Ein totes Pferd reiten
- Dienstag, 12. April 2016 @ 15:16
Karin Antlanger über die Erfahrung mit KV-Verhandlungen
Wenn die Böcke Gartenbau betreiben, dann wird der Sozialwirtschafts-Kollektivvertrag (vormals BAGS) verhandelt. Es gibt fixe Glaubenssätze, an denen sich die Angestellten und ArbeiterInnen im Sozialbereich jedes Jahr orientieren können. Etwa, dass die Erhöhung des Metall-KV keinesfalls erreicht werden könne, denn die Metallindustrie erwirtschafte Gewinne, während die Sozialwirtschaft sich der Gemeinnützigkeit verschrieben habe, von Förderungen und Finanzierungen durch die öffentliche Hand abhängig sei und somit nur den SteuerzahlerInnen auf der Tasche liege.
Sparsamkeit angesagt
Sparsamkeit heißt in diesem Falle, dass bei dieser personalintensiven Branche ausschließlich bei Löhnen und Gehältern gespart wird, denn der Sachaufwand ist relativ gering. Diese Glaubenssätze führen so weit, dass einzelne Betriebsratsvorsitzende die Frage in den Vordergrund stellen, „Was verschafft meinem Arbeitgeber Wettbewerbsvorteile?“ anstatt zu fragen, „Können die in meinem Betrieb überwiegend oder ausschließlich teilzeitbeschäftigten Frauen von diesem Mini-Einkommen überhaupt noch menschenwürdig leben?“
Letztere Frage stellen sich die Betriebsratsvorsitzenden der meisten großen SWÖ-Betriebe nicht in ausreichender Konsequenz. Vielleicht auch deshalb nicht, weil sie selbst oft in abgesicherten Einkommensverhältnissen leben – entweder mit einem Zusatzeinkommen als politische MandatarInnen auf Landes- oder Gemeindeebene abgesichert sind oder aufgrund der Größe des Betriebes ein Gehalt in „angemessener Höhe“ beziehen, welches einem fiktiven Karriereverlauf entsprechen soll. Solche privilegierten Rahmenbedingungen verpflichten so manche dann natürlich dazu, unternehmerisch im Sinne ihrer Geschäftsführungen zu denken, die ihnen am Verhandlungstisch der kleinen KV-Runde gegenübersitzen.
Trickreiche Ablenkung
Ein weiterer fataler Glaubenssatz ist zu meinen, dass wesentliche Fragen des Rahmenrechts in eigens eingerichteten Arbeitsgruppen während des laufenden Jahres verhandelt werden könnten. Solche Willensbekundungen haben sich bisher schon mehrmals als trickreiches Ablenkungsmanöver der Arbeitgeber herausgestellt, weil diese dann entweder das Ergebnis einer solchen Arbeitsgruppe nicht anerkannt haben oder überhaupt keine zustande kommen ließen (zuletzt beim 2-Jahresabschluss um damit angeblich Zeit zu haben, um das Verwendungsgruppensystem zu überarbeiten).
Jahrelange Choreografie ist tot
Seit mehr als zehn Jahren lief es immer gleich ab: Im Herbst Übergabe der Forderungen, im Dezember und Jänner Verhandlungen, die bis Februar durch Betriebsversammlungen, Unterschriftensammlungen, Demonstrationen und Kundgebungen unterstützt und begleitet wurden. Die Ergebnisse waren jedoch jedes Jahr so mager und überschaubar, dass heuer schon in etlichen Betrieben Stimmungen laut wurden, die große Zweifel an der Sinnhaftigkeit der von GPA-djp und vida jährlich organisierten Demos und Kundgebungen äußerten.
Kein Wunder, irgendwann fühlen sich auch die Gutgläubigsten als Stimm(ungs)vieh missbraucht. Aber anstatt endlich mal mehr Druck durch die Belegschaften in den Betrieben tatsächlich zuzulassen, wurde der KV heuer gleich nach kurzer Verhandlung unter jeder Kritik abgeschlossen.
Auf Protestkundgebungen wurde sozusagen wegen sportlicher Wertlosigkeit verzichtet. Zahlt sich auch nicht aus für so ein Ergebnis. Und außerdem ist eh spürbar, dass auch die „harten Verhandlungen“ zum Großteil Show sind, das Ergebnis von Anfang an erkennbar ist und das sog. große Verhandlungsteam im Vorzimmer nur Staffage ist. Die KV-Verhandlung quasi ein Potemkin’sches Dorf.
KV kommt nicht in die Höhe
Die Idee eines Branchen-KV ist vom Tisch: Die Arbeitgeber und vor allem die Geldgeber wollen die Konkurrenz zwischen Caritas-KV, Diakonie-KV und SWÖ-KV. So kann man die Leistungspreise gut drücken und die Gehälter werden gedumpt. Die Gewerkschaften spielen dabei schön mit und sind froh, dass die BetriebsrätInnen im kleinen Verhandlungsteam das alles brav einsehen. Der Fraktionszwang funktioniert bei rot und schwarz. Und die paar Linken kann man ja leicht als unrealistische Träumer hinstellen.
Verblüffend ist jedoch, dass es zwar in den Reihen der FSG-BetriebsrätInnen immer wieder Unmut über die aktuelle KV-Politik gibt, diese jedoch nur hinter vorgehaltener Hand geäußert wird. Bei Abstimmungen in den Gremien heben sie dann brav das Handerl. Ist das die persönliche Feigheit der Einzelnen oder erwarten sie in Zukunft eine Belohnung ihrer Parteisoldatentreue in Form einer höheren Funktion, eines Amterls da und eines Sitzes dort?
Wen wundert`s, wenn junge Menschen immer schwieriger für eine Kandidatur bei Betriebsratswahlen oder zu einer Mitarbeit in der Gewerkschaft zu gewinnen sind. Mit dieser Politik der toten Choreografien und des Parteisoldatentums machen sich die Gewerkschaften selbst zu Auslaufmodellen. Das wissen die FunktionärInnen auch – drum halten sie umso verbissener am Alten fest anstatt Neues zuzulassen. Blöd nur, wenn der Zug mal abgefahren ist, denn hinterherlaufen ist aussichtslos.
Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und Betriebsrätin bei EXIT-sozial Linz
Wenn die Böcke Gartenbau betreiben, dann wird der Sozialwirtschafts-Kollektivvertrag (vormals BAGS) verhandelt. Es gibt fixe Glaubenssätze, an denen sich die Angestellten und ArbeiterInnen im Sozialbereich jedes Jahr orientieren können. Etwa, dass die Erhöhung des Metall-KV keinesfalls erreicht werden könne, denn die Metallindustrie erwirtschafte Gewinne, während die Sozialwirtschaft sich der Gemeinnützigkeit verschrieben habe, von Förderungen und Finanzierungen durch die öffentliche Hand abhängig sei und somit nur den SteuerzahlerInnen auf der Tasche liege.
Sparsamkeit angesagt
Sparsamkeit heißt in diesem Falle, dass bei dieser personalintensiven Branche ausschließlich bei Löhnen und Gehältern gespart wird, denn der Sachaufwand ist relativ gering. Diese Glaubenssätze führen so weit, dass einzelne Betriebsratsvorsitzende die Frage in den Vordergrund stellen, „Was verschafft meinem Arbeitgeber Wettbewerbsvorteile?“ anstatt zu fragen, „Können die in meinem Betrieb überwiegend oder ausschließlich teilzeitbeschäftigten Frauen von diesem Mini-Einkommen überhaupt noch menschenwürdig leben?“
Letztere Frage stellen sich die Betriebsratsvorsitzenden der meisten großen SWÖ-Betriebe nicht in ausreichender Konsequenz. Vielleicht auch deshalb nicht, weil sie selbst oft in abgesicherten Einkommensverhältnissen leben – entweder mit einem Zusatzeinkommen als politische MandatarInnen auf Landes- oder Gemeindeebene abgesichert sind oder aufgrund der Größe des Betriebes ein Gehalt in „angemessener Höhe“ beziehen, welches einem fiktiven Karriereverlauf entsprechen soll. Solche privilegierten Rahmenbedingungen verpflichten so manche dann natürlich dazu, unternehmerisch im Sinne ihrer Geschäftsführungen zu denken, die ihnen am Verhandlungstisch der kleinen KV-Runde gegenübersitzen.
Trickreiche Ablenkung
Ein weiterer fataler Glaubenssatz ist zu meinen, dass wesentliche Fragen des Rahmenrechts in eigens eingerichteten Arbeitsgruppen während des laufenden Jahres verhandelt werden könnten. Solche Willensbekundungen haben sich bisher schon mehrmals als trickreiches Ablenkungsmanöver der Arbeitgeber herausgestellt, weil diese dann entweder das Ergebnis einer solchen Arbeitsgruppe nicht anerkannt haben oder überhaupt keine zustande kommen ließen (zuletzt beim 2-Jahresabschluss um damit angeblich Zeit zu haben, um das Verwendungsgruppensystem zu überarbeiten).
Jahrelange Choreografie ist tot
Seit mehr als zehn Jahren lief es immer gleich ab: Im Herbst Übergabe der Forderungen, im Dezember und Jänner Verhandlungen, die bis Februar durch Betriebsversammlungen, Unterschriftensammlungen, Demonstrationen und Kundgebungen unterstützt und begleitet wurden. Die Ergebnisse waren jedoch jedes Jahr so mager und überschaubar, dass heuer schon in etlichen Betrieben Stimmungen laut wurden, die große Zweifel an der Sinnhaftigkeit der von GPA-djp und vida jährlich organisierten Demos und Kundgebungen äußerten.
Kein Wunder, irgendwann fühlen sich auch die Gutgläubigsten als Stimm(ungs)vieh missbraucht. Aber anstatt endlich mal mehr Druck durch die Belegschaften in den Betrieben tatsächlich zuzulassen, wurde der KV heuer gleich nach kurzer Verhandlung unter jeder Kritik abgeschlossen.
Auf Protestkundgebungen wurde sozusagen wegen sportlicher Wertlosigkeit verzichtet. Zahlt sich auch nicht aus für so ein Ergebnis. Und außerdem ist eh spürbar, dass auch die „harten Verhandlungen“ zum Großteil Show sind, das Ergebnis von Anfang an erkennbar ist und das sog. große Verhandlungsteam im Vorzimmer nur Staffage ist. Die KV-Verhandlung quasi ein Potemkin’sches Dorf.
KV kommt nicht in die Höhe
Die Idee eines Branchen-KV ist vom Tisch: Die Arbeitgeber und vor allem die Geldgeber wollen die Konkurrenz zwischen Caritas-KV, Diakonie-KV und SWÖ-KV. So kann man die Leistungspreise gut drücken und die Gehälter werden gedumpt. Die Gewerkschaften spielen dabei schön mit und sind froh, dass die BetriebsrätInnen im kleinen Verhandlungsteam das alles brav einsehen. Der Fraktionszwang funktioniert bei rot und schwarz. Und die paar Linken kann man ja leicht als unrealistische Träumer hinstellen.
Verblüffend ist jedoch, dass es zwar in den Reihen der FSG-BetriebsrätInnen immer wieder Unmut über die aktuelle KV-Politik gibt, diese jedoch nur hinter vorgehaltener Hand geäußert wird. Bei Abstimmungen in den Gremien heben sie dann brav das Handerl. Ist das die persönliche Feigheit der Einzelnen oder erwarten sie in Zukunft eine Belohnung ihrer Parteisoldatentreue in Form einer höheren Funktion, eines Amterls da und eines Sitzes dort?
Wen wundert`s, wenn junge Menschen immer schwieriger für eine Kandidatur bei Betriebsratswahlen oder zu einer Mitarbeit in der Gewerkschaft zu gewinnen sind. Mit dieser Politik der toten Choreografien und des Parteisoldatentums machen sich die Gewerkschaften selbst zu Auslaufmodellen. Das wissen die FunktionärInnen auch – drum halten sie umso verbissener am Alten fest anstatt Neues zuzulassen. Blöd nur, wenn der Zug mal abgefahren ist, denn hinterherlaufen ist aussichtslos.
Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und Betriebsrätin bei EXIT-sozial Linz