist. Die KJÖ-Zeitschrift Vorneweg sprach mit ihr über ihre Lehrzeit, ihre Erfahrungen mit Sexismus im Arbeitsalltag und ihre Gegenstrategien.
Vorneweg: Martina, warum hast du dich für die Lehre als Bäckerin entschieden?
Martina: Lange wusste ich nicht was ich machen sollte. Als ich dann nach verschiedenen Überlegungen in der Bäckerei Schnuppertage gemacht habe, stand für mich fest, dass ich Bäckerin werden möchte. Dieses Handwerk liegt mir einfach sehr.
Vorneweg: Haben sich deine Erwartungen an die Lehre erfüllt?
Martina: Na ja, so große Erwartungen hatte ich damals noch nicht. Dass eine Lehre kein Zuckerschlecken ist, dachte ich mir vorher schon. Ich musste halt einen Beruf erlernen und Geld verdienen. Lehrstellen gibt’s ja auch nicht wie Sand am Meer, und schon gar nicht, wenn man eine Sparte bevorzugt. Und ich wollte unbedingt Bäckerin werden. Also hab ich den Kopf hingehalten und die Sache durchgezogen.
Vorneweg: Welche Erfahrungen hast du dann in der Lehre gemacht?
Martina: Teils, teils. Ich habe gute Erfahrungen gemacht, aber auch sehr schlechte. Ich habe in meinem Betrieb das Bäckerhandwerk ausgezeichnet erlernt. Aber der Weg dorthin war lang und beschwerlich. Als Lehrling hat man, und vor allem frau, einfach keinerlei Rechte. Du büßt einfach jede Sünde. Damit mein ich jeden kleinen Fehler. Bei mir gab’s manchmal sogar Strafarbeit. Obwohl das ja bekanntlich verboten ist.
Vorneweg: Du sagst, vor allem frau hat keinerlei Rechte, kannst du darauf bitte etwas näher eingehen?
Martina: Nun ja, in der Bäckerei sind hauptsächlich Männer vertreten und die ältere Generation bleibt sowieso auch lieber unter sich. Die Männer sind quasi die Experten – glauben sie zumindest – und die Alten holen die Jungen nach in ihren Kreis. Als Frau bist du außen vor, ganz egal wie gut und fleißig du arbeitest. Also musst du dich als Frau tagtäglich beweisen. Auf eine faire Anerkennung oder Leistungsbeurteilung kannst du da lange warten.
Vorneweg: Bist du also oft mit Sexismus konfrontiert gewesen?
Martina: Oh ja, sehr oft. Mal einen Klaps auf den Po, das hat es immer gegeben. Auch vom Chef selber. Der Chef hat ja auch immer darauf bestanden, dass ich den Abwasch mache, weil das ja schließlich Frauenarbeit ist, so hat er das immer bezeichnet. Eine absolute Frechheit war das!
Ich war halt bis zu meinem dritten Lehrjahr die einzige Frau im Betrieb, dann kam eine Kollegin dazu und wir waren Gott sei Dank zu zweit, da wurde vieles besser. Aber davor war ich die einzige Frau. Daher durfte ich immer den Abwasch machen und das, obwohl es auch weitaus jüngere Lehrlinge wie mich gab, die erst im ersten Lehrjahr waren.
Vorneweg: Hast du dich jemals gegen die sexuellen Belästigungen oder unfairen Behandlungen gewehrt?
Martina: Ja schon, vor allem verbal. Auf den Mund gefallen bin ich ja nie gewesen. Das hat mir aber auch nicht wirklich geholfen, aber ohne mich dagegen zu lehnen, wär’s unerträglich gewesen. Es fühlt sich immer besser an, wenn man irgendwie Widerstand zeigt, egal auf welche Art, da hat eh jede ihre eigenen Wege. Aber nur passives Erleiden bringt uns innerlich um auf die Dauer.
Vorneweg: Was würdest du jungen Frauen in derselben Situation raten? Immerhin traut sich nicht jede zurück zureden.
Martina: Ja, das stimmt. Ist ja auch ein Risiko. Weil als Lehrling kannst du ja mittlerweile viel schneller gekündigt werden. Ich will den Mädchen raten, sich trotzdem nichts gefallen zu lassen. Es gibt viele Möglichkeiten. Wenn es einen Betriebsrat oder einer Jugendvertrauensrat gibt, können sie sich auch an diesen wenden. Und auch bei der Arbeiterkammer kann man sich über Diskriminierung, sexuelle Belästigung und Mobbing beschweren. Das ist nämlich auch alles verboten und in manchen Fällen kann man sogar Entschädigungen und Schmerzensgeld einklagen.
Wichtig ist vor allem, sich nicht zu verstecken, sondern sich Unterstützung zu holen und dann auf die Hinterbeine zu stellen. Oft hilft es schon, wenn man andere Leute, egal ob drinnen oder draußen, einweiht. Dann hat man beim nächsten Übergriff schon ein bisschen weniger das Gefühl, allein zu sein und mehr Selbstbewusstsein, sich zu wehren.
Vorneweg: Willst du zum Abschluss noch etwas loswerden?
Martina: Ich will den Lehrlingen und vor allem den weiblichen Lehrlingen noch sagen: Mädels, lasst euch ja nicht unterkriegen! Steht für eure Rechte ein, alles was ihr über euch ergehen lässt, wird nur noch schlimmer. Und vor allem, schließt euch mit Gleichgesinnten zusammen, in eurem Betrieb, aber auch außerhalb. Ihr seid nicht allein, wir sind viele. Ihr würdet nicht glauben, wie viele wir sind, wenn wir alle zusammen stehen. Nur allein machen sie dich ein!
Vorneweg: Danke für das Gespräch, Martina!
Martina Thomüller ist Bäckerin und KPÖ-Gemeinderätin in Graz
Als junge Frau in der Lehre ist man doppelt betroffen, weil natürlich Sexismus auch vor den Lehrbetrieben nicht Halt macht. Ergreift man nun als junge Frau einen Lehrberuf, der von Männern dominiert wird, muss man sich häufig gegen sexistische Diskriminierungen zur Wehr setzen. Martina Thomüller (22) ist gelernte Bäckerin. Nach ihrer Lehrabschlussprüfung fand sie ihren Weg in die KJÖ, wo sie in der AG JungarbeiterInnen organisiert ist. Die KJÖ-Zeitschrift Vorneweg sprach mit ihr über ihre Lehrzeit, ihre Erfahrungen mit Sexismus im Arbeitsalltag und ihre Gegenstrategien.
Vorneweg: Martina, warum hast du dich für die Lehre als Bäckerin entschieden?
Martina: Lange wusste ich nicht was ich machen sollte. Als ich dann nach verschiedenen Überlegungen in der Bäckerei Schnuppertage gemacht habe, stand für mich fest, dass ich Bäckerin werden möchte. Dieses Handwerk liegt mir einfach sehr.
Vorneweg: Haben sich deine Erwartungen an die Lehre erfüllt?
Martina: Na ja, so große Erwartungen hatte ich damals noch nicht. Dass eine Lehre kein Zuckerschlecken ist, dachte ich mir vorher schon. Ich musste halt einen Beruf erlernen und Geld verdienen. Lehrstellen gibt’s ja auch nicht wie Sand am Meer, und schon gar nicht, wenn man eine Sparte bevorzugt. Und ich wollte unbedingt Bäckerin werden. Also hab ich den Kopf hingehalten und die Sache durchgezogen.
Vorneweg: Welche Erfahrungen hast du dann in der Lehre gemacht?
Martina: Teils, teils. Ich habe gute Erfahrungen gemacht, aber auch sehr schlechte. Ich habe in meinem Betrieb das Bäckerhandwerk ausgezeichnet erlernt. Aber der Weg dorthin war lang und beschwerlich. Als Lehrling hat man, und vor allem frau, einfach keinerlei Rechte. Du büßt einfach jede Sünde. Damit mein ich jeden kleinen Fehler. Bei mir gab’s manchmal sogar Strafarbeit. Obwohl das ja bekanntlich verboten ist.
Vorneweg: Du sagst, vor allem frau hat keinerlei Rechte, kannst du darauf bitte etwas näher eingehen?
Martina: Nun ja, in der Bäckerei sind hauptsächlich Männer vertreten und die ältere Generation bleibt sowieso auch lieber unter sich. Die Männer sind quasi die Experten – glauben sie zumindest – und die Alten holen die Jungen nach in ihren Kreis. Als Frau bist du außen vor, ganz egal wie gut und fleißig du arbeitest. Also musst du dich als Frau tagtäglich beweisen. Auf eine faire Anerkennung oder Leistungsbeurteilung kannst du da lange warten.
Vorneweg: Bist du also oft mit Sexismus konfrontiert gewesen?
Martina: Oh ja, sehr oft. Mal einen Klaps auf den Po, das hat es immer gegeben. Auch vom Chef selber. Der Chef hat ja auch immer darauf bestanden, dass ich den Abwasch mache, weil das ja schließlich Frauenarbeit ist, so hat er das immer bezeichnet. Eine absolute Frechheit war das!
Ich war halt bis zu meinem dritten Lehrjahr die einzige Frau im Betrieb, dann kam eine Kollegin dazu und wir waren Gott sei Dank zu zweit, da wurde vieles besser. Aber davor war ich die einzige Frau. Daher durfte ich immer den Abwasch machen und das, obwohl es auch weitaus jüngere Lehrlinge wie mich gab, die erst im ersten Lehrjahr waren.
Vorneweg: Hast du dich jemals gegen die sexuellen Belästigungen oder unfairen Behandlungen gewehrt?
Martina: Ja schon, vor allem verbal. Auf den Mund gefallen bin ich ja nie gewesen. Das hat mir aber auch nicht wirklich geholfen, aber ohne mich dagegen zu lehnen, wär’s unerträglich gewesen. Es fühlt sich immer besser an, wenn man irgendwie Widerstand zeigt, egal auf welche Art, da hat eh jede ihre eigenen Wege. Aber nur passives Erleiden bringt uns innerlich um auf die Dauer.
Vorneweg: Was würdest du jungen Frauen in derselben Situation raten? Immerhin traut sich nicht jede zurück zureden.
Martina: Ja, das stimmt. Ist ja auch ein Risiko. Weil als Lehrling kannst du ja mittlerweile viel schneller gekündigt werden. Ich will den Mädchen raten, sich trotzdem nichts gefallen zu lassen. Es gibt viele Möglichkeiten. Wenn es einen Betriebsrat oder einer Jugendvertrauensrat gibt, können sie sich auch an diesen wenden. Und auch bei der Arbeiterkammer kann man sich über Diskriminierung, sexuelle Belästigung und Mobbing beschweren. Das ist nämlich auch alles verboten und in manchen Fällen kann man sogar Entschädigungen und Schmerzensgeld einklagen.
Wichtig ist vor allem, sich nicht zu verstecken, sondern sich Unterstützung zu holen und dann auf die Hinterbeine zu stellen. Oft hilft es schon, wenn man andere Leute, egal ob drinnen oder draußen, einweiht. Dann hat man beim nächsten Übergriff schon ein bisschen weniger das Gefühl, allein zu sein und mehr Selbstbewusstsein, sich zu wehren.
Vorneweg: Willst du zum Abschluss noch etwas loswerden?
Martina: Ich will den Lehrlingen und vor allem den weiblichen Lehrlingen noch sagen: Mädels, lasst euch ja nicht unterkriegen! Steht für eure Rechte ein, alles was ihr über euch ergehen lässt, wird nur noch schlimmer. Und vor allem, schließt euch mit Gleichgesinnten zusammen, in eurem Betrieb, aber auch außerhalb. Ihr seid nicht allein, wir sind viele. Ihr würdet nicht glauben, wie viele wir sind, wenn wir alle zusammen stehen. Nur allein machen sie dich ein!
Vorneweg: Danke für das Gespräch, Martina!
Martina Thomüller ist Bäckerin und KPÖ-Gemeinderätin in Graz