Denkanstoß zur Arbeitszeitdebatte
- Montag, 13. Februar 2017 @ 09:45
Lahouri El Fontroussi zum Thema Arbeitszeit 4.0
Mittlerweile ist die Arbeitszeitverkürzung im Mainstream angekommen. Laut Christian Kerns „Plan A“ wollen die Sozialdemokraten mittelfristig über Maßnahmen dazu nachdenken. Ein Denkanstoß von Seiten des GLB. Gleich vorweg muss mit dem Denkfehler aufgeräumt werden, dass es auf der einen Seite Menschen gibt, die weniger arbeiten möchten, weil sie ohnehin genug verdienen und sich dies gut mit der Tatsache vereinbaren ließe, dass es auf der anderen Seite Menschen gibt, die ihre Arbeitszeit erweitern wollen, damit sie mehr verdienen.
Prinzipiell möchten Menschen mit ihrer Arbeit ausreichend verdienen, um ihr Leben bestreiten zu können. Dabei ist zu beachten, dass sie dies in einem Ausmaß machen wollen, welches mit ihrer Vorstellung einer gesunden Lebensbalance vereinbar ist. Sollte das nicht möglich sein, so will jedenfalls niemand in so einem Maße arbeiten, dass es der körperlichen und seelischen Gesundheit abträglich wird.
Wer Plan A sagt...
Eine Arbeitszeitverkürzung macht nur dann Sinn, wenn sie mit einem vollen Lohn- und Personalausgleich verbunden ist. Die selbst finanzierte Freizeit („Freizeitoption“) ist genauso abzulehnen wie eine Arbeitsverdichtung und ebenso wie eine vom Arbeitgeber einseitig vorgegebene Flexibilisierung. Eine Ausweitung der täglichen Normalarbeitszeit auf 12 Stunden darf - wenn überhaupt notwendig - nicht ohne Mitsprache der Interessenvertreter*innen erfolgen, also nur über Kollektivvertrag respektive Betriebsvereinbarung oder Arbeitsinspektorat.
Überhaupt sind Interessensvertretungen der Arbeitnehmer*innen gut beraten, die Deutungshoheit für sich zu beanspruchen. Besonders dann, wenn behauptet wird, etwas (auch) im Interesse der Beschäftigten zu tun. Bei einem Wunsch nach Flexibilisierung der Arbeitszeit sollte dringend nach den Hintergründen gefragt werden, weshalb eine fixe und damit verlässliche Arbeitszeit abgelehnt wird, beziehungsweise warum bestehende Möglichkeiten zur Veränderung der Normalarbeitszeit nicht ausreichen sollen.
Flexibilisierung
Aus Sicht der Arbeitgeber*innen kann die Frage leicht beantwortet werden: permanenter Personalmangel, knappste Kalkulation, kurzfristige Planung. Die systematische Überlastung des Unternehmens müsse bei Schwankungen des Marktes und des Arbeitsvolumens ausgeglichen werden. Die entstandene Mehrarbeit soll ohne Zuschläge abgegolten werden und zwar in Form von Zeitausgleich, wenn das Arbeitsvolumen weniger wird.
Arbeitnehmer*innen hingegen sollen ein Recht auf eine „selbstbestimmte Erwerbsbiografie“ haben: der Wechsel auf diverse Teilzeitmodelle oder auf Vollzeit mit größtmöglicher Zeitautonomie soll statt einvernehmlicher Verhandlungssache Rechtsanspruch werden. Damit hier auch eine Wahlmöglichkeit besteht, müssen der Entgeltentfall ausgeglichen und Sozialversicherungsbeiträge im Vollzeitäquivalent geleistet werden, damit es später im Versicherungsfall nicht zu Abschlägen kommt.
Vertrauensarbeitszeit = Vertrauensentgelt
Diese Forderungen unter einen Hut zu bringen klingt eher nach einer „Mission Impossible“ als nach einem „Plan A“, aber einen Versuch ist es definitiv wert. Insbesondere da der erste Teil - trotz gegenteiliger Gesetzesregelung - bereits Realität ist. Möglich macht es die Vertrauensarbeitszeit. Die Annahme ist, dass ein bestimmtes Arbeitspensum in einem bestimmten Zeitraum erledigt werden kann und soll.
Das heißt: für die Erledigung der vorgegebenen Arbeit wird nicht weniger, aber auch nicht mehr Zeit zur Verfügung gestellt. Falls die Zeit doch nicht ausreicht, dann liegt es in der Verantwortung der Arbeitnehmer*innen, die Arbeit dennoch zu erledigen. Mehrstunden beziehungsweise Überstunden werden nur dann genehmigt, wenn es nachweislich Mehrarbeit gibt und dann auch nur „ausreichend“. Es soll hier die Feststellung reichen, dass in Österreich viele Überstunden geleistet werden, ein Teil davon wird jedoch gar nicht oder ohne Zuschläge abgegolten.
Eigentlich sollte neben der Vertrauensarbeitszeit ein Vertrauensentgelt eingeführt werden. Wenn ein Teil des Arbeitsvertrags, nämlich die Arbeitszeit, zur Vertrauenssache erklärt wird, dann muss das auch für den anderen Teil, nämlich das Arbeitsentgelt, gelten. Also buchen sich die Arbeitnehmer*innen dann selbst ihren berechtigten Lohn vom Arbeitgeber*innenkonto ab: nicht zu viel, nicht zu wenig, im Vertrauen eben.
Arbeitszeitkonto neu
Eine Möglichkeit ist es, das Arbeitszeitkonto neu zu regeln, auf dem die geleistete Arbeitszeit aufgezeichnet und die vereinbarte Arbeitszeit abgezogen wird: Die gesammelte Mehrzeit soll den Arbeitnehmer*innen als Zeitguthaben zur freien Verfügung stehen und kann als bezahlte Freizeit gegen Arbeitszeit eingetauscht werden. Je nach angespartem Zeitguthaben kann von einzelnen Stunden angefangen bis hin zu zusammenhängenden Arbeitstagen bezahlte Freizeit konsumiert oder auch die Arbeitszeit über einen bestimmten Zeitraum reduziert werden ohne dass der Arbeitsvertrag geändert werden müsste. Arbeitnehmer*innen können also selbstbestimmt entscheiden, wann und wie sie ihre Freizeit beziehungsweise Teilzeit legen - ohne Rechtfertigung (Bildung, Betreuung, Pflege, Hospiz o.ä.) und unabhängig vom „guten Willen“ der Arbeitgeber*innen, die Ablehnungen zumeist mit betrieblichen Erfordernissen argumentieren.
Dafür braucht es einen Rahmen, der einerseits eine völlige Entgrenzung der Arbeitnehmer*innen zu ihrer Arbeit und andererseits eine Gefährdung des Betriebes als existenzsichernde Grundlage der Belegschaft verhindert. Bestehende Gesetze und der Gemeinsinn (Menschenverstand, auch für das Gemeinwohl) der Mitarbeiter*innen bildeten hier eine gute Grundlage - wenn sie denn Anwendung fänden.
Voraus- und Umsetzung
Wichtigste Voraussetzung ist, dass Arbeitnehmer*innen endlich damit anfangen, Ihre tatsächlich geleistet Arbeitsleistung aufzuzeichnen - sei es in der Firma, zu Hause, im Außendienst oder unterwegs - und nicht nur die vereinbarte (Vertrauens-) Arbeitszeit. Nur wenn die Arbeitsrealität abgebildet wird, können Verbesserungen argumentiert und durchgeführt werden. Außerdem ist eine unvollständige Arbeitszeitaufzeichnung, abgesehen von den persönlichen Nachteilen (Zeit- oder Entgeltsverlust), nicht nur eine Urkundenfälschung, sondern erfüllt auch den Tatbestand des Steuer- und Sozialbetrugs.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass bei Überschreitung von Kennzahlen Maßnahmen eingeleitet werden müssen: Wenn Mehr- und Überstunden ein Ausmaß annehmen, dass nicht mehr abgebaut werden kann, ist das ein klares Indiz dafür, dass zu wenig Personal eingestellt ist oder die Leistungsanforderung beziehungsweise Arbeitsverdichtung zu hoch ist. Auch in Hinblick auf eine freie Verfügbarkeit des Arbeitszeitkontos muss sichergestellt werden, dass die notwendigen Ressourcen vorhanden sind, um einerseits die Arbeitserbringung sowie andererseits die Arbeitszeitflexibilität zu gewährleisten.
Wenn sich Mitarbeiter*innen entschließen ihre Zeitguthaben abzubauen, werden andere dies ausgleichen und so Zeitguthaben aufbauen. Es wird einige Zeit in Anspruch nehmen, bis sich hier ein optimaler Beschäftigungsstand einstellt. Im Zusammenspiel jedoch mit einer vorausschauenden Personalpolitik entsteht ein dynamischer Beschäftigungskreislauf, der sowohl auf Schwankungen des Marktes reagieren kann als auch eine individuelle, flexible Arbeitszeitgestaltung ermöglicht.
Arbeitszeitverkürzung als Startschuss?
Als Initialzündung kann eine schnell umgesetzte Verkürzung der Normalarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich dienen. Anfänglich wird sich an der Arbeitsrealität nicht viel ändern: die Menschen werden vorerst gleich viel arbeiten und gleich viel verdienen, jedoch mit dem Unterschied, dass ihr Zeitguthaben wächst. Spätestens bei Erreichen der vorher genannten Kennzahlen wird zusätzliches Personal eingestellt. Die vorhandene Arbeit wird besser aufgeteilt, die tatsächliche Arbeitszeit verringert, aber weiterhin bei gleichem Entgelt.
Die Übergangsphase wird besondere Regelungen brauchen: eingeschränkte Verfügbarkeit über das Arbeitszeitkonto, eingeschränkte Zuschläge für Mehrarbeit und ähnliches. Danach ist aber vieles möglich: Sei es, dass öfters Zeitausgleich genommen wird um die Freizeit zu verlängern. Sei es, dass Zeiten gespart werden, um über einen längeren Zeitraum Teilzeit zu arbeiten oder länger frei zu nehmen. Zeitguthaben könnten auch verwendet werden, um Kündigungsfristen auszudehnen oder früher „in Pension“ zu gehen. Und das alles bei immer gleichbleibender Bezahlung, wohlgemerkt.
Momo und die Zeitdiebe
So gut das auch alles klingen mag, ein fahler Beigeschmack bleibt übrig: Zeit kann nicht so wie Geld gespart werden. Auch weiß man nicht, ob die Zeit morgen genauso genutzt werden kann wie heute. Am Ende kann sich niemand die Zeit mitnehmen; ebenso wenig Geld. Michael Endes Fantasy-Roman „Momo“ erzählt die Geschichte von einem Dorf, das von grauen Männern der „Zeitsparkasse“ besucht wird, welche die Dorfbewohner dazu bringen, ihre Zeit zu sparen. Ohne viel vom Inhalt zu verraten, ist die Lektüre des Buches als Inspiration und Warnung zu empfehlen.
Lahouri El Fontroussi ist Betriebsrat bei ibis acam und GLB-Aktivist in Wien
Mittlerweile ist die Arbeitszeitverkürzung im Mainstream angekommen. Laut Christian Kerns „Plan A“ wollen die Sozialdemokraten mittelfristig über Maßnahmen dazu nachdenken. Ein Denkanstoß von Seiten des GLB. Gleich vorweg muss mit dem Denkfehler aufgeräumt werden, dass es auf der einen Seite Menschen gibt, die weniger arbeiten möchten, weil sie ohnehin genug verdienen und sich dies gut mit der Tatsache vereinbaren ließe, dass es auf der anderen Seite Menschen gibt, die ihre Arbeitszeit erweitern wollen, damit sie mehr verdienen.
Prinzipiell möchten Menschen mit ihrer Arbeit ausreichend verdienen, um ihr Leben bestreiten zu können. Dabei ist zu beachten, dass sie dies in einem Ausmaß machen wollen, welches mit ihrer Vorstellung einer gesunden Lebensbalance vereinbar ist. Sollte das nicht möglich sein, so will jedenfalls niemand in so einem Maße arbeiten, dass es der körperlichen und seelischen Gesundheit abträglich wird.
Wer Plan A sagt...
Eine Arbeitszeitverkürzung macht nur dann Sinn, wenn sie mit einem vollen Lohn- und Personalausgleich verbunden ist. Die selbst finanzierte Freizeit („Freizeitoption“) ist genauso abzulehnen wie eine Arbeitsverdichtung und ebenso wie eine vom Arbeitgeber einseitig vorgegebene Flexibilisierung. Eine Ausweitung der täglichen Normalarbeitszeit auf 12 Stunden darf - wenn überhaupt notwendig - nicht ohne Mitsprache der Interessenvertreter*innen erfolgen, also nur über Kollektivvertrag respektive Betriebsvereinbarung oder Arbeitsinspektorat.
Überhaupt sind Interessensvertretungen der Arbeitnehmer*innen gut beraten, die Deutungshoheit für sich zu beanspruchen. Besonders dann, wenn behauptet wird, etwas (auch) im Interesse der Beschäftigten zu tun. Bei einem Wunsch nach Flexibilisierung der Arbeitszeit sollte dringend nach den Hintergründen gefragt werden, weshalb eine fixe und damit verlässliche Arbeitszeit abgelehnt wird, beziehungsweise warum bestehende Möglichkeiten zur Veränderung der Normalarbeitszeit nicht ausreichen sollen.
Flexibilisierung
Aus Sicht der Arbeitgeber*innen kann die Frage leicht beantwortet werden: permanenter Personalmangel, knappste Kalkulation, kurzfristige Planung. Die systematische Überlastung des Unternehmens müsse bei Schwankungen des Marktes und des Arbeitsvolumens ausgeglichen werden. Die entstandene Mehrarbeit soll ohne Zuschläge abgegolten werden und zwar in Form von Zeitausgleich, wenn das Arbeitsvolumen weniger wird.
Arbeitnehmer*innen hingegen sollen ein Recht auf eine „selbstbestimmte Erwerbsbiografie“ haben: der Wechsel auf diverse Teilzeitmodelle oder auf Vollzeit mit größtmöglicher Zeitautonomie soll statt einvernehmlicher Verhandlungssache Rechtsanspruch werden. Damit hier auch eine Wahlmöglichkeit besteht, müssen der Entgeltentfall ausgeglichen und Sozialversicherungsbeiträge im Vollzeitäquivalent geleistet werden, damit es später im Versicherungsfall nicht zu Abschlägen kommt.
Vertrauensarbeitszeit = Vertrauensentgelt
Diese Forderungen unter einen Hut zu bringen klingt eher nach einer „Mission Impossible“ als nach einem „Plan A“, aber einen Versuch ist es definitiv wert. Insbesondere da der erste Teil - trotz gegenteiliger Gesetzesregelung - bereits Realität ist. Möglich macht es die Vertrauensarbeitszeit. Die Annahme ist, dass ein bestimmtes Arbeitspensum in einem bestimmten Zeitraum erledigt werden kann und soll.
Das heißt: für die Erledigung der vorgegebenen Arbeit wird nicht weniger, aber auch nicht mehr Zeit zur Verfügung gestellt. Falls die Zeit doch nicht ausreicht, dann liegt es in der Verantwortung der Arbeitnehmer*innen, die Arbeit dennoch zu erledigen. Mehrstunden beziehungsweise Überstunden werden nur dann genehmigt, wenn es nachweislich Mehrarbeit gibt und dann auch nur „ausreichend“. Es soll hier die Feststellung reichen, dass in Österreich viele Überstunden geleistet werden, ein Teil davon wird jedoch gar nicht oder ohne Zuschläge abgegolten.
Eigentlich sollte neben der Vertrauensarbeitszeit ein Vertrauensentgelt eingeführt werden. Wenn ein Teil des Arbeitsvertrags, nämlich die Arbeitszeit, zur Vertrauenssache erklärt wird, dann muss das auch für den anderen Teil, nämlich das Arbeitsentgelt, gelten. Also buchen sich die Arbeitnehmer*innen dann selbst ihren berechtigten Lohn vom Arbeitgeber*innenkonto ab: nicht zu viel, nicht zu wenig, im Vertrauen eben.
Arbeitszeitkonto neu
Eine Möglichkeit ist es, das Arbeitszeitkonto neu zu regeln, auf dem die geleistete Arbeitszeit aufgezeichnet und die vereinbarte Arbeitszeit abgezogen wird: Die gesammelte Mehrzeit soll den Arbeitnehmer*innen als Zeitguthaben zur freien Verfügung stehen und kann als bezahlte Freizeit gegen Arbeitszeit eingetauscht werden. Je nach angespartem Zeitguthaben kann von einzelnen Stunden angefangen bis hin zu zusammenhängenden Arbeitstagen bezahlte Freizeit konsumiert oder auch die Arbeitszeit über einen bestimmten Zeitraum reduziert werden ohne dass der Arbeitsvertrag geändert werden müsste. Arbeitnehmer*innen können also selbstbestimmt entscheiden, wann und wie sie ihre Freizeit beziehungsweise Teilzeit legen - ohne Rechtfertigung (Bildung, Betreuung, Pflege, Hospiz o.ä.) und unabhängig vom „guten Willen“ der Arbeitgeber*innen, die Ablehnungen zumeist mit betrieblichen Erfordernissen argumentieren.
Dafür braucht es einen Rahmen, der einerseits eine völlige Entgrenzung der Arbeitnehmer*innen zu ihrer Arbeit und andererseits eine Gefährdung des Betriebes als existenzsichernde Grundlage der Belegschaft verhindert. Bestehende Gesetze und der Gemeinsinn (Menschenverstand, auch für das Gemeinwohl) der Mitarbeiter*innen bildeten hier eine gute Grundlage - wenn sie denn Anwendung fänden.
Voraus- und Umsetzung
Wichtigste Voraussetzung ist, dass Arbeitnehmer*innen endlich damit anfangen, Ihre tatsächlich geleistet Arbeitsleistung aufzuzeichnen - sei es in der Firma, zu Hause, im Außendienst oder unterwegs - und nicht nur die vereinbarte (Vertrauens-) Arbeitszeit. Nur wenn die Arbeitsrealität abgebildet wird, können Verbesserungen argumentiert und durchgeführt werden. Außerdem ist eine unvollständige Arbeitszeitaufzeichnung, abgesehen von den persönlichen Nachteilen (Zeit- oder Entgeltsverlust), nicht nur eine Urkundenfälschung, sondern erfüllt auch den Tatbestand des Steuer- und Sozialbetrugs.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass bei Überschreitung von Kennzahlen Maßnahmen eingeleitet werden müssen: Wenn Mehr- und Überstunden ein Ausmaß annehmen, dass nicht mehr abgebaut werden kann, ist das ein klares Indiz dafür, dass zu wenig Personal eingestellt ist oder die Leistungsanforderung beziehungsweise Arbeitsverdichtung zu hoch ist. Auch in Hinblick auf eine freie Verfügbarkeit des Arbeitszeitkontos muss sichergestellt werden, dass die notwendigen Ressourcen vorhanden sind, um einerseits die Arbeitserbringung sowie andererseits die Arbeitszeitflexibilität zu gewährleisten.
Wenn sich Mitarbeiter*innen entschließen ihre Zeitguthaben abzubauen, werden andere dies ausgleichen und so Zeitguthaben aufbauen. Es wird einige Zeit in Anspruch nehmen, bis sich hier ein optimaler Beschäftigungsstand einstellt. Im Zusammenspiel jedoch mit einer vorausschauenden Personalpolitik entsteht ein dynamischer Beschäftigungskreislauf, der sowohl auf Schwankungen des Marktes reagieren kann als auch eine individuelle, flexible Arbeitszeitgestaltung ermöglicht.
Arbeitszeitverkürzung als Startschuss?
Als Initialzündung kann eine schnell umgesetzte Verkürzung der Normalarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich dienen. Anfänglich wird sich an der Arbeitsrealität nicht viel ändern: die Menschen werden vorerst gleich viel arbeiten und gleich viel verdienen, jedoch mit dem Unterschied, dass ihr Zeitguthaben wächst. Spätestens bei Erreichen der vorher genannten Kennzahlen wird zusätzliches Personal eingestellt. Die vorhandene Arbeit wird besser aufgeteilt, die tatsächliche Arbeitszeit verringert, aber weiterhin bei gleichem Entgelt.
Die Übergangsphase wird besondere Regelungen brauchen: eingeschränkte Verfügbarkeit über das Arbeitszeitkonto, eingeschränkte Zuschläge für Mehrarbeit und ähnliches. Danach ist aber vieles möglich: Sei es, dass öfters Zeitausgleich genommen wird um die Freizeit zu verlängern. Sei es, dass Zeiten gespart werden, um über einen längeren Zeitraum Teilzeit zu arbeiten oder länger frei zu nehmen. Zeitguthaben könnten auch verwendet werden, um Kündigungsfristen auszudehnen oder früher „in Pension“ zu gehen. Und das alles bei immer gleichbleibender Bezahlung, wohlgemerkt.
Momo und die Zeitdiebe
So gut das auch alles klingen mag, ein fahler Beigeschmack bleibt übrig: Zeit kann nicht so wie Geld gespart werden. Auch weiß man nicht, ob die Zeit morgen genauso genutzt werden kann wie heute. Am Ende kann sich niemand die Zeit mitnehmen; ebenso wenig Geld. Michael Endes Fantasy-Roman „Momo“ erzählt die Geschichte von einem Dorf, das von grauen Männern der „Zeitsparkasse“ besucht wird, welche die Dorfbewohner dazu bringen, ihre Zeit zu sparen. Ohne viel vom Inhalt zu verraten, ist die Lektüre des Buches als Inspiration und Warnung zu empfehlen.
Lahouri El Fontroussi ist Betriebsrat bei ibis acam und GLB-Aktivist in Wien