Den Reichen tut's nicht weh...
- Montag, 13. April 2015 @ 10:50
Josef Stingl über die Steuerreform
Die Steuerreform steht. Es gibt Applaus, nicht nur von Parteifreund_innen, sondern auch von Kardinal Schönborn. Das Kirchenoberhaupt meint, dass ein „guter Anfang“ getan sei, um die Schere zwischen Arm und Reich ein wenig zu schließen. Und auch die Gewerkschaften gehören zu den Claqueuren. In der mit nur drei Gegenstimmen (von GLB und AUGE) beschlossenen Resolution des ÖGB-Bundesvorstandes heißt es, dass die zentralen Forderungen, wie ein niedrigerer Einstiegssteuersatz oder eine höhere Negativsteuer mit den Regierungsplänen umgesetzt wurden. Die Maßnahmen gegen Steuerbetrug werden begrüßt. Ebenso die „vereinzelten Maßnahmen“ bei der Versteuerung auf Gewinn und Vermögen. Bedauerlich sei nur, dass dies zu wenig weitgehend ist. Kritiker_innen wurden von GPA-djp-Bundesgeschäftsführerin Dwora Stein mit „Wir lassen uns, unseren Erfolg nicht schlechtreden“ belehrt.
Zu den Fakten
Größte Steuerreform der 2. Republik? Ein Mehr an Verteilungsgerechtigkeit? Vom Volumen her mag es stimmen. Positiv ist die Senkung des Eingangssteuersatzes, die Erhöhung der Negativsteuer und die automatische Arbeitnehmer_innenveranlagung – sie lassen vorerst mal etwas mehr im Börsel der Lohnabhängigen aufscheinen. Ein Umstand der von Anfang an feststand. Wegen des Fehlens der Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern bezeichnete das damals ÖGB-Präsident Erich Foglar als „maximal ein Lackerl Wasser“.
Betrachtet man das „Mehr im Börsel“ genauer, kommen weitere Zweifel auf: „Es stimmt, wir müssen uns die Reform nicht selbst bezahlen“, meinte etwa der GLB-Vertreter im ÖGB-Bundesvorstand, „denn wir haben uns die Senkung des Eingangssteuersatzes bereits in den letzten Jahren selbst finanziert! Laut der Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung hat uns die kalte Progression die Lohnsteuereinnahmen seit 2009 um 3,58 Mrd. Euro gekostet. Rechnet man die Auswirkungen der kalten Progression von heuer dazu, ist die Steuersatzsenkung nur die Wiederherstellung des damaligen Ist-Standes.“ Und an der kalten Progression wurde nicht gerüttelt. In ein, zwei oder drei Jahren kann sich das Finanzministerium wieder über ein großes Mehr an Lohnsteuer freuen.
Zur Verteilungsgerechtigkeit
Mindestpensionist_innen dürfen sich (frühestens im März 2017) über jährlich 109 Euro, Niedriglohnverdiener_innen über jährlich zwei, drei Hunderter mehr freuen, während jene die beispielsweise rund 9.000 Euro monatlich „verdienen“ (wie etwa Nationalratsabgeordnete), ab Ende Jänner jeden Monat mehr als 200 Euro mehr in ihren Lohntüten vorfinden werden. Erst bei einem Monatseinkommen von rund 90.000 Euro ist durch den neuen (auf fünf Jahren befristeten) Spitzensteuersatz von 55 Prozent die Steuererleichterung gleich Null. Im Übrigen, Einkommen die rund viermal so hoch sind, als jenes des Bundespräsidenten und nicht einmal 500 Personen betrifft.
Ein Überhammer folgt erst ein Jahr nach dem Reform-Start: Die steuerliche Begünstigung privater Lebens-, Kranken- und Pensionsversicherungen wird ebenso wie jene für Sonderausgaben zur Sanierung von Wohnraum gestrichen. Und so ein weiterer Teil des „Mehr Netto vom Brutto“ zurückgeholt.
Gerechte Gegenfinanzierung
Selbst erzkonservative Steuerexpert_innen bezweifeln das Erzielen der jährlich geschätzten 1,9 Milliarden Euro. Bei der letzten Steuerreform sollte es eine Milliarde Euro an Steuerplus für Zahlungen aus Schweizer Schwarzgeldkonten geben. Die Realität: In keinem einzigen Jahr konnte diese Summe erzielt werden. Offen bleibt die Frage, wenn die Regierung von Steuerbetrug weiß, warum sie nicht auch ohne Reform gegen diesen vorgeht und bis 2016 wartet? Bleiben nur die (kosmetischen) Veränderungen bei der Kapitalertrags- und bei der Grunderwerbssteuer. Sie dienen dazu, den fehlenden Steueranteil aus Kapital und Vermögen weiterhin zu verschleiern.
Bei der Gegenfinanzierung nicht vergessen darf man auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Tierbedarf, Kino- und Theaterkarten, Hotelzimmerpreise und der Tarife der öffentliche Verkehrsmittel. Wenn sich der leitende Sekretär des ÖGB Bernhard Achitz darüber lustig macht, dass dies erst beim Besitz von tausenden Kanarienvögeln oder einem exzessiven Besuch von Stundenhotels wirklich spürbar ins Geld gehe, so beweist er nur, wie sehr unsere SPÖ-“Gewerkschaftsführer_innen“ den Kontakt zu ihren Mitgliedern verloren haben. Schon heute verzichten viele prekär lebende am Monatsende zugunsten ihrer geliebten (oft einzigen) tierischen Lebenskumpanen.
Die Moral aus dieser Steuer-Reform-Geschichte: Den Reichen tut’s nicht weh, wer arm ist, ist daran selber schuld! „Verteilungsgerechtigkeit bedarf Umverteilung, Umverteilung und Umverteilung! So lange den ,reichen Säcken´, den Kapitalgesellschaften und den Stiftungen nicht ernsthaft etwas zum Gemeinwohl der arbeitenden Klasse genommen wird, solange werden wir als Fraktion, eine Steuerreform nicht mit unserer Zustimmung absegnen“, meinte der GLB-Vertreter zur ÖGB-Zustimmung.
Josef Stingl ist Verkaufsfahrer in Tirol, Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes und Bundesvorsitzender des GLB
Die Steuerreform steht. Es gibt Applaus, nicht nur von Parteifreund_innen, sondern auch von Kardinal Schönborn. Das Kirchenoberhaupt meint, dass ein „guter Anfang“ getan sei, um die Schere zwischen Arm und Reich ein wenig zu schließen. Und auch die Gewerkschaften gehören zu den Claqueuren. In der mit nur drei Gegenstimmen (von GLB und AUGE) beschlossenen Resolution des ÖGB-Bundesvorstandes heißt es, dass die zentralen Forderungen, wie ein niedrigerer Einstiegssteuersatz oder eine höhere Negativsteuer mit den Regierungsplänen umgesetzt wurden. Die Maßnahmen gegen Steuerbetrug werden begrüßt. Ebenso die „vereinzelten Maßnahmen“ bei der Versteuerung auf Gewinn und Vermögen. Bedauerlich sei nur, dass dies zu wenig weitgehend ist. Kritiker_innen wurden von GPA-djp-Bundesgeschäftsführerin Dwora Stein mit „Wir lassen uns, unseren Erfolg nicht schlechtreden“ belehrt.
Zu den Fakten
Größte Steuerreform der 2. Republik? Ein Mehr an Verteilungsgerechtigkeit? Vom Volumen her mag es stimmen. Positiv ist die Senkung des Eingangssteuersatzes, die Erhöhung der Negativsteuer und die automatische Arbeitnehmer_innenveranlagung – sie lassen vorerst mal etwas mehr im Börsel der Lohnabhängigen aufscheinen. Ein Umstand der von Anfang an feststand. Wegen des Fehlens der Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern bezeichnete das damals ÖGB-Präsident Erich Foglar als „maximal ein Lackerl Wasser“.
Betrachtet man das „Mehr im Börsel“ genauer, kommen weitere Zweifel auf: „Es stimmt, wir müssen uns die Reform nicht selbst bezahlen“, meinte etwa der GLB-Vertreter im ÖGB-Bundesvorstand, „denn wir haben uns die Senkung des Eingangssteuersatzes bereits in den letzten Jahren selbst finanziert! Laut der Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung hat uns die kalte Progression die Lohnsteuereinnahmen seit 2009 um 3,58 Mrd. Euro gekostet. Rechnet man die Auswirkungen der kalten Progression von heuer dazu, ist die Steuersatzsenkung nur die Wiederherstellung des damaligen Ist-Standes.“ Und an der kalten Progression wurde nicht gerüttelt. In ein, zwei oder drei Jahren kann sich das Finanzministerium wieder über ein großes Mehr an Lohnsteuer freuen.
Zur Verteilungsgerechtigkeit
Mindestpensionist_innen dürfen sich (frühestens im März 2017) über jährlich 109 Euro, Niedriglohnverdiener_innen über jährlich zwei, drei Hunderter mehr freuen, während jene die beispielsweise rund 9.000 Euro monatlich „verdienen“ (wie etwa Nationalratsabgeordnete), ab Ende Jänner jeden Monat mehr als 200 Euro mehr in ihren Lohntüten vorfinden werden. Erst bei einem Monatseinkommen von rund 90.000 Euro ist durch den neuen (auf fünf Jahren befristeten) Spitzensteuersatz von 55 Prozent die Steuererleichterung gleich Null. Im Übrigen, Einkommen die rund viermal so hoch sind, als jenes des Bundespräsidenten und nicht einmal 500 Personen betrifft.
Ein Überhammer folgt erst ein Jahr nach dem Reform-Start: Die steuerliche Begünstigung privater Lebens-, Kranken- und Pensionsversicherungen wird ebenso wie jene für Sonderausgaben zur Sanierung von Wohnraum gestrichen. Und so ein weiterer Teil des „Mehr Netto vom Brutto“ zurückgeholt.
Gerechte Gegenfinanzierung
Selbst erzkonservative Steuerexpert_innen bezweifeln das Erzielen der jährlich geschätzten 1,9 Milliarden Euro. Bei der letzten Steuerreform sollte es eine Milliarde Euro an Steuerplus für Zahlungen aus Schweizer Schwarzgeldkonten geben. Die Realität: In keinem einzigen Jahr konnte diese Summe erzielt werden. Offen bleibt die Frage, wenn die Regierung von Steuerbetrug weiß, warum sie nicht auch ohne Reform gegen diesen vorgeht und bis 2016 wartet? Bleiben nur die (kosmetischen) Veränderungen bei der Kapitalertrags- und bei der Grunderwerbssteuer. Sie dienen dazu, den fehlenden Steueranteil aus Kapital und Vermögen weiterhin zu verschleiern.
Bei der Gegenfinanzierung nicht vergessen darf man auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Tierbedarf, Kino- und Theaterkarten, Hotelzimmerpreise und der Tarife der öffentliche Verkehrsmittel. Wenn sich der leitende Sekretär des ÖGB Bernhard Achitz darüber lustig macht, dass dies erst beim Besitz von tausenden Kanarienvögeln oder einem exzessiven Besuch von Stundenhotels wirklich spürbar ins Geld gehe, so beweist er nur, wie sehr unsere SPÖ-“Gewerkschaftsführer_innen“ den Kontakt zu ihren Mitgliedern verloren haben. Schon heute verzichten viele prekär lebende am Monatsende zugunsten ihrer geliebten (oft einzigen) tierischen Lebenskumpanen.
Die Moral aus dieser Steuer-Reform-Geschichte: Den Reichen tut’s nicht weh, wer arm ist, ist daran selber schuld! „Verteilungsgerechtigkeit bedarf Umverteilung, Umverteilung und Umverteilung! So lange den ,reichen Säcken´, den Kapitalgesellschaften und den Stiftungen nicht ernsthaft etwas zum Gemeinwohl der arbeitenden Klasse genommen wird, solange werden wir als Fraktion, eine Steuerreform nicht mit unserer Zustimmung absegnen“, meinte der GLB-Vertreter zur ÖGB-Zustimmung.
Josef Stingl ist Verkaufsfahrer in Tirol, Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes und Bundesvorsitzender des GLB