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Europa braucht Fairhandel

  • Montag, 13. April 2015 @ 10:55
Meinung Judith Vorbach und Franz Gall über TTIP, CETA & Co.

TTIP und CETA stoppen! Viele Menschen wissen, dass sich hinter diesem geheimnisvoll klingenden Ruf die Ablehnung der geplanten Handelsabkommen zwischen der EU und den USA bzw. Kanada verbirgt. Und dieses hohe Interesse besteht zu Recht. Denn bei TTIP handelt es sich um das bedeutendste je verhandelte Freihandelsabkommen der EU, und CETA gilt als dessen Blaupause. Mit TTIP würden nicht nur Richtungsweiser für die Gestaltung der globalen Wirtschaftsbeziehungen eingeschlagen, sondern auch für die europäische (Wirtschafts-)Politik. Und diese drohen in eine völlig falsche Richtung zu zeigen und neoliberale Gestaltungsmuster weiter zu verfestigen. Aber genau diese vertiefen die enorme Kluft zwischen Arm und Reich und führen immer wieder zu schweren Krisen.

Leider stößt das große öffentliche Interesse aber auf Intransparenz. Zwar kam es zu „Zugeständnissen“ wie etwa der Veröffentlichung des (ohnehin geleakten) Verhandlungsmandats, aber entscheidende Informationen über den Verhandlungsstand bleiben der Öffentlichkeit weiter verborgen. Indessen waren die Türen für Unternehmenslobbys von Beginn der Verhandlungen an weit offen.

Proklamiertes Ziel von TTIP ist es, dass die ohnehin intensiven Handelsbeziehungen weiter ausgebaut werden. Um zu verhindern, dass der somit verschärfte Wettbewerb auf Kosten von Gemeinwohlinteressen geht, bräuchte es hohe gemeinsame, einklagbare Standards. Doch das Strickmuster von TTIP gibt genau das Gegenteil vor. Nachdem sämtliche Zölle bereits abgebaut wurden, geht es nun an „nichttarifäre Handelshemmnisse“, das heißt an unterschiedliche Regulierungen zum Beispiel im Bereich der Pharmazie, Lebensmittel oder von Sicherheitsvorschriften. Diese führen zu Kosten für Exportunternehmen, deren Produkte z.B. Zulassungsverfahren durchlaufen müssen. TTIP zielt daher auf eine Angleichung der Regeln auf dem Weg der Harmonisierung, gegenseitigen Anerkennung und Vereinfachung ab.

CETA und TTIP gehen aber noch weiter: Besonders problematisch ist dabei das von der EU-Kommission vorgeschlagene Kapitel über Regulierungszusammenarbeit. Auch nach Vertragsabschluss würde damit der Druck zur Angleichung der Regulierung fortbestehen. Unternehmenslobbies können bei geplanten Regulierungen als „Stakeholder“ frühzeitig ihre Position einbringen. Für Parlamentarier/-innen hieße es hingegen warten, bis dieser Kooperationsprozess abgeschlossen ist.

Dabei droht die einseitige Beurteilung von neuen Regulierungen noch mehr nach Kostenkriterien zu gehen. Die Befürchtung, dass neue Gesetze im Umwelt- und Sozialbereich erst gar nicht vorgeschlagen würden, ist real. TTIP droht aber in mehrfacher Hinsicht den Druck auf Sozial-, Umwelt-, Arbeitsstandards aber auch Löhne zu erhöhen. Vor allem auch europäische Arbeitnehmer/-innen könnten mit der Drohung von Standortverlagerungen noch mehr zu Verzichten gedrängt werden. In vielen US-Bundesstaaten herrscht ein äußerst gewerkschaftsfeindliches Klimaund die USA haben nur zwei der acht Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ratifiziert.

Besonders umstritten ist auch der Schutz von Investorinteressen. Wird etwa der Profit einer Investition aufgrund eines neuen Sozialgesetzes wesentlich geschmälert, kann das als „indirekte Enteignung“ und damit als entschädigungspflichtig ausgelegt werden. Gerichtet über derartige Ansprüche privater Unternehmen wird nicht vor ordentlichen Gerichten, sondern vor privaten Schiedsgerichten.

Um Klagen zu vermeiden, könnten Staaten so immer mehr vor neuen Gesetzen im Sinne des Gemeinwohls zurückschrecken. Ein kanadischer Regierungsbeamter über die Auswirkungen von NAFTA (Abkommen USA, Kanada und Mexiko): „Bei beinahe jeder neuen umweltpolitischen Maßnahme gab es von Kanzleien aus New York und Washington Briefe an die Regierung. Da ging es um chemische Reinigung, Medikamente, Pestizide, Patentrecht. Nahezu jede Initiative wurde ins Visier genommen, und die meisten haben nie das Licht der Welt erblickt.“

Im Rahmen von TTIP und CETA könnten sich die Investorklagen zu einer wahren Flut aufschaukeln. Denn die transatlantischen Direktinvestitionen sind massiv, und Konzerne aus der EU, Kanada und den USA gehören zu den häufigsten Klägern. Die starke Ablehnung des Investitionsschutzes kam auch bei einer Konsultation der EU-Kommission zum Ausdruck. Gemeinam mit den Stellungnahmen der Arbeitnehmervertretungen und NGOs waren über 145.000 der rund 150.000 Antworten negativ.

Trotz dieses eindeutigen Ergebnisses hält die EU-Kommission am Investitionsschutz fest, und versucht der fundamentalen Kritik mit kleinen Zugeständnissen Rechnung zu tragen. Aber selbst wenn es zu punktuellen Verbesserungen käme, ändert dies nichts am grundsätzlichen Problem: Den ohnehin mächtigen Konzernen würden weitere Mittel zur Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber demokratisch gewählten Regierungenin die Hand gegeben.

Auch öffentliche Dienstleistungen kommen unter Druck. So sollen bei CETA und teils bei TTIP Liberalisierungspflichten für alle Sektoren gelten, die nicht in „Negativlisten“ explizit ausgenommen sind. Besser wären Positivlisten, in denen die Wirtschaftsbereiche, die liberalisiert werden sollen, ausdrücklich genannt sind. Ebenso gibt es in CETA eine Stillstandsklausel, die einen erreichten Status an Liberalisierung unumkehrbar festschreibt, und eine Sperrklinkenklausel, die die Unumkehrbarkeit künftiger Liberalisierungen fixiert. Politisch gewünschte Rekommunalisierungen würden so zum Beispiel unmöglich. Aber auch die Bestimmungen über öffentliche Ausschreibungen können Gemeinden in ihrer Gestaltungsfreiheit erheblich einschränken.

Für eine gute Zukunft in Europa braucht es eine faire Verteilung und eine Handelspolitik, die sich zuallererst an Gemeinwohlinteressen orientiert. CETA und TTIP sind davon weit entfernt. CETA ist daher abzulehnen, während es bei TTIP einen Verhandlungsstopp und eine grundlegende Neuorientierung braucht. Für eine Zustimmung müssen folgende Bedingungen erfüllt sein: ein transparenter und demokratischer Verhandlungsprozess, die Herausnahme der Investor-Staat-Klage-Bestimmungen, eine Herausnahme öffentlicher Dienstleistungen und sensibler Finanzdienstleistungen, eine Rücknahme der Vorschläge über Regulierungszusammenarbeit und sanktionierbare gemeinsame soziale und ökologische Standards auf hohem Niveau. Eine Mindestbedingung ist die Ratifizierung der ILO-Kernarbeitsnormen.

Widerstand lohnt sich! - In den letzten Jahrzehnten landeten nicht zuletzt aufgrund eines breiten Widerstandes der Zivilgesellschaft mehrere globale Handeslverträge in der Schublade. Deshalb ist man zu bi- bzw. multilateralen Abkommen übergegangen. Der vorliegende Vertragstext zu CETA zeigt, dass die Befürchtungen begründet sind. Die Zivilgesellschaft hat 2014 ein EU-Bürgerbegehren bei der Kommission beantragt. Diese hat es aus formaljuristischen Gründen abgelehnt.

Die zivilgesellschaftlichen Organisationen haben daraufhin ein selbstorganisiertes Bürgerbegehren initiiert, das binnen kurzer Zeit die Unterstützung von einer Million EU-BürgerInnen erhielt. Nun wird die zweite Million angestrebt ( https://www.campact.de/ttip-ebi/ebi-a...eilnehmen/

Die Proteste haben ebenso dazu geführt, dass Skepsis und Ablehnung auch unter ParlamentarierInnen zunehmen. Am 18. April findet auch in österreichischen Städten ein „Transatlantischer Aktionstag“ gegen TTIP, CETA & Co statt. Eine rege Teilnahme erhöht die Chancen auf Verhinderung dieser Abkommen.

Judith Vorbach und Franz Gall sind Aktivist_innen der Initiativplattform TTIP-Stoppen OÖ (http://stopttip.at/)