Die Kraft der Nelkenrevolution
- Donnerstag, 17. April 2014 @ 22:19
Max Wachter über portugiesische Verhältnisse
Das Jahr 2014 ist für die portugiesischen ArbeiterInnen und die Gewerkschaftsbewegung ein Jahr der Entscheidung im Kampf für die Interessen der Arbeitenden. Zum 40. Jubiläum der Nelkenrevolution wird die Forderung nach einem „Neuen 25. April” von immer mehr Menschen vehement und lautstark eingefordert. Seit mehr als vier Jahren kämpft die portugiesische Gewerkschaftsbewegung, allen voran die kommunistisch orientierte CGTP-IN, gegen Lohnraub und Sozialkahlschlag im Krisenland im Südwesten Europas. Fünf Generalstreiks mit enorm hoher Beteiligung, sicher doppelt so viele Massendemonstrationen mit mehr als 100.000 Protestierenden und unzählige Kampf- und Streikaktionen in allen großen Städten des Landes haben einen noch größeren Absturz in Armut und Elend, für die meisten LusitanierInnen verhindert.
Über eine Million Arbeitslose
Vom 8. bis 15. März 2014 rollte zum wiederholten Male eine nationale Streik- und Protestwelle über das ganze Land. Am 28. März folgte ein portugiesischer Aktionstag der Jugend. Der April stand im Zeichen des Jahrestages der Nelkenrevolution. Am 1. Mai und bis zu den EU-Wahlen am 25. Mai werden weitere Großereignisse des Kampfes für ein soziales und gerechtes Portugal folgen.
„In Portugal geht es um Alles oder Nichts. Wenn nicht bald unsere korrupte Regierung und die von Brüssel gesendete Troika zum Teufel gejagt werden, geht es uns an den Kragen”, analysiert Rafael ein Mitte20er, der noch Arbeit hat, die portugiesischen Verhältnisse.
Sein Freund Miguel schildert die Situation im Lande wie folgt: „Unsere Regierung befolgt die Order von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank auf Punkt und Beistrich. Auch wenn dadurch das ganze Land vor die Hunde geht. Die PolitikerInnen haben von den Sorgen und Nöten der Bevölkerung keine Ahnung. Es ist ihnen auch egal. Die wollen so viel Geld wie nur möglich auf dem eigenen Konto sehen”. Mit dieser Meinung steht der Elektrotechniker nicht allein da. Es werden täglich immer mehr, die derselben Auffassung sind.
Vier Jahre Sparprogramm hat Portugal tief gespalten. Da sind offiziell fast eine Million Arbeitslose und von denen bekommen nicht einmal 300.000 finanzielle Unterstützung von etwa 300,- Euro. Die anderen fristen mit eigenen Ersparnissen oder durch Zuwendung aus der Familie ihr Leben. Seit 2010 hat eine halbe Million PortugiesInnen das Land verlassen. 2012 und 2013 waren es 240.000 Menschen, die in anderen Ländern Arbeit und Glück suchten. Frankreich und Großbritanninen, gefolgt von Angola und Brasilien waren jeweils für mehr als 50.000 ArbeitsemigrantInnen das Ziel. Selbst in der kleinen Schweiz suchten im Vorjahr 15.000 LusitanierInnen ihr Glück. Ein paar Jahre vor der erfolgreichen Revolution am 25. April 1974 haben auch hunderttausende das Land verlassen. Das faschistische Regime war fast am Ende und hatte Portugal in den politischen und wirtschaftlichen Ruin manövriert.
Protest bis zum Rücktritt
Die Ursache für die hohe Abwanderungsquote liegt auf der Hand. Portugal hatte bis 2010 ein sehr gutes Gesetz für Arbeitsrecht und Kündigungsschutz. 2012 im Parlament beschlossen „regelt” „hire und fire” die Arbeitswelt. Im öffentlichen Sektor wurden Löhne und Gehälter um 20 bis 30 Prozent gekürzt. Für die meisten PensionistInnen gab es um selbigen Prozentsatz weniger Kohle. Der Mindestlohn sank von 485 auf 432 Euro netto und so weiter und so fort.
Auf Grund der Massenproteste dauerte der Lohn-, Pensions- und Gehaltsraub sehr lange. Gesetze wurden beschlossen und danach wieder zurückgenommen. Das Verfassungsgericht hob brutale Einschnitte ins Beamten- und Pensionsrecht auf. Danach wurden die Verschlechterungen scheibchenweise vom Parlament beschlossen und durchgedrückt. Ein paarmal zierte sich das Staatsoberhaupt Anibal Cavaco da Silva und verweigerte seine Gesetzesunterschrift.
Trotz zigfachen Versuchen schafften es die Protestierenden nur zweimal die hohe breite Parlamentsrampe zu überwinden und ihre Anliegen im Plenarsaal lautstark dem konservativen Regierungschef Pedro Passos Coelho kundzutun. Ende November 2013 waren es 10.000 Polizisten und Anfang März dieses Jahres folgten 15.000 Vertreter der Staatsmacht, die ihre zwangsverpflichteten Kolleginnnen und Kollegen „überrannten” und das Hohe Haus namens „Heiliger Benedikt - Sao Bento“ stürmten.
Der Gewerkschaftsverband CGTP-IN mit mehr als 500.000 AktivistInnen und Mitgliedern beweist Zähigkeit und Ausdauer: CGTP- Chef Armenio Carlos fordert jedes Jahr ein dutzend Mal bei den zahlreichen Großkundgebungen vor dem Lissaboner Parlament und dem Amtssitz des Präsidenten in Belem den Rücktritt der Regierung. Eine neue Regierung hat laut Gewerkschaftsbewegung den Auftrag den Kompass in Richtung soziale Gerechtigkeit auszurichten und für das Wohl der Menschen in Portugal zu sorgen.
Die Chancen des CGTP zur Erreichung ihrer Ziele stehen nicht schlecht. Besonders dann nicht, wenn sich die Mehrheit der Bevölkerung an die sozialen und ökonomischen Errungenschaften in den ersten Jahren nach der Nelkenrevolution erinnert.
Martin Wachter ist freier Journalist und lebt in Portugal
Das Jahr 2014 ist für die portugiesischen ArbeiterInnen und die Gewerkschaftsbewegung ein Jahr der Entscheidung im Kampf für die Interessen der Arbeitenden. Zum 40. Jubiläum der Nelkenrevolution wird die Forderung nach einem „Neuen 25. April” von immer mehr Menschen vehement und lautstark eingefordert. Seit mehr als vier Jahren kämpft die portugiesische Gewerkschaftsbewegung, allen voran die kommunistisch orientierte CGTP-IN, gegen Lohnraub und Sozialkahlschlag im Krisenland im Südwesten Europas. Fünf Generalstreiks mit enorm hoher Beteiligung, sicher doppelt so viele Massendemonstrationen mit mehr als 100.000 Protestierenden und unzählige Kampf- und Streikaktionen in allen großen Städten des Landes haben einen noch größeren Absturz in Armut und Elend, für die meisten LusitanierInnen verhindert.
Über eine Million Arbeitslose
Vom 8. bis 15. März 2014 rollte zum wiederholten Male eine nationale Streik- und Protestwelle über das ganze Land. Am 28. März folgte ein portugiesischer Aktionstag der Jugend. Der April stand im Zeichen des Jahrestages der Nelkenrevolution. Am 1. Mai und bis zu den EU-Wahlen am 25. Mai werden weitere Großereignisse des Kampfes für ein soziales und gerechtes Portugal folgen.
„In Portugal geht es um Alles oder Nichts. Wenn nicht bald unsere korrupte Regierung und die von Brüssel gesendete Troika zum Teufel gejagt werden, geht es uns an den Kragen”, analysiert Rafael ein Mitte20er, der noch Arbeit hat, die portugiesischen Verhältnisse.
Sein Freund Miguel schildert die Situation im Lande wie folgt: „Unsere Regierung befolgt die Order von EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank auf Punkt und Beistrich. Auch wenn dadurch das ganze Land vor die Hunde geht. Die PolitikerInnen haben von den Sorgen und Nöten der Bevölkerung keine Ahnung. Es ist ihnen auch egal. Die wollen so viel Geld wie nur möglich auf dem eigenen Konto sehen”. Mit dieser Meinung steht der Elektrotechniker nicht allein da. Es werden täglich immer mehr, die derselben Auffassung sind.
Vier Jahre Sparprogramm hat Portugal tief gespalten. Da sind offiziell fast eine Million Arbeitslose und von denen bekommen nicht einmal 300.000 finanzielle Unterstützung von etwa 300,- Euro. Die anderen fristen mit eigenen Ersparnissen oder durch Zuwendung aus der Familie ihr Leben. Seit 2010 hat eine halbe Million PortugiesInnen das Land verlassen. 2012 und 2013 waren es 240.000 Menschen, die in anderen Ländern Arbeit und Glück suchten. Frankreich und Großbritanninen, gefolgt von Angola und Brasilien waren jeweils für mehr als 50.000 ArbeitsemigrantInnen das Ziel. Selbst in der kleinen Schweiz suchten im Vorjahr 15.000 LusitanierInnen ihr Glück. Ein paar Jahre vor der erfolgreichen Revolution am 25. April 1974 haben auch hunderttausende das Land verlassen. Das faschistische Regime war fast am Ende und hatte Portugal in den politischen und wirtschaftlichen Ruin manövriert.
Protest bis zum Rücktritt
Die Ursache für die hohe Abwanderungsquote liegt auf der Hand. Portugal hatte bis 2010 ein sehr gutes Gesetz für Arbeitsrecht und Kündigungsschutz. 2012 im Parlament beschlossen „regelt” „hire und fire” die Arbeitswelt. Im öffentlichen Sektor wurden Löhne und Gehälter um 20 bis 30 Prozent gekürzt. Für die meisten PensionistInnen gab es um selbigen Prozentsatz weniger Kohle. Der Mindestlohn sank von 485 auf 432 Euro netto und so weiter und so fort.
Auf Grund der Massenproteste dauerte der Lohn-, Pensions- und Gehaltsraub sehr lange. Gesetze wurden beschlossen und danach wieder zurückgenommen. Das Verfassungsgericht hob brutale Einschnitte ins Beamten- und Pensionsrecht auf. Danach wurden die Verschlechterungen scheibchenweise vom Parlament beschlossen und durchgedrückt. Ein paarmal zierte sich das Staatsoberhaupt Anibal Cavaco da Silva und verweigerte seine Gesetzesunterschrift.
Trotz zigfachen Versuchen schafften es die Protestierenden nur zweimal die hohe breite Parlamentsrampe zu überwinden und ihre Anliegen im Plenarsaal lautstark dem konservativen Regierungschef Pedro Passos Coelho kundzutun. Ende November 2013 waren es 10.000 Polizisten und Anfang März dieses Jahres folgten 15.000 Vertreter der Staatsmacht, die ihre zwangsverpflichteten Kolleginnnen und Kollegen „überrannten” und das Hohe Haus namens „Heiliger Benedikt - Sao Bento“ stürmten.
Der Gewerkschaftsverband CGTP-IN mit mehr als 500.000 AktivistInnen und Mitgliedern beweist Zähigkeit und Ausdauer: CGTP- Chef Armenio Carlos fordert jedes Jahr ein dutzend Mal bei den zahlreichen Großkundgebungen vor dem Lissaboner Parlament und dem Amtssitz des Präsidenten in Belem den Rücktritt der Regierung. Eine neue Regierung hat laut Gewerkschaftsbewegung den Auftrag den Kompass in Richtung soziale Gerechtigkeit auszurichten und für das Wohl der Menschen in Portugal zu sorgen.
Die Chancen des CGTP zur Erreichung ihrer Ziele stehen nicht schlecht. Besonders dann nicht, wenn sich die Mehrheit der Bevölkerung an die sozialen und ökonomischen Errungenschaften in den ersten Jahren nach der Nelkenrevolution erinnert.
Martin Wachter ist freier Journalist und lebt in Portugal