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Ein wirklicher „New Deal“ muss anders ausschauen

  • Donnerstag, 7. Juli 2016 @ 10:12
News Als typisch neoliberalen Ansatz bezeichnet Josef Stingl, Bundesvorsitzender der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB) das mit großem Trara verkaufte Förderungsprogramm der Regierung für Start-Ups mit einem Umfang von 185 Millionen Euro für einen Zeitraum von drei Jahren: „Von einem „New Deal“ im klassischen keynesianischer Sinne kann dabei nicht gesprochen werden“, so Stingl. Das Programm der Regierung sieht den gänzlichen oder teilweisen Entfall der Lohnnebenkosten für die ersten drei Beschäftigten in den ersten drei Jahren vor, weiters die Aufstockung des Business-Angel-Fonds und anderer Fördertöpfe für Investitionen, die Rückerstattung bis zu 20 Prozent als Anreiz für private und institutionelle Investitionen in Start-Ups bis 250.000 Euro pro Jahr, eine schnellere Betriebsanmeldung, Gründungsstipendien für Forscher und Studierende im Ausmaß von fünf Millionen Euro für 50 Projekte und die vorzeitige Hinterlegung von Patenten die noch nicht den formalen Kriterien entsprechen.

Insbesondere die Erlassung der Lohnnebenkosten bewertet der GLB als bedenkliches Einfallstor für die Demontage des Sozialsystems. Bedeutet diese doch, dass für den Entfall der Sozialausgaben und Kommunalsteuer von etwa 100 Millionen Euro die Steuerzahler_innen bzw. die anderen Beitragszahler_innen aufkommen müssen: „In Hinblick auf das tagtägliche Trommeln der Kapitalvertretungen Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung für die Senkung der Lohnnebenkosten wird damit ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen“, so Stingl.

Angesichts der Unsicherheiten die mit Unternehmensgründungen generell verbunden sind bezweifelt der GLB, dass mit diesem Programm bis 2020 tausend zusätzliche Start-Ups gegründet und 10-15.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Bestätigt wird das durch Privatkonkurse und der Firmenpleiten, die zu einem Großteil mit solchen Start-Ups verbunden sind, die nach wenigen Jahren aufgeben müssen. Die durchschnittliche Verschuldung von gescheiterten Selbstständigen beträgt 270.000 Euro, jene der „echten“ Privatkonkurse die meist auch mit Unternehmensgründungen verbunden sind 59.000 Euro.

Auf der Bremse steht bezeichnenderweise die Wirtschaftskammer bei der Entbürokratisierung, etwa die derzeit 440 freien Gewerbe künftig mit einem einheitlichen Gewerbeschein ausüben zu können. Aktuell entfallen auf die 605.000 Gewerbetreibenden in Österreich 795.000 Gewerbescheine, der einheitliche Gewerbeschein würde freilich für die WKO den Verlust von 43 der derzeit 181,7 Mio. Euro Grundumlage bedeuten. WKO-Boss Christoph Leitl spricht daher nicht zufällig von einer „ergebnisoffenen Diskussion“.

Laut WKO-Statistik waren 2015 von 492.485 Kammermitgliedern 290.061, also 58,9 Prozent Ein-Personen-Unternehmen (EPU). Beim überwiegenden Teil davon handelt es sich um formal Selbstständige, die de facto aber von großen Unternehmen abhängig sind und vielfach nicht zuletzt auch vom Arbeitsmarktservice (AMS) mit allen Risiken und Unsicherheiten in die Selbständigkeit gedrängt wurden um sie aus der Arbeitsmarktbilanz entfernen zu können. Nach Meinung des GLB müsste jedoch vorrangiges Ziel der Regierung sein, Maßnahmen zu setzen, damit solche formal Selbstständigen einen regulären Job als lohnabhängig Beschäftigte mit entsprechenden sozialen Sicherheiten erhalten.

„Ein „New Deal“ das seinen Namen verdient muss daher nach Meinung des GLB bei Maßnahmen ansetzen, die konträr zum neoliberalen Zeitgeist stehen“ fordert Stingl. Das wäre etwa eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche um die Schere zwischen der wachsenden Zahl mit Teilzeit, Geringfügigkeit, Leiharbeit oder Scheinselbständigkeit prekär Beschäftigter einerseits und der enormen Zahl von Überstunden andererseits zu schließen.

Zu einem „New Deal“ gehört auch ein gesetzlicher Mindestlohn der bei Vollzeitarbeit ein einigermaßen anständiges Leben sichert und keine Aufzahlung via Mindestsicherung erfordert. Zur Stärkung der Kaufkraft und damit der Binnennachfrage wäre auch eine weitere Steuerentlastung für die Lohnabhängigen, insbesondere in Hinblick auf die „kalte Progression“ erforderlich. Als wichtigste Maßnahme sieht der GLB kräftige Impulse durch öffentliche Aufträge in die Infrastruktur wie Wohnbau, öffentlicher Verkehr, Umweltschutz usw. die auch entsprechend beschäftigungswirksam sind. Dazu gehört auch das öffentliche Eigentum zu stärken und nicht durch weitere Privatisierungen zu schwächen.