Eine zwiespältige Bilanz
- Samstag, 18. Juli 2015 @ 22:45
Karin Braun über aktive Arbeitsmarktpolitik
Seit den 1980er Jahren ist die Arbeitslosigkeit kontinuierlich angestiegen. Insbesondere Personen mit niedrigen Qualifikationen, Jugendliche, ältere Personen und Migranten sind davon betroffen. Die Arbeitsmarktverwaltung wurde mit dem Arbeitsmarkservicegesetz 1994 aus der Bundesverwaltung ausgegliedert und in ein Dienstleistungsunternehmen (AMS) des öffentlichen Rechts umgewandelt. Die Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Aktivitäten wurde dezentralisiert um besser auf lokale Notwendigkeiten eingehen zu können. Die Zielvorgaben wurden weiterhin vom Ministerium formuliert.
Arbeitslose sind seither verstärkt mit Schulungsmaßnahmen zur beruflichen (Re)Integration und Sperrfristen aufgrund von Vereitelung der Beschäftigungsaufnahme und Kontrollmeldeversäumnis konfrontiert. Das AMS hat damit begonnen, die intensive Betreuung seiner „Kunden“ an Schulungsinstitute zu delegieren. Bewerbungstrainings und persönlichkeitsbildende Coachings wurden konzipiert, so dass sich Arbeitslose bei Vorstellungsgesprächen den Erwartungen der Unternehmen gemäß präsentieren können. Ist eine Person nicht bereit an einer Kursmaßnahme teilzunehmen, droht eine Sperre des Leistungsbezuges.
Die meisten Kurse finden als Gruppenveranstaltung statt. Gibt ein AMS-Berater ein Einladungsschreiben für eine Wiedereingliederungsmaßnahme aus, hat die Person zu einem festgesetzten Termin beim Kursveranstalter zu erscheinen. Gezielte Weiterbildung aus Eigeninitiative kann bewilligt werden, wenn arbeitsmarktpolitische Relevanz gegeben ist und Budgetmittel vorhanden sind, ist aber keine Selbstverständlichkeit, da zuerst die bereits budgetierten Aktivierungskurse mit Teilnehmern/innen zu füllen sind. Sobald eine Person bei einer Vormerkdauer von mehr als einem halben Jahr bedroht ist in die Langzeitarbeitslosigkeit überzutreten, hat eine Kursmaßnahme zur Wiedereingliederung stattzufinden. Eine solche Maßnahme reiht sich so an die nächste, wobei an der bestehenden Grundproblematik, die in der ungünstigen Wirtschaftslage und (oder) der Person selbst begründet ist, nicht gerührt wird.
Die Bewältigungsstrategien der Betroffenen sind vielfältig, Flucht in den Krankenstand (es wäre interessant, die durch Kursmaßnahmen verursachten Krankenstandstage und Arztbesuche zu erheben), offenes aggressives Auftreten gegenüber TrainerInnen und anderen KursteilnehmerInnen, passives Hinnehmen mit ständigem Blick auf die Uhr und solchen, die wirklich einen Gewinn daraus ziehen, indem sie einen Arbeitsplatz finden, den sie höchstwahrscheinlich ohne Kursbesuch auch gefunden hätten. Die Letztgenannten bedanken sich dann überschwänglich bei allen Beteiligten.
Schlecht qualifizierte Personen und MigrantInnen profitieren eher von Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche. Wenn es aber zu wenige Beschäftigungsmöglichkeiten in einem Segment gibt, wird das nichts daran ändern. Das war und ist die gängige AMS-Praxis der letzten zwanzig Jahre. Eine große Anzahl von Beschwerden über Sinnhaftigkeit und Zumutbarkeit derartiger Maßnahmen wurde an die Volksanwaltschaft in diesem Zeitraum herangetragen. Wobei besonders die zwangsweise Vermittlung zu gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassern und Sozialökonomischen Betrieben (SÖBs) hervorzuheben ist.
Mit der Androhung einer Bezugssperre werden Zugewiesene angehalten, einen befristeten Arbeitsvertrag über einige Monate zu unterschreiben, der eine künftige Schlechterstellung beim Leistungsanspruch zur Folge haben kann. Gelingt es den Betroffenen nicht, eine tatsächliche Anstellung in diesem Zeitraum zu finden, werden sie mit der Androhung einer Sperre des Leistungsbezugs angehalten.
Die verpflichtende Teilnahme an Maßnahmen wird von Arbeitslosen häufig als wenig förderlich, ja mitunter sogar demütigend („Psychospielchen“) empfunden. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs hatten einige der Beschwerden von Arbeitslosen bestätigt. So hatte der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis festgehalten, dass die Zuweisung zu einem SÖB oder gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlasser nicht verpflichtend ist, da es sich dabei weder eindeutig um ein Beschäftigungsverhältnis noch um eine reine Schulungsmaßnahme handle.
Im Zuge der geplanten Einsparungsmaßnahmen des Sozialministeriums in Bezug auf Schulungsmaßnahmen, wovon die Kursinstitute, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, maßgeblich betroffen sind, regt sich der Widerstand. Arbeitsplätze für TrainerInnen und Coaches gehen verloren, AK und ÖGB protestieren mit dem Argument, dass nicht bei den Arbeitslosen gespart werden sollte.
Eine offene Diskussion über die Sinnhaftigkeit der in den letzten zwanzig Jahren mit dem AMS verrechneten Maßnahmenstunden seitens der Schulungsinstitute wird aber nicht geführt. Die Institute haben aus Budgetmitteln finanzierte Zwangsmaßnahmen durchgeführt, TrainerInnen nach aberwitzigen vom AMS vorgegeben Punktekriterien beschäftigt, satte Gewinne geschrieben und stoßen diese MitarbeiterInnen jetzt wieder ab. Auf den Schultern der von Arbeitslosigkeit Betroffenen stehen die, deren Existenzgrundlage sie darstellen.
Karin Braun ist Sozialarbeiterin in Wien
Seit den 1980er Jahren ist die Arbeitslosigkeit kontinuierlich angestiegen. Insbesondere Personen mit niedrigen Qualifikationen, Jugendliche, ältere Personen und Migranten sind davon betroffen. Die Arbeitsmarktverwaltung wurde mit dem Arbeitsmarkservicegesetz 1994 aus der Bundesverwaltung ausgegliedert und in ein Dienstleistungsunternehmen (AMS) des öffentlichen Rechts umgewandelt. Die Umsetzung arbeitsmarktpolitischer Aktivitäten wurde dezentralisiert um besser auf lokale Notwendigkeiten eingehen zu können. Die Zielvorgaben wurden weiterhin vom Ministerium formuliert.
Arbeitslose sind seither verstärkt mit Schulungsmaßnahmen zur beruflichen (Re)Integration und Sperrfristen aufgrund von Vereitelung der Beschäftigungsaufnahme und Kontrollmeldeversäumnis konfrontiert. Das AMS hat damit begonnen, die intensive Betreuung seiner „Kunden“ an Schulungsinstitute zu delegieren. Bewerbungstrainings und persönlichkeitsbildende Coachings wurden konzipiert, so dass sich Arbeitslose bei Vorstellungsgesprächen den Erwartungen der Unternehmen gemäß präsentieren können. Ist eine Person nicht bereit an einer Kursmaßnahme teilzunehmen, droht eine Sperre des Leistungsbezuges.
Die meisten Kurse finden als Gruppenveranstaltung statt. Gibt ein AMS-Berater ein Einladungsschreiben für eine Wiedereingliederungsmaßnahme aus, hat die Person zu einem festgesetzten Termin beim Kursveranstalter zu erscheinen. Gezielte Weiterbildung aus Eigeninitiative kann bewilligt werden, wenn arbeitsmarktpolitische Relevanz gegeben ist und Budgetmittel vorhanden sind, ist aber keine Selbstverständlichkeit, da zuerst die bereits budgetierten Aktivierungskurse mit Teilnehmern/innen zu füllen sind. Sobald eine Person bei einer Vormerkdauer von mehr als einem halben Jahr bedroht ist in die Langzeitarbeitslosigkeit überzutreten, hat eine Kursmaßnahme zur Wiedereingliederung stattzufinden. Eine solche Maßnahme reiht sich so an die nächste, wobei an der bestehenden Grundproblematik, die in der ungünstigen Wirtschaftslage und (oder) der Person selbst begründet ist, nicht gerührt wird.
Die Bewältigungsstrategien der Betroffenen sind vielfältig, Flucht in den Krankenstand (es wäre interessant, die durch Kursmaßnahmen verursachten Krankenstandstage und Arztbesuche zu erheben), offenes aggressives Auftreten gegenüber TrainerInnen und anderen KursteilnehmerInnen, passives Hinnehmen mit ständigem Blick auf die Uhr und solchen, die wirklich einen Gewinn daraus ziehen, indem sie einen Arbeitsplatz finden, den sie höchstwahrscheinlich ohne Kursbesuch auch gefunden hätten. Die Letztgenannten bedanken sich dann überschwänglich bei allen Beteiligten.
Schlecht qualifizierte Personen und MigrantInnen profitieren eher von Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche. Wenn es aber zu wenige Beschäftigungsmöglichkeiten in einem Segment gibt, wird das nichts daran ändern. Das war und ist die gängige AMS-Praxis der letzten zwanzig Jahre. Eine große Anzahl von Beschwerden über Sinnhaftigkeit und Zumutbarkeit derartiger Maßnahmen wurde an die Volksanwaltschaft in diesem Zeitraum herangetragen. Wobei besonders die zwangsweise Vermittlung zu gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlassern und Sozialökonomischen Betrieben (SÖBs) hervorzuheben ist.
Mit der Androhung einer Bezugssperre werden Zugewiesene angehalten, einen befristeten Arbeitsvertrag über einige Monate zu unterschreiben, der eine künftige Schlechterstellung beim Leistungsanspruch zur Folge haben kann. Gelingt es den Betroffenen nicht, eine tatsächliche Anstellung in diesem Zeitraum zu finden, werden sie mit der Androhung einer Sperre des Leistungsbezugs angehalten.
Die verpflichtende Teilnahme an Maßnahmen wird von Arbeitslosen häufig als wenig förderlich, ja mitunter sogar demütigend („Psychospielchen“) empfunden. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofs hatten einige der Beschwerden von Arbeitslosen bestätigt. So hatte der Verwaltungsgerichtshof in einem Erkenntnis festgehalten, dass die Zuweisung zu einem SÖB oder gemeinnützigen Arbeitskräfteüberlasser nicht verpflichtend ist, da es sich dabei weder eindeutig um ein Beschäftigungsverhältnis noch um eine reine Schulungsmaßnahme handle.
Im Zuge der geplanten Einsparungsmaßnahmen des Sozialministeriums in Bezug auf Schulungsmaßnahmen, wovon die Kursinstitute, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen sind, maßgeblich betroffen sind, regt sich der Widerstand. Arbeitsplätze für TrainerInnen und Coaches gehen verloren, AK und ÖGB protestieren mit dem Argument, dass nicht bei den Arbeitslosen gespart werden sollte.
Eine offene Diskussion über die Sinnhaftigkeit der in den letzten zwanzig Jahren mit dem AMS verrechneten Maßnahmenstunden seitens der Schulungsinstitute wird aber nicht geführt. Die Institute haben aus Budgetmitteln finanzierte Zwangsmaßnahmen durchgeführt, TrainerInnen nach aberwitzigen vom AMS vorgegeben Punktekriterien beschäftigt, satte Gewinne geschrieben und stoßen diese MitarbeiterInnen jetzt wieder ab. Auf den Schultern der von Arbeitslosigkeit Betroffenen stehen die, deren Existenzgrundlage sie darstellen.
Karin Braun ist Sozialarbeiterin in Wien