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Das Feuer ist gelöscht

  • Donnerstag, 10. Juli 2014 @ 08:51
Meinung Karin Antlanger zum Erbe des früheren Sozialministers Dallinger

25 Jahre nach dem Tod des ehemaligen GPA-Vorsitzenden und Sozialministers Alfred Dallinger logiert die GPA-djp zwar am Alfred-Dallinger-Platz 1 in Wien und es gibt Alfred-Dallinger-Medaillen zur Ehrung von GPA-djp-Mitgliedern. Aber Dallingers wesentliche gewerkschaftspolitische Forderungen sind heute im Archiv des ÖGB abgelegt. Denn das Engagement für eine 35-Stundenwoche sowie die Einführung einer Wertschöpfungsabgabe zur Sicherung des österreichischen Sozialversicherungssystems stehen nicht auf der Tagesordnung der ÖGB-Spitze und der GPA-djp. Was blieb, ist die Asche – das Feuer ist gelöscht.

Auf Flexibilisierung gesetzt

Es sind nun beinahe 40 Jahre seit der Einführung der 40-Stunden-Woche vergangen. Etliche Kollektivverträge haben mittlerweile eine 38,5 oder auch 38-Stundenwoche festgeschrieben – für einen großen Teil der berufstätigen Menschen gilt aber nach wie vor eine 40-Stunden-Woche. Doch es soll noch mehr an der Arbeitszeitschraube nach hinten gedreht werden, wenn von Verhandlungen über einen 12-Stunden-Tag die Rede ist.

Die Behauptung führender GewerkschafterInnen, dass dies keinesfalls ohne Überstundenzuschläge möglich sein soll, hören wir wohl, aber glauben wird`s kaum jemand. Gibt es doch genug Beispiele dafür, dass bereits unter Ausnützung der bestehenden Gesetzeslage über Kollektivverträge und Betriebsvereinbarungen 10-Stunden-Tage oder auch 12-Stunden-Dienste ohne Überstundenzuschläge möglich sind.

Zur Erinnerung: der 8-Stunden-Tag wurde 1918 in Österreich gesetzlich verankert. Aber so wie es aussieht, soll er keine hundert Jahre halten. Und die von Alfred Dallinger vehement geforderte Einführung der 35-Stunden-Woche ist beim letzten ÖGB-Bundeskongress nur noch vernebelt formuliert im Kongresspapier zu finden, womit sich die ÖGB-Führung davon vorerst zugunsten der Flexibilisierung verabschiedet hat.

Die 35-Stunden-Woche

Eine gesetzliche Arbeitszeitverkürzung lehnen die Gewerkschaftsgranden bislang ab, befürchten sie doch ihren machtpolitischen Einfluss über die KV-Verhandlungstätigkeit zu verlieren. Durch die in den letzten Jahrzehnten für manche Branchen erfolgte Arbeitszeitverkürzung über Kollektivverträge wurden jedoch kaum neue Arbeitsplätze geschaffen, da sie jeweils in kleinen Schritten (1/2 Stunde weniger pro Jahr) umgesetzt wurden. Dafür kam es umso mehr zu Leistungsverdichtungen, denn was vorher in 40 Stunden zu schaffen war, musste dann halt in 39,5 Stunden zu schaffen sein usw.

Es gab also in den letzten 40 Jahren nur Arbeitszeitverkürzung in kleinsten Schritten und ohne vollem Lohnausgleich. Ohne Lohnausgleich neuerdings deshalb, weil AZV nur im Abtausch mit einer Flexibilisierung der Arbeitszeit, also einem Wegfall von Überstunden- Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschlägen erfolgen soll.

Der von der GPA-djp verhandelte und als zukunftsweisend gepriesene Sozialwirtschafts-KV zeigt es vor: Samstagarbeit ist zuschlagsfrei, 10-Stunden tägliche Normalarbeitszeit bei einer 4-Tage-Woche ist möglich, 12-Stunden-Dienste bei nicht näher definierten „besonderen Erholungsmöglichkeiten“ ebenfalls, und über Betriebsvereinbarungen geht noch einiges mehr.

Kritisiert man derartige KV-Abschlüsse, dann heißt es „Das haben die BetriebsrätInnen, die den KV verhandeln abgeschlossen“. Dass diese BetriebsrätInnen in den sog. kleinen Verhandlungsteams aber entsprechend ausgesucht und auf Linie gebracht sind, ist natürlich nur eine böse Unterstellung.

Das bisserl Murren in der sog. großen Verhandlungsrunde wird dann jeweils rasch unterbunden, indem behauptet wird, dass die Menschen in den Betrieben unbedingt einen raschen Abschluss erwarten und es nicht verstünden, wenn das (schwache) Angebot der Arbeitgeber nicht angenommen wird. Eigentlich könnte man sich die demokratiepolitische Staffage der großen Verhandlungsrunde weitgehend sparen. Eine AZV auf 35 Wochenstunden kommt in keinem KV-Forderungspapier der Gewerkschaften vor!

Als Maschinensteuer verteufelt

Alfred Dallingers weitblickende Forderung nach Einführung einer Wertschöpfungsabgabe, die die Sozialabgaben nicht von den Bruttolöhnen und –gehältern berechnet sondern von der gesamten Wertschöpfung in einem Betrieb, wäre nach wie vor der richtige Schritt zur Entlastung des Faktors Arbeit. Diese Forderung spielt aber innerhalb des ÖGB zurzeit keine Rolle mehr. Auch wenn der ÖGB nun eine Lohnsteuerkampagne begonnen hat, so ist die – gerechtfertigte – Forderung nach Einführung einer Millionärssteuer perspektivisch nicht ausreichend um eine nachhaltige Umverteilung von oben nach unten zu erzielen und das Sozialsystem ausreichend zu finanzieren.

Daher, liebe GewerkschaftskollegInnen da oben: Lest wieder mal nach bei Alfred Dallinger und traut euch! Denn es genügt nicht, aus Traditionsbewusstsein einen Platz und eine Medaille nach ihm zu benennen. Tradition ist nicht das Aufbewahren der Asche, sondern das Weitergeben der Flamme.

Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und Betriebsrätin bei EXIT-sozial Linz