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AK-Oberösterreich: Debatte über ASVG

  • Dienstag, 17. November 2015 @ 22:00
OÖ Inhaltlicher Schwerpunkt der 4. Vollversammlung der oö Arbeiterkammer am 17. November 2015 war eine Debatte zum 60. Jahrestag der Schaffung des ASVG, welches der Referent Christoph Klein (AK-Wien) als politisches „Gesamtkunstwerk“ darstellte AK-Rat Thomas Erlach (GLB) bezeichnete in der Diskussion das ASVG als Meilenstein und „das Umlageverfahren im internationalen Vergleich als unschlagbar“. Man müsse jedoch an Verbesserungen arbeiten, zumal 2003 einiges verschlechtert wurde, etwa durch Umstellung der Pensionsbemessung auf eine lebenslange Durchrechnung, wovon vor allem Frauen betroffen sind.

Erlach erinnerte auch an die seinerzeitige Orientierung auf die Drittelfinanzierung der Pension, die vom Bund jedoch nie geleistet wurde. Zur Sicherung der Finanzierungsbasis des ASVG seien auch entsprechende KV-Abschlüsse und die Erhöhung der Beschäftigung wichtig.

Zu Beginn der Sitzung erfolgten personelle Revirements: Als neue Vizepräsidentin wurde Elfriede Schober, als neue Vorstandsmitglieder Martha Fleschurz, Gerlinde Reichhold-Burger (alle FSG) und Gerhard Knoll (FA) gewählt, letzterer mit zwei Gegenstimmen aus der eigenen Fraktion.

Präsident Johann Kalliauer kritisierte in seinem Bericht vor allem die von Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung vom Zaun gebrochene Standortdebatte und bemängelte, dass im Koalitionspapier von ÖVP und FPÖ die Anliegen der Lohnabhängigen zu kurz kommen.

In der Debatte dazu kritisierte Erlach (GLB) das Fehlen von Maßnahmen gegen Arbeitslosigkeit und für Konjunkturbelebung. Er meinte die Unternehmer seien nicht, wie Kalliauer gemeint hatte, in nicht kollektive Depression verfallen, sondern „betreiben eine bewusste Verunsicherung der Arbeitnehmer_innen“. Anders als in einem FCG-Antrag gefordert hielt Erlach eine Wiederbelebung der Sozialpartnerschaft nicht für sinnvoll, würde diese doch von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer in Frage gestellt. Auch kritisierte er die Senkung von Lohnnebenkosten, weil damit keine neuen Arbeitsplätze geschaffen werden.

Vehement wandte sich Erlach gegen die Stimmungsmache der FPÖ gegen Flüchtlinge und kritisierte, dass der FPÖ im Land und in Linz das Sicherheitsressort überantwortet wurde, „obwohl diese Partei selber Unsicherheit produziert“.

Die Vollversammlung behandelte 29 Anträge. Die GLB-Resolutionen zu den Themen Lohnnebenkosten und EU-Wettbewerbsfähigkeitsräte wurden zugewiesen. Beschlossen wurde auch der Voranschlag 2016 der oö Arbeiterkammer.

Die Anträge des GLB im Wortlaut:

Resolution 1: Keine Einrichtung von nationalen Wettbewerbsfähigkeitsräten durch die Europäische Union

Die EU-Kommission veröffentlichte im Oktober 2015 ein Maßnahmenpaket, in dem die Errichtung von sogenannten Wettbewerbsfähigkeitsräten in den einzelnen Mitgliedsstaaten empfohlen wird. Durch diese neuen Gremien aus „unabhängigen ExpertInnen“ will die Kommission sogenannte „Strukturreformen“, gemeint sind Reformen für einen neoliberalen Umbau Europas, beschleunigen.

In diesem Maßnahmenpaket geht es vor allem um die Gewinnmaximierung von Unternehmen. Die Interessen der Beschäftigten spielen dabei keine Rolle, ganz im Sinne des neoliberalen Credos werden sie als reine Kostenfaktoren gesehen. Dabei sind Löhne auch wesentliche Faktoren für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage. Von der EU-Kommission ist hingegen vorgesehen, dass durch einen Ausschuss die Lohnentwicklungen in den Mitgliedsländern und damit auch in Österreich dahingehend bewertet werden, ob sie eine größere Gewinnmaximierung verhindern.

Diese Wettbewerbsfähigkeitsräte sollen in Zukunft die Kollektivvertragsparteien am Beginn der jeweiligen Verhandlungen mit politischen „Empfehlungen“ konfrontieren. Das wäre eine Einmischung in die bestehende Kollektivvertragsautonomie und ist daher unangebracht.

Außerdem würden durch einen Anspruch auf Vergleichbarkeit des Entgeltniveaus in Österreich mit dem in den anderen EU Mitgliedsstaaten die nationalen Einkommen unnötig unter Druck gebracht. So sind zum Beispiel die Löhne in Bulgarien wesentlich geringer als in Österreich. Wenn sich daraus aber ein Recht der Unternehmen ableiten ließe, das nationale Lohnniveau dementsprechend abzusenken, wäre das eine Katastrophe für alle Werktätigen in Österreich.

Auch die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner äußerte sich im Oktober 2015 kritisch zu diesem Vorhaben der EU-Kommission: „Ein entsprechendes Lohnniveau ist essentiell für hohe Nachfrage im EU-Binnenmarkt. Wettbewerbsräte, die den Lohnwettbewerb nach unten vorantreiben, sind daher mehr als fehl am Platz.”

Die Vollversammlung der Arbeiterkammer Oberösterreich fordert die Bundesregierung auf, sich bei der EU-Kommission und beim EU-Parlament gegen die Einführung von nationalen Wettbewerbsräten auszusprechen und dafür Sorge zu tragen, dass dieses Vorhaben im Interesse alle Werktätigen Österreichs nicht zur Umsetzung gelangt.

Resolution 2: Lohnnebenkosten sind Lohnbestandteile

Mit zunehmender Intensität wird von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer eine Senkung bzw. Abschaffung von Lohnnebenkosten verlangt. Die Regierung will mit Senkungen beim Familienlastenausgleich und dem Insolvenzentgelt-Sicherungsbeitrag die Unternehmen bis 2018 jährlich um etwa eine Milliarde Euro entlasten.

Ob damit, wie vom WIFO behauptet, 14.000 Arbeitsplätze geschaffen werden, muss auf Grund bisheriger Erfahrungen bezweifelt werden. Sicher ist jedenfalls, dass die so eingesparten Gelder bei der Finanzierung wichtiger Leistungen fehlen werden und angesichts der Budgetsituation ein Ausgleich aus allgemeinen Steuermitteln nicht zu erwarten ist.

Daher muss einmal mehr daran erinnert werden, dass es sich dabei um keine entbehrlichen „Nebenkosten“ handelt, sondern um Lohnbestandteile, die zur Finanzierung wichtiger Leistungen zweckgebunden sind. Konkret handelt es sich dabei um Dienstgeberanteile zur Kranken-, Unfall, Pensions- und Arbeitslosenversicherung, Beiträge zur Entgeltsicherung bei Insolvenzen und zum Familienlastenausgleichsfonds, die AK-Umlage, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Sonderzahlungen für Feiertage, Entgelt für Ausfallzeiten, Rücklagen für Abfertigungen und Krankengeld, die Kommunalabgabe sowie Beiträge zur Wohnbauförderung und zur Berufsausbildung.

Die Arbeiterkammer hat wiederholt betont, dass Lohnnebenkosten elementare Bestandteile des Einkommens und der sozialen Sicherheit der Lohnabhängigen sind. Die Kommunalabgabe ist eine wichtige Grundlage der Gemeindefinanzen, ihre Abschaffung würde ein Finanzloch der Gemeinden und Tarif- und Gebührenerhöhungen zur Folge haben. Die Abschaffung der Wohnbauförderungsbeiträge würde das Wohnen noch mehr verteuern. Die Beiträge zur Berufsausbildung sind für ein funktionierendes Bildungssystem unerlässlich.

Auch wenn diese „Nebenkosten“ höher sind als in anderen Ländern, liegt Österreich laut Eurostat mit Arbeitskosten in der Privatwirtschaft von 31,3 Euro pro Stunde nur an neunter Stelle im EU-Vergleich, Spitzenreiter war Schweden mit 43,0 Euro (Stand 2013). Für die Konkurrenzfähigkeit sind nach wie vor nicht die Nebenkosten, sondern die Gesamtarbeitskosten ausschlaggebend.

Die Vollversammlung der oö Arbeiterkammer lehnt eine Senkung der Lohnnebenkosten ab und fordert die Bundesregierung zu sinnvollen Anpassungen derselben auf. Alle Beiträge, die derzeit nach der reinen Lohnsumme bemessen werden, sollen auf eine Wertschöpfungsabgabe unter Einbeziehung zusätzlicher Faktoren umgestellt werden um der enormen Rationalisierung Rechnung zu tragen. Die Zweckbindung von Beiträgen muss strikt eingehalten bzw. wieder eingeführt werden um einen Missbrauch für andere Zwecke zu verhindern (z.B. Wohnbauförderungsbeiträge). Temporäre Überschüsse sollen für die Erhöhung damit verbundener Leistungen verwendet werden (z.B. mehr Mittel für den Ausbau von Kinderbetreuungsplätzen aus dem Familienlastenausgleichsfonds).