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Das Rezept gegen Arbeitslosigkeit und Prekarisierung ist Arbeitszeitverkürzung

  • Mittwoch, 15. Februar 2017 @ 11:57
News Als ganz gewöhnliche Lohnräuber agieren Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer sowie ihre politischen Sprachrohre wie etwa die NEOS, meint Josef Stingl, Bundesvorsitzender der Fraktion Gewerkschaftlicher Linksblock im ÖGB (GLB), zur aktuellen Debatte über eine noch weitergehende Flexibilisierung der Arbeitszeit. Geht es im Kern doch darum, dass die Unternehmen für eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit – Stichwort Zwölfstundentag – keine Überstundenzuschläge zahlen wollen: „Die Behauptung, mehr Flexibilität würde beiden Seiten – also Unternehmen und Beschäftigten – Vorteile bringen ist eine bewusste Täuschung“ so Stingl.

Warum längere Arbeitszeiten einer „besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ nützen sollten wie IV-Generalsekretär Christoph Neumayer behauptet, wird wohl niemand logisch argumentieren können. Ähnliches gilt für das Kleinreden der Flexibilisierung, indem sich die Forderungen der Industrie nicht nach „generell längeren Arbeitszeiten“ richten, sondern „wenn es sinnvoll ist“. Liegt doch auf der Hand, dass längere Arbeitszeiten ohne Überstundenzuschläge nur einer Seite, nämlich den Unternehmen einen Vorteil bringen.

Die Forderung der Industrie, eine „moderne Gestaltung des Arbeitszeitrechts wäre ein Wachstumsimpuls“ verdeutlicht, dass die Kapitalvertretungen schon wieder meinen, mit den Lohnabhängigen als der eigentlich produktiven Kraft der Wirtschaft die alle Werte schaffen umspringen zu können wie im 19. Jahrhundert.

Als pervers bezeichnet Stingl das Agieren von NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker in dieser Causa, der die Arbeiterkammer wegen der Weigerung sich den Plänen der Industrie zu unterwerfen massiv attackiert und als „keine ernstzunehmende Vertretung“ denunziert: „Wer so argumentiert wie Loacker sollte sich korrekterweise als Asozialsprecher bezeichnen, denn mit sozial und den Anliegen der Lohnabhängigen hat das nichts zu tun“ meint Stingl.

Einen Bärendienst leistet den Lohnabhängigen auch der ÖAAB mit seinem Modell einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden bei monatlicher Durchrechnung. Das ist im Kern nichts anderes als die Verschleierung der Forderung nach dem Zwölfstundentag. Auch der ÖVP-Arbeitnehmerbund agiert hier als Wurmfortsatz des Kapitals.

Bei der effektiven Jahresarbeitszeit liegt Österreich laut OECD mit 1.625 Stunden um 250 Stunden bzw. 15 Prozent über dem Nachbarland Deutschland. Vollzeitbeschäftigte arbeiten in Österreich durchschnittlich 41,5, in Deutschland 40,5, in Schweden 39,9 Stunden. Das beweist hinreichend, dass die Flexibilisierung ohnehin bereits ein zu hohes Ausmaß erreicht hat.

Nach Meinung des GLB darf die tägliche Arbeitszeit nicht verlängert, sie muss im Gegenteil als Antwort auf Automatisierung und Rationalisierung verkürzt werden. Namhafte Experten vertreten seit Jahren die Auffassung, dass die 30-Stundenwoche der neue Arbeitszeitstandard werden muss um die wachsende Schere zwischen 253 Millionen Überstunden (Stand 2015) – davon 52 Millionen nicht bezahlt oder ohne Zeitausgleich – einerseits und der wachsenden Prekarisierung - 929.000 Frauen und 224.000 Männer in Teilzeit (2015), 345.632 geringfügig Beschäftigte (2016) – andererseits zu schließen.

Das einzig sinnvolle Rezept gegen wachsende Arbeitslosigkeit und Prekarisierung ist eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohn- und Personalausgleich. Daher warnt der GLB mit Verweis auf die Erfahrungen mit sozialpartnerschaftlichen Packeleien vor einer Junktimierung der von der Regierung den Sozialpartnern zugewiesenen Verhandlungen über einen Mindestlohn und eine weitere Flexibilisierung, indem längere Arbeitszeiten ohne Überstundenzuschläge der Preis für einen mageren Mindestlohn von 1.500 Euro brutto (1.199 Euro netto) für Vollzeitarbeit kommt.