Die herrschende Meinung
- Freitag, 12. Februar 2016 @ 12:35
Leo Furtlehner über den neoliberalen Medienbetrieb
War Griechenland noch im ersten Halbjahr 2015 von Politik und Medien bestimmtes Feindbild, wechselte dies dann schlagartig zum Thema Flüchtlinge. Die aktuelle Asyldebatte zeigt, wie schnell und gezielt sich der mediale Mainstream ändern kann. Rechte Hetzer haben mit Argumenten wie „Das Weglassen von Informationen ist Informationspolitik“ oder „Medien wählen von den vielfältigen Ereignissen aus, was sie berichten und was nicht“ schnell das Wort von der „Lügenpresse“ zur Hand. Haben doch FPÖ und Konsorten gut erkannt, wie leicht man die Volksmeinung ins Abseits lenken kann, wenn für alles und jedes die Flüchtlinge verantwortlich gemacht werden.
Es ist geradezu zynisch, wenn angesichts dieser Zustände aus dem rechten Eck inflationär und missbräuchlich das Bachmann-Zitat „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“ in die Debatte eingeworfen wird. Ist doch die „Wahrheit“ aus der Sicht der Hetze eine ganz andere als jene aus der Sicht aller jener, die sich zumindest einen Rest an Solidarität, sozialem Empfinden und humanen Denken bewahrt haben.
ORF-Redakteur Armin Wolf hat zu einer Debatte der „Standard“-Redaktion auf Aspekte des zeitgeistigen Medienbetriebes hingewiesen. Zur Funktion von Medien zitierte er Ex-ORF-Chef Gerd Bacher mit dem Sager „Journalismus ist die Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig, wahr und unwahr, Sinn und Unsinn.“ Mit der Aussage „Professionelle Medien sind dazu da, über Ereignisse von öffentlicher Relevanz zu berichten“ bestätigt freilich der Starjournalist Wolf ungewollt auch die Funktion seinesgleichen in den führenden Medien, vor allem im öffentlich-rechtlichen ORF.
So richtig wie falsch: Denn welche Interessen bestimmen diese Relevanz? Bei kritischer Betrachtung der Praxis des ORF wie auch sogenannter „Qualitätsmed ien“ Marke „Standard“ oder „Presse“ bleibt die vielzitierte Unabhängigkeit und Objektivität allzu oft auf der Strecke. Sei es durch den parteipolitischen Proporz in der Medienmaschine ORF oder durch den neoliberalen Zuschnitt, dem sich auch hochqualifizierte Starjournalisten meist recht freiwillig unterwerfen. Schließlich gilt die Erkenntnis „Die herrschende Meinung ist (immer) die Meinung der Herrschenden“ aus der „Deutschen Ideologie“ von Marx und Engels heute wie damals.
Ein Beispiel dafür ist etwa, wenn bei unreflektierter Gleichsetzung rechte und linke EU-Kritik für die Misere der EU und ihr mögliches Scheitern verantwortlich gemacht wird, während das Kartell von Konservativen, Sozialdemokratie, Liberalen und Grünen und die von diesen Kräften getragene neoliberale Politik mit allen unsozialen Verwerfungen schöngeschrieben wird.
Zeichneten sich Medien in früheren Jahrzehnten durch Verschweigen unangenehmer Themen aus, so schütten sie heute die Menschen mit medialem Schrott regelrecht zu. Man kann schließlich durch eine exzessive Personalisierung und eine Flut von Nebensächlichkeiten den Blick auf das Entscheidende, etwa auf wirtschaftliche Strukturen und Machtverhältnisse, gezielt vernebeln.
Zudem tendieren insbesondere der Boulevard und das Fernsehen im Drang nach möglichst hohen Einschaltquoten dazu, durch eine ausgeprägte Live-Berichterstattung die Menschen möglichst ständig unter Spannung zu setzen. Etwa durch ausführliche Vor-Ort-Berichte über Kriminalfälle, bei der sich dann völlig inkompetente Personen äußern dürfen. Quasi als „Ausgleich“ zu den selbsternannten, unabhängigen und natürlich auch niemand verantwortlichen „Expert_innen“ welche zunehmend den Medienbetrieb bestimmen und uns erklären wollen, wo es politisch langgeht.
Wie Medienpolitik durch Weglassung funktioniert, wird auch bei der Flüchtlingsdebatte bestimmt. Etwa wenn die massiven Waffenlieferungen der europäischen Rüstungsindustrie an Despotenregime Marke Saudi-Arabien gezielt tabuisiert werden. Auch für die Medien geht das Geschäft vor der Moral. Moralisiert werden darf allenfalls über das tragische Los der infolge solcher Rüstungslieferungen und dadurch verursachter Kriege aus ihren Ländern vertriebenen Menschen. Aber über die Geschäfte der Mordindustrie zu berichten, gilt als No-Go.
Dass millionenschwere, mit Regierungsinseraten aus Steuergeldern gefütterte Revolverblätter wie „Kronenzeitung“, „Österreich“ oder „Heute“ mit gar nicht oder nur mangelhaft recherchierten Hetzgeschichten Stimmung machen, sich aber völlig unbeteiligt abputzen, wenn sich der Inhalt als unwahr herausstellt, ist bekannt. Gehört die Frage nach dem Rücktritt von Politiker_innen zum Standardrepertoire von Spitzenjournalisten, so schließen sie solches für sich selbst grundsätzlich aus. Gilt doch die vierte Macht im Staate als sakrosankt. Und grundsätzlich gilt nach wie vor, dass „die Pressefreiheit die Freiheit von 200 reichen Leuten ist, ihre Meinung zu verbreiten“ (Paul Sethe).
Armin Wolf hat recht, wenn er meint „Medien dürfen nicht nur – sie sollen ganz viel weglassen: Das Unwichtige, das Unwahre und das Unsinnige.“ Wolf und seinesgleichen könnten damit beginnen, den Hetzern der FPÖ nicht mehr ständig Raum zu bieten, ihr Gift an das Publikum abzusondern. Was freilich bei einer parteipolitisch so durchstrukturierten Medienmaschine wie dem ORF wohl nur ein Wunschtraum ist.
Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“
War Griechenland noch im ersten Halbjahr 2015 von Politik und Medien bestimmtes Feindbild, wechselte dies dann schlagartig zum Thema Flüchtlinge. Die aktuelle Asyldebatte zeigt, wie schnell und gezielt sich der mediale Mainstream ändern kann. Rechte Hetzer haben mit Argumenten wie „Das Weglassen von Informationen ist Informationspolitik“ oder „Medien wählen von den vielfältigen Ereignissen aus, was sie berichten und was nicht“ schnell das Wort von der „Lügenpresse“ zur Hand. Haben doch FPÖ und Konsorten gut erkannt, wie leicht man die Volksmeinung ins Abseits lenken kann, wenn für alles und jedes die Flüchtlinge verantwortlich gemacht werden.
Es ist geradezu zynisch, wenn angesichts dieser Zustände aus dem rechten Eck inflationär und missbräuchlich das Bachmann-Zitat „Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“ in die Debatte eingeworfen wird. Ist doch die „Wahrheit“ aus der Sicht der Hetze eine ganz andere als jene aus der Sicht aller jener, die sich zumindest einen Rest an Solidarität, sozialem Empfinden und humanen Denken bewahrt haben.
ORF-Redakteur Armin Wolf hat zu einer Debatte der „Standard“-Redaktion auf Aspekte des zeitgeistigen Medienbetriebes hingewiesen. Zur Funktion von Medien zitierte er Ex-ORF-Chef Gerd Bacher mit dem Sager „Journalismus ist die Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig, wahr und unwahr, Sinn und Unsinn.“ Mit der Aussage „Professionelle Medien sind dazu da, über Ereignisse von öffentlicher Relevanz zu berichten“ bestätigt freilich der Starjournalist Wolf ungewollt auch die Funktion seinesgleichen in den führenden Medien, vor allem im öffentlich-rechtlichen ORF.
So richtig wie falsch: Denn welche Interessen bestimmen diese Relevanz? Bei kritischer Betrachtung der Praxis des ORF wie auch sogenannter „Qualitätsmed ien“ Marke „Standard“ oder „Presse“ bleibt die vielzitierte Unabhängigkeit und Objektivität allzu oft auf der Strecke. Sei es durch den parteipolitischen Proporz in der Medienmaschine ORF oder durch den neoliberalen Zuschnitt, dem sich auch hochqualifizierte Starjournalisten meist recht freiwillig unterwerfen. Schließlich gilt die Erkenntnis „Die herrschende Meinung ist (immer) die Meinung der Herrschenden“ aus der „Deutschen Ideologie“ von Marx und Engels heute wie damals.
Ein Beispiel dafür ist etwa, wenn bei unreflektierter Gleichsetzung rechte und linke EU-Kritik für die Misere der EU und ihr mögliches Scheitern verantwortlich gemacht wird, während das Kartell von Konservativen, Sozialdemokratie, Liberalen und Grünen und die von diesen Kräften getragene neoliberale Politik mit allen unsozialen Verwerfungen schöngeschrieben wird.
Zeichneten sich Medien in früheren Jahrzehnten durch Verschweigen unangenehmer Themen aus, so schütten sie heute die Menschen mit medialem Schrott regelrecht zu. Man kann schließlich durch eine exzessive Personalisierung und eine Flut von Nebensächlichkeiten den Blick auf das Entscheidende, etwa auf wirtschaftliche Strukturen und Machtverhältnisse, gezielt vernebeln.
Zudem tendieren insbesondere der Boulevard und das Fernsehen im Drang nach möglichst hohen Einschaltquoten dazu, durch eine ausgeprägte Live-Berichterstattung die Menschen möglichst ständig unter Spannung zu setzen. Etwa durch ausführliche Vor-Ort-Berichte über Kriminalfälle, bei der sich dann völlig inkompetente Personen äußern dürfen. Quasi als „Ausgleich“ zu den selbsternannten, unabhängigen und natürlich auch niemand verantwortlichen „Expert_innen“ welche zunehmend den Medienbetrieb bestimmen und uns erklären wollen, wo es politisch langgeht.
Wie Medienpolitik durch Weglassung funktioniert, wird auch bei der Flüchtlingsdebatte bestimmt. Etwa wenn die massiven Waffenlieferungen der europäischen Rüstungsindustrie an Despotenregime Marke Saudi-Arabien gezielt tabuisiert werden. Auch für die Medien geht das Geschäft vor der Moral. Moralisiert werden darf allenfalls über das tragische Los der infolge solcher Rüstungslieferungen und dadurch verursachter Kriege aus ihren Ländern vertriebenen Menschen. Aber über die Geschäfte der Mordindustrie zu berichten, gilt als No-Go.
Dass millionenschwere, mit Regierungsinseraten aus Steuergeldern gefütterte Revolverblätter wie „Kronenzeitung“, „Österreich“ oder „Heute“ mit gar nicht oder nur mangelhaft recherchierten Hetzgeschichten Stimmung machen, sich aber völlig unbeteiligt abputzen, wenn sich der Inhalt als unwahr herausstellt, ist bekannt. Gehört die Frage nach dem Rücktritt von Politiker_innen zum Standardrepertoire von Spitzenjournalisten, so schließen sie solches für sich selbst grundsätzlich aus. Gilt doch die vierte Macht im Staate als sakrosankt. Und grundsätzlich gilt nach wie vor, dass „die Pressefreiheit die Freiheit von 200 reichen Leuten ist, ihre Meinung zu verbreiten“ (Paul Sethe).
Armin Wolf hat recht, wenn er meint „Medien dürfen nicht nur – sie sollen ganz viel weglassen: Das Unwichtige, das Unwahre und das Unsinnige.“ Wolf und seinesgleichen könnten damit beginnen, den Hetzern der FPÖ nicht mehr ständig Raum zu bieten, ihr Gift an das Publikum abzusondern. Was freilich bei einer parteipolitisch so durchstrukturierten Medienmaschine wie dem ORF wohl nur ein Wunschtraum ist.
Leo Furtlehner ist verantwortlicher Redakteur der „Arbeit“