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Frauen sind mitgemeint

  • Mittwoch, 22. Januar 2014 @ 12:53
Meinung Bärbel Mende-Danneberg zum Regierungsprogramm aus feministischer Sicht

Die Ankündigungen waren vollmundig, die Ergebnisse sind mager: Was erwarten Frauen Neues von der neuen Regierung? Das Arbeitsprogramm der Bundesregierung besteht aus vielen vagen Wünschen. Und, aus frauenpolitischer Sicht, aus bekannten Stehsätzen. Die beliebtesten Vokabeln in der Faymann-Spindelegger-Bibel lauten „optimieren, stärken, nützen, mobilisieren, anstreben, ermöglichen, motivieren“, ohne dass Übersetzungsarbeit geleistet wird. Aber: Ein neuer Stil des Regierens ist angesagt.

Stilfragen und Spiegelkabinett

„Wir ändern jetzt unseren Stil“, kündigte Bundeskanzler Faymann verzweifelt lächelnd im Interview mit „Österreich“-Chef Wolfgang Fellner an. So etwa sei es „nicht mehr Stil in dieser Regierung, Salz in die Wunden vom Partner zu streuen“. Die neue „Ich hab dich lieb-Politik“ kann aber nicht verdecken, wie dünn das Regierungseis ist. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb sich die Regierungsspitze nach dem Ministerrat nun nicht mehr regelmäßig den kritischen JournalistInnen-Fragen stellt, wie es seit der Ära Kreisky üblich war, sondern dies anlassmäßig an diverse MinisterInnen delegiert.

So genannte „SpiegelministerInnen“ sollen gewisse Fachbereiche koordinieren, sich gegenseitig in ihren Äußerungen kontrollierend beäugen und die Inhalte nach außen vertreten. So etwa spiegelt sich SP-Ministerin Heinisch-Hosek bei den Themen „Frauen, Familie, Jugend“ mit der neuen VP-Familienministerin Sophie Karmasin und zusätzlich im Bereich Wissenschaft mit VP-Wirtschaftsminister Mitterlehner und beim Thema und Bildung mit VP-Innenministerin Mikl-Leitner. Ein Schelm, wer nicht an koalitionäres Misstrauen denkt und Kanzler und Vizekanzler „Feigheit vor dem Feind“ Öffentlichkeit nachsagt, wenn die sich kritischen Fragen jetzt nur noch ganz nach Belieben stellen.

Doch das sollte nicht die einzige Veränderung sein. Neu zum Beispiel ist auch, dass sich Vizekanzler Spindelegger in einer Nacht- und Nebelaktion vor der Regierungsklausur in Waidhofen/Ybbs das Vertrauen seiner Parteikollegen aus den Bundesländern herbeierzwingen musste, nachdem einige Länderchefs in der Schul- und Bildungsfrage anderer Ansicht als ihr Chef waren. „Denken wir daran, was für die Kinder das Beste ist“, appellierte Spindelegger zuvor in Haltung der betenden Hände von Dürer im oben erwähnten Blatt.

Das Beste für die Kinder scheint ein Familienministerium zu sein. Es wurde als „Überraschungscoup“ der ÖVP im Abtausch mit dem Wissenschaftsministerium Hals über Kopf aus dem Ärmel gezaubert. Ebenso die neue Familienministerin Sophie Karmasin. Das sorgte für ein kurzes, aber heftiges Wutgebell der republikanischen Intelligenz und der feministischen Öffentlichkeit: Weshalb kein eigenständiges Frauenministerium mit entsprechender Budgetierung und stattdessen ein neues Familienministerium? Wieso kein Wissenschaftsministerium mehr? Was für eine Zeichensprache soll denn das sein?

Frauen an die Macht?

Schon die Zusammensetzung der alt-neuen Regierung lässt keinen Zweifel an Prioritäten: Nur fünf der 16 Minister sind weiblich, der Frauenanteil schrumpfte von 39 auf 32 Prozent, inklusive Staatssekretärinnen. Noch viel schlimmer ist aber der tatsächliche weibliche Machtverlust: In der ÖVP wurden das Finanz- und das Justizministerium wieder männlich okkupiert, das neu installierte Familienministerium zeigt die inhaltliche Zielrichtungen.

Auch wenn Ministerin Karmasin sich redlich Mühe gibt, die mangelhafte Kinderbetreuung auch für Kleinkinder zu thematisieren – die Optik verfängt sich im konservativen Familienbild der männlichen Ernährerfamilie mit weiblichem (Teilzeit)-Zuverdienst. Karmasins Traum, dass „wie einst eine Frauenbewegung eine Familienbewegung entstehen“ sollte, macht die Optik nicht besser.

Ein Blick in das Arbeitsprogramm der Bundesregierung bis 2018 untermauert die Visionslosigkeit. „Österreich ist ein besonders familien- und kinderfreundliches Land“, heißt es an entsprechender Stelle. Dass 135.000 Kinder und Jugendliche von Armut betroffen sind und über 200.000 Kinder in sehr beengten sozialen Verhältnissen leben, widerspricht dieser Feststellung. Alle wissen, dass soziale Milieus „vererbbar“ sind. 10.000 Jugendliche sind ohne Ausbildung und Beschäftigung.

Die Sozialstudie über die „Arbeitslosen von Marienthal“ hat bereits vor 80 Jahren die katastrophalen Zusammenhänge von Arbeitslosigkeit, Armut und Bildungsbenachteiligung aufgezeigt. Auch wenn die Regierung junge Menschen (unter Geldstrafdrohung) bis zum 18. Lebensjahr zu einer Ausbildung verpflichten möchte – das schafft leider keine Ausbildungs- und Arbeitsplätze.

Problemfelder kurzgefasst

In einer ausholenden Überschrift sind dann auch die Problemfelder zusammengefasst: „Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur, Frauen“. In Wortkaskaden wird um den heißen Brei Gesamtschule herumgeeiert und der Eindruck erweckt, „gemeinsame Bildungsmöglichkeiten für alle SchülerInnen“ anzustreben. Ebenso ist das „Ziel: Wissenschaft und Forschung werden als elementare Stützen der gesamtstaatlichen Entwicklung Österreichs und seiner Potentiale langfristig abgesichert“ angesichts des eingesparten Ministeriums unverständlich.

Wie weit dann im Kapitel „Frauen“ das Ziel „Absicherung und Ausbau der notwendigen Einrichtungen (z.B. Gewaltschutzzentren, Notwohnungen sowie Frauen und Mädchenberatungsstellen)“ realistisch ist in Erinnerung an die budgetären Kahlschläge gerade in diesen Bereichen der Frauenpolitik, bleibt dahingestellt.

Apropos „Salz in die Wunden“: Wie viel Zeit bleibt der Noch-immer-Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek angesichts der ihr neu aufgehalsten Agenden eigentlich für die brennendsten Frauenanliegen? Neues, etwa dafür zu sorgen, dass ein Schwangerschaftsabbruch in allen Bundesländern zu medizinisch einwandfreien Bedingungen und auf Kassenkosten durchgeführt werden kann, ist dort nicht zu erfahren. Ebenso wenig über Konzepte, weibliche (Alters)-Armut zu verhindern.

Ganz sicher aber wird die „Erarbeitung einer ‚Kulturland Österreich-Strategie‘ im Rahmen eines breiten Stakeholder-Prozesses und in Umsetzung des Projekts ‚Nation Brand Austria – Competitive Identity‘„ der Kunst und Kultur auf die Sprünge helfen.

Bärbel Mende-Danneberg ist Journalistin und lebt in Wien