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Den Ernst der Lage nicht begriffen!

  • Samstag, 14. Januar 2017 @ 08:02
Meinung Josef Stingl, Bundesvorsitzender des GLB, Mitglied des ÖGB-Bundesvorstandes über Mindestlohn

Mindestlöhne, ein Thema das bewegt. Die Grünen verlangen gesetzlich mindestens 1.750 Euro im Monat, der ÖAAB 1.600 Euro notfalls ebenfalls gesetzlich. Ähnlich der Gewerkschaftliche Linksblock im ÖGB (GLB), die Linksgewerkschafter_innen verlangen bei einer 30-Stunden-Arbeitswoche, 13 Euro die Stunde und das steuerfrei und wertgesichert. Jetzt schlägt auch Bundeskanzler Christian Kern – wenn auch auf niedrigeren Niveau – in die gleiche Kerbe. "DerStandard“ vom 12. Jänner weiß zu berichten, dass Kerns Überlegungen beim Mindestlohn weiter als die Formulierungen des „Plans A“ gehen: „Er sieht als ersten Schritt die Sozialpartner_innen gefordert, durch einen Generalkollektivvertrag 1.500 Euro Mindestlohn in allen Branchen zu verwirklichen. Kommt es nicht dazu, soll eine gesetzliche Lösung geschaffen werden, die es dem Sozialminister ermöglichet, per Verordnung einen Mindestlohn von 1.500 Euro festzulegen.“

Die Antwort seitens der (sozialdemokratischen) Gewerkschaftsführung fällt nicht anders aus als zu erwarten aus: Der Leitende ÖGB-Sekretär Bernhard Achitz verkündet, dass das Kollektivvertragssystem einem gesetzlichen Mindestlohn überlegen ist und auch kein Generalkollektivvertrag, sondern eine Generalvereinbarung gleich für 1.700 Euro angestrebt wird. Was der Unterschied ist: „Die Generalvereinbarung ist unverbindlicher, legt also nur einen Fahrplan fest, bis wann diese Marke erreicht werden soll. Sollten dann noch Branchen offen sein, sei aber ein Generalkollektivvertrag denkbar“, so Achitz.

In ihrem Beisreflex gegen den gesetzlichen Mindestlohn negieren Achitz, Foglar, usw, aber, dass das Kollektivvertragssystem auch Schattenseiten hat: Die Niedriglohnbranchen und die kollektivvertragslosen Bereiche! Laut APA gibt es noch zahlreiche Berufsgruppen die unter 1.500 Euro Entlohnung liegen. Den Minusrekord stellen die Zeitungszusteller_innen: Der aktuelle KV für Zeitungen/Expeditarbeiter_innen sieht für Zusteller einen Monatslohn von 879,99Euro – brutto wohlgemerkt – vor.

Aber auch den Kanzleikräften bei Rechtsanwält_innen geht‘s mit 1.023 Euro brutto nicht viel besser. Und nicht zu vergessen sind jene Bereiche, in denen der letzte KV schon Jahre zurückliegt, etwa bei Kosmetiker_innen. Ihr KV stammt aus dem Jahr 2002 und sieht laut Sozialministerium ein Mindestgehalt von knapp 800 Euro vor.

Diese Niedriglöhner_innen wird‘s freuen, dass der ÖGB und seine Fachgewerkschaften in zwei, drei Jahren vielleicht eine Generalvereinbarung abgeschlossen haben und im besten Fall in weiteren vier bis fünf Jahren für einen Großteil der Lohnabhängigen den 1.700-Euro-Mindestlohn umgesetzt haben. Denn sie werden zu diesem Zeitpunkt noch nicht Nutznießer_innen des 1.700-Euro-Mindestlohn sein und weiter als Niedriglöhner_innen ihr Dasein bestreiten müssen.