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Die Sonntagsfrage

  • Dienstag, 24. Februar 2015 @ 14:25
Meinung Katrin Kubetschka über Einkaufen rund um die Uhr

Das Weihnachtsgeschäft 2014 ist vorbei, das Umsatzergebnis dürfte auf Vorjahresniveau liegen. In diesem Zusammenhang ist die „Sonntagsfrage“ von großer Bedeutung. Sollen die Geschäfte an Sonn- und Feiertagen geöffnet haben? Schauen wir uns die Vorkämpfer an, die bereits jetzt sonntags öffnen, für die scheint die Frage beantwortet: ewig lange Schlangen ab frühmorgens.

Am Sonntag einkaufen?

Der Mensch ist bequem, niemand kann sich den Suggestionen der Marketing-ExpertInnen entziehen. „Einkaufen“ ist als niedrigschwellige Bedürfnisbefriedigung in unserem Unterbewusstsein verankert. Freudlose bis verzweifelte Lebensumstände führen zu dem Versuch, sich „glücklich zu shoppen“, am Sonntag ist endlich Zeit dafür. Die Konsequenzen dürften den meisten KonsumentInnen nicht bewusst sein. Die Handelsangestellten dagegen sind im Bilde: eindeutig und geschlossen lehnen sie die Sonntagsöffnung ab.

…und die Folgen

Der Sonntag ist der einzige Tag in der Woche, an dem der Großteil der Bevölkerung Zeit zur Verfügung hat – selbstbestimmte und vor allem GEMEINSAME Zeit. Ohne gemeinsame Zeit – mit Familie, PartnerInnen, FreundInnen, Bekannten – ist ein wesentliches Grundbedürfnis des Menschen nicht zu erfüllen, nämlich Aufbau und Pflege sozialer Kontakte. „Soziale Kontakte“ klingt sehr nüchtern. In Wahrheit geht es um die Menschen, die wir lieben, die uns nahestehen und uns wichtig sind – diese Beziehungen machen unser Leben erst lebenswert.

In einer Welt der deregulierten Arbeitszeiten wird uns die Möglichkeit der Gemeinschaft mit anderen genommen. Die Konsequenzen für die Einzelnen und für die Gesellschaft insgesamt schätze ich als katastrophal ein. Welche Gesellschaft soll das sein, in der persönliche Begegnungen die Ausnahme sind?

Fatale Auswirkungen

Abgesehen von den verheerenden psychosozialen Folgen stellen sich andere, konkrete Probleme: Was ist mit der Betreuung der Kinder der SonntagsarbeiterInnen? Die Kinderbetreuung funktioniert noch nicht einmal bei den derzeitigen Arbeitsverhältnissen, wie kann es da eine Lösung für die Sonntage geben?

Der Sonntagsarbeit im Handel folgt weitere Sonntagsarbeit in anderen Branchen: Im öffentlichen Verkehr, bei Einsatzkräften, bei KinderbetreuerInnen – bis irgendwann einmal jeder am Sonntag arbeiten muss.

Es geht nicht einfach nur darum, ob die Geschäfte am Sonntag geöffnet sein dürfen oder nicht. Letztendlich handelt es sich um die prinzipielle gesellschaftliche Entscheidung, ob das Privatleben noch halbwegs menschenwürdig gestaltet werden darf oder ob die Unterwerfung der ArbeitnehmerInnen unter den alle Lebensbereiche beherrschenden Markt so weiter geht.

Katrin Kubetschka ist Buchhändlerin und GLB-Aktivistin in Wien