Ein Ablauf wie im Film…
- Dienstag, 19. Februar 2013 @ 15:26
Von Heike Fischer
…das sind meine Eindrücke von der ersten Globalrunde im Sozialbereich. Soziale Arbeit ist mehr wert, vor allem mehr wert als derzeit dafür gesellschaftlich aufgewendet wird. Sie benötigt entsprechende Arbeitsbedingungen und muss entsprechend bezahlt werden. Auf einer Konferenz der Sozialwirtschaft im November 2012 wurde durch zahlreiche Vertreter aus Politik, Gewerkschaft und den Arbeitgeberverbänden festgestellt und darüber polemisiert und resümiert, wie schwierig und belastend die Arbeitssituation im privaten Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich ist, wie dramatisch der Zuwachs an Burnout-Erkrankungen u.ä. bei den Beschäftigten ist, welch`wichtigen Faktor die Sozialwirtschaft für die gesamte Wirtschaft unseres Landes darstellt und dass die Löhne und Gehälter der Beschäftigten um ca. 17 Prozent unter den branchenübergreifenden Durchschnittseinkommen liegen.
Wohlwissend dieser Tatsachen, fanden auch in diesem Jahr die Kollektivvertragsverhandlungen für ca. 120.000 Beschäftigte, überwiegend Frauen, im privaten Gesundheits- und Sozialbereich statt. Neu war diesmal, dass die Löhne und Gehälter für die Beschäftigten der Arbeitgeberverbände der Sozialwirtschaft (vormals BAGS), Caritas und Diakonie gemeinsam verhandelt wurden.
In den Jahren zuvor hatte es ohnehin immer Absprachen auf Arbeitgeberseite gegeben, in welcher Höhe valorisiert werden würde bzw. welche Obergrenze auf keinen Fall überschritten werden dürfte. Das Prozedere, einen Abschluss zu erlangen, verlief zum Ärger von Arbeitgebern aber auch Gewerkschaften und BetriebsrätInnen nur zögerlich. In diesem Jahr sollte das anders werden.
Um es gleich vorweg zu nehmen. Ja, für mich als Betriebsrätin einer Diakonieeinrichtung und meine Diakonie-MitstreiterInnen wurde es anders: zeitaufwändiger, emotionaler, intensiver, teilweise auch frustrierender. Aber das finde ich nicht weiter schlimm – ging es doch auch darum, dass wir gemeinsam stärker und solidarischer miteinander auftreten.
Die erste Verhandlungsrunde am 10. Jänner endete gleich mal am Nachmittag nachdem beide Seiten ihre ersten Erwartungen über den zu erreichenden Gehaltsabschluss in Zahlen ausgetauscht hatten. Verhandelt wurde da fast noch gar nicht, immerhin hatten wir ja unsere Betriebsversammlungen und betriebliche Aktivitäten zur Information für die Beschäftigten vorbereitet. Außerdem sollten die Kolleginnen und Kollegen gleich mal für den bereits geplanten Aktionstag am 30. Jänner motiviert werden.
Die zweite Verhandlungsrunde am 24. Jänner wurde da schon spannender. Es hatten bereits mit jedem Arbeitgeberverband Verhandlungen über rahmenrechtliche Inhalte stattgefunden, die bereits Schlüsse darüber zuließen wie heiß die Diskussion werden könnte. Kurz der Tenor der einzelnen AG-Verbände: Caritas – keine Verbesserung im Rahmenrecht in diesem Jahr, BAGS – na da müssen wir noch viel reden drüber wie und was, Diakonie – ein bisserl was, warten wir mal die Valorisierung ab.
Zitzerlweise kamen wir uns näher und gegen Mitternacht beim Stand Arbeitgeber unter 2,4 Prozent und Arbeitnehmer ein Dreier muss vorm Komma sein, gab es plötzlich ein Stopp in beidseitigem Einverständnis. Wobei das beidseitig irreführend ist, denn ich als Betriebsrätin habe das nicht mitentscheiden können. Es hieß nur plötzlich: Am 30. Jänner finden die Demos in den Landeshauptstädten statt. Irgendwelche Absprachen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften hatte ich da wohl verpasst, obwohl ich den Raum weder geistig noch körperlich verlassen hatte.
Also noch einmal mobilisiert und auf zu den Demos. Die waren gut und wichtig, keine Frage. Aussagen der Arbeitgeber wie z.B. „Die Beschäftigten müssen auch einen Beitrag zur Sanierung der Landesfinanzen leisten...“ oder „ ... seht es als vertrauensbildende Maßnahme, das Vertrauen der öffentlichen Hand in die Sozial- und Pflegeeinrichtungen soll wachsen ...“ wurden teilweise verhöhnt, auch Wut und Enttäuschung über die Arbeitgeber machte sich Luft.
Die Bevölkerung wurde auf die Problematik aufmerksam gemacht, Widerstand und Unmut wurden gezeigt. Auch einige Gewerkschafter konnten sich gut mit ihren Äußerungen in Szene setzen. Aber für mich tat sich die Frage auf: Warum haben wir am 24. Jänner nicht weiter verhandelt? Was wäre denn gewesen, wenn wir vielleicht in den frühen Morgenstunden einen annehmbaren, guten Abschluss erreicht hätten? Nicht dass ich was gegen öffentliche Demonstrationen habe, ganz im Gegenteil. Aber mir schien das Ganze irgendwie auch ein Stück weit inszeniert. Wir haben uns dort für etwas auf die Straße gestellt, was Aufgabe unserer Arbeitgeber wäre, nämlich das Geld von den Fördergebern ranzuschaffen, welches für die Erledigung unserer Arbeit dringend notwendig ist.
Und wieder auf nach Wien zur dritten Verhandlungsrunde am 4. Februar. Was passiert eigentlich, wenn es heute zu keinem Abschluss kommt? Wieder Demonstrationen? Ein paar kleine „Plan B“ haben wir zwar schon im Gepäck, aber sind unsere Beschäftigten wirklich noch oder schon dazu bereit? Also heute muss ein Abschluss her, das haben sich sicherlich auch Arbeitgeber und Gewerkschaften gedacht. Denn die Annäherungsschritte wurden nun schon etwas sichtbarer.
Die BAGSlerInnen haben ein paar rahmenrechtliche Dinge auf die Reihe bekommen, die DiakonielerInnen hatten davon eh schon genug, und bei den Katholiken wurde weiter geruht. Selbst bei der Pflegekarenz tat sich dort nichts. Caritas-Verhandlungsführer Reischl murrte darüber, dass dies schon wieder ein Frauenthema sei, damit dränge man die armen Frauen geradezu, ihre Angehörigen zu pflegen, das wäre doch ungerecht, das kann er den Frauen doch nicht antun.
Also bei der Caritas gab es heuer gleich mal überhaupt keine rahmenrechtlichen Verbesserungen. Heiß wurde die Diskussion noch einmal bei der Valorisierung der Ist-Gehälter bzw. alten Gehaltsschemata. Hier bemühten sich auch die Gewerkschafter noch einmal tüchtig, um die Lücke nicht allzu riesengroß werden zu lassen, allerdings dies auf Kosten der Kollektivvertragstabellen.
Und ich selbst gestehe zu meiner Schande ein, habe mich ganz rasch von der Gewerkschaft abstoppen lassen, als ich noch mal einen Pieps zum Thema Rahmenrecht bei Caritas und Diakonie gemacht habe. Und so kamen wir kurz vor Mitternacht zur Abstimmung über den Abschluss, der mit knapper Mehrheit (21 gegen 19) beschlossen wurde: 2,75 Prozent auf die Kollektivvertragstabellen, 2,7 Prozent auf die alten Tabellen und Ist-löhne der BAGSlerInnen.
Was ich gelernt habe aus der ersten Globalrunde: Wir Betriebsrätinnen und Betriebsräte müssen laut schreiende und kämpfende GewerkschafterInnen sein, viel, viel lauter als die FunktionärInnen. Und den GewerkschaftsfunktionärInnen viel öfter widersprechen und sie korrigieren. Außerdem sollten wir das Drehbuch für unsere KV-Verhandlungen umschreiben, das, so scheint mir zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften abgesprochen ist.
Und wir müssen alle unsere Beschäftigten, und ganz besonders die vielen teilzeitarbeitenden und die alleinerziehenden Frauen hinter uns bringen. Denn nur gemeinsam sind wir stark.
Heike Fischer ist Diplompädagogin und BRV von Zentrum Spattstraße in Linz
…das sind meine Eindrücke von der ersten Globalrunde im Sozialbereich. Soziale Arbeit ist mehr wert, vor allem mehr wert als derzeit dafür gesellschaftlich aufgewendet wird. Sie benötigt entsprechende Arbeitsbedingungen und muss entsprechend bezahlt werden. Auf einer Konferenz der Sozialwirtschaft im November 2012 wurde durch zahlreiche Vertreter aus Politik, Gewerkschaft und den Arbeitgeberverbänden festgestellt und darüber polemisiert und resümiert, wie schwierig und belastend die Arbeitssituation im privaten Gesundheits-, Pflege- und Sozialbereich ist, wie dramatisch der Zuwachs an Burnout-Erkrankungen u.ä. bei den Beschäftigten ist, welch`wichtigen Faktor die Sozialwirtschaft für die gesamte Wirtschaft unseres Landes darstellt und dass die Löhne und Gehälter der Beschäftigten um ca. 17 Prozent unter den branchenübergreifenden Durchschnittseinkommen liegen.
Wohlwissend dieser Tatsachen, fanden auch in diesem Jahr die Kollektivvertragsverhandlungen für ca. 120.000 Beschäftigte, überwiegend Frauen, im privaten Gesundheits- und Sozialbereich statt. Neu war diesmal, dass die Löhne und Gehälter für die Beschäftigten der Arbeitgeberverbände der Sozialwirtschaft (vormals BAGS), Caritas und Diakonie gemeinsam verhandelt wurden.
In den Jahren zuvor hatte es ohnehin immer Absprachen auf Arbeitgeberseite gegeben, in welcher Höhe valorisiert werden würde bzw. welche Obergrenze auf keinen Fall überschritten werden dürfte. Das Prozedere, einen Abschluss zu erlangen, verlief zum Ärger von Arbeitgebern aber auch Gewerkschaften und BetriebsrätInnen nur zögerlich. In diesem Jahr sollte das anders werden.
Um es gleich vorweg zu nehmen. Ja, für mich als Betriebsrätin einer Diakonieeinrichtung und meine Diakonie-MitstreiterInnen wurde es anders: zeitaufwändiger, emotionaler, intensiver, teilweise auch frustrierender. Aber das finde ich nicht weiter schlimm – ging es doch auch darum, dass wir gemeinsam stärker und solidarischer miteinander auftreten.
Die erste Verhandlungsrunde am 10. Jänner endete gleich mal am Nachmittag nachdem beide Seiten ihre ersten Erwartungen über den zu erreichenden Gehaltsabschluss in Zahlen ausgetauscht hatten. Verhandelt wurde da fast noch gar nicht, immerhin hatten wir ja unsere Betriebsversammlungen und betriebliche Aktivitäten zur Information für die Beschäftigten vorbereitet. Außerdem sollten die Kolleginnen und Kollegen gleich mal für den bereits geplanten Aktionstag am 30. Jänner motiviert werden.
Die zweite Verhandlungsrunde am 24. Jänner wurde da schon spannender. Es hatten bereits mit jedem Arbeitgeberverband Verhandlungen über rahmenrechtliche Inhalte stattgefunden, die bereits Schlüsse darüber zuließen wie heiß die Diskussion werden könnte. Kurz der Tenor der einzelnen AG-Verbände: Caritas – keine Verbesserung im Rahmenrecht in diesem Jahr, BAGS – na da müssen wir noch viel reden drüber wie und was, Diakonie – ein bisserl was, warten wir mal die Valorisierung ab.
Zitzerlweise kamen wir uns näher und gegen Mitternacht beim Stand Arbeitgeber unter 2,4 Prozent und Arbeitnehmer ein Dreier muss vorm Komma sein, gab es plötzlich ein Stopp in beidseitigem Einverständnis. Wobei das beidseitig irreführend ist, denn ich als Betriebsrätin habe das nicht mitentscheiden können. Es hieß nur plötzlich: Am 30. Jänner finden die Demos in den Landeshauptstädten statt. Irgendwelche Absprachen zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften hatte ich da wohl verpasst, obwohl ich den Raum weder geistig noch körperlich verlassen hatte.
Also noch einmal mobilisiert und auf zu den Demos. Die waren gut und wichtig, keine Frage. Aussagen der Arbeitgeber wie z.B. „Die Beschäftigten müssen auch einen Beitrag zur Sanierung der Landesfinanzen leisten...“ oder „ ... seht es als vertrauensbildende Maßnahme, das Vertrauen der öffentlichen Hand in die Sozial- und Pflegeeinrichtungen soll wachsen ...“ wurden teilweise verhöhnt, auch Wut und Enttäuschung über die Arbeitgeber machte sich Luft.
Die Bevölkerung wurde auf die Problematik aufmerksam gemacht, Widerstand und Unmut wurden gezeigt. Auch einige Gewerkschafter konnten sich gut mit ihren Äußerungen in Szene setzen. Aber für mich tat sich die Frage auf: Warum haben wir am 24. Jänner nicht weiter verhandelt? Was wäre denn gewesen, wenn wir vielleicht in den frühen Morgenstunden einen annehmbaren, guten Abschluss erreicht hätten? Nicht dass ich was gegen öffentliche Demonstrationen habe, ganz im Gegenteil. Aber mir schien das Ganze irgendwie auch ein Stück weit inszeniert. Wir haben uns dort für etwas auf die Straße gestellt, was Aufgabe unserer Arbeitgeber wäre, nämlich das Geld von den Fördergebern ranzuschaffen, welches für die Erledigung unserer Arbeit dringend notwendig ist.
Und wieder auf nach Wien zur dritten Verhandlungsrunde am 4. Februar. Was passiert eigentlich, wenn es heute zu keinem Abschluss kommt? Wieder Demonstrationen? Ein paar kleine „Plan B“ haben wir zwar schon im Gepäck, aber sind unsere Beschäftigten wirklich noch oder schon dazu bereit? Also heute muss ein Abschluss her, das haben sich sicherlich auch Arbeitgeber und Gewerkschaften gedacht. Denn die Annäherungsschritte wurden nun schon etwas sichtbarer.
Die BAGSlerInnen haben ein paar rahmenrechtliche Dinge auf die Reihe bekommen, die DiakonielerInnen hatten davon eh schon genug, und bei den Katholiken wurde weiter geruht. Selbst bei der Pflegekarenz tat sich dort nichts. Caritas-Verhandlungsführer Reischl murrte darüber, dass dies schon wieder ein Frauenthema sei, damit dränge man die armen Frauen geradezu, ihre Angehörigen zu pflegen, das wäre doch ungerecht, das kann er den Frauen doch nicht antun.
Also bei der Caritas gab es heuer gleich mal überhaupt keine rahmenrechtlichen Verbesserungen. Heiß wurde die Diskussion noch einmal bei der Valorisierung der Ist-Gehälter bzw. alten Gehaltsschemata. Hier bemühten sich auch die Gewerkschafter noch einmal tüchtig, um die Lücke nicht allzu riesengroß werden zu lassen, allerdings dies auf Kosten der Kollektivvertragstabellen.
Und ich selbst gestehe zu meiner Schande ein, habe mich ganz rasch von der Gewerkschaft abstoppen lassen, als ich noch mal einen Pieps zum Thema Rahmenrecht bei Caritas und Diakonie gemacht habe. Und so kamen wir kurz vor Mitternacht zur Abstimmung über den Abschluss, der mit knapper Mehrheit (21 gegen 19) beschlossen wurde: 2,75 Prozent auf die Kollektivvertragstabellen, 2,7 Prozent auf die alten Tabellen und Ist-löhne der BAGSlerInnen.
Was ich gelernt habe aus der ersten Globalrunde: Wir Betriebsrätinnen und Betriebsräte müssen laut schreiende und kämpfende GewerkschafterInnen sein, viel, viel lauter als die FunktionärInnen. Und den GewerkschaftsfunktionärInnen viel öfter widersprechen und sie korrigieren. Außerdem sollten wir das Drehbuch für unsere KV-Verhandlungen umschreiben, das, so scheint mir zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften abgesprochen ist.
Und wir müssen alle unsere Beschäftigten, und ganz besonders die vielen teilzeitarbeitenden und die alleinerziehenden Frauen hinter uns bringen. Denn nur gemeinsam sind wir stark.
Heike Fischer ist Diplompädagogin und BRV von Zentrum Spattstraße in Linz