Dagegen beten reicht nicht
- Mittwoch, 13. April 2016 @ 16:53
Gerhard Wimmer zum Thema Sonntagsöffnung
Manche können sich vielleicht noch erinnern, als jeder Supermarkt, jede Metzgerei, jedes Schuhgeschäft pünktlich abends um 18:00 Uhr schloss und an Samstagen überhaupt um 13:00 Uhr der letzte Kunde das Geschäft verließ. Wie schlimm waren doch die Folgen dieser rigiden Ladenöffnungszeiten: Hungernde Menschen am Abend, weil sie ihren Kühlschrank nicht mehr rechtzeitig auffüllen konnten. Depressive Menschen am Wochenende, weil sie ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung „Einkaufen“ nicht nachgehen konnten.
Große Veränderungen
Heute können Geschäfte 72 Stunden wöchentlich offenhalten und wir KonsumentInnen unsere letzten Euros meist bis 20:00 Uhr abends in einem der vielen Shoppingtempeln verprassen. Für die großen Konzerne reicht´s noch immer nicht. Nun steht der Sonntag im Mittelpunkt ihrer Begierde.
Nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ gibt es regelmäßige Vorstöße der großen Handelsketten zur Öffnung auch am Sonntag. Zwar gibt es bundesweit noch immer ein generelles Sonntagsöffnungsverbot. Immer mehr Ausnahmen davon bereiten uns aber schon darauf vor, offene Geschäfte auch an Sonntagen für unser Wohlbefinden als notwendig zu erachten.
Salzburg prescht vor
2012 erlaubte der damalige Landesrat Blachfellner (SPÖ!) via Erlass das Aufsperren des Spar-Supermarktes am Hauptbahnhof auch an Sonntagen. Die wenigen GewerkschaftsfunktionärInnen, die dagegen aufmurrten, wurden schnell von oben zurückgepfiffen: Man will es sich doch mit dem großen Spar-Konzern nicht vertun! Da werden ja Arbeitsplätze geschaffen, so wurde argumentiert. Nicht wirklich überraschend reagierten die anderen großen Lebensmittelketten: Darf Spar aufsperren, wollen auch sie aufsperren. Seitens der Wirtschaftskammer wurde in Folge der Landes-Handelskollektivvertrag einseitig gekündigt.
Heute haben in vielen Salzburger Landesteilen die Filialen der Diskonter und Lebensmittelketten auch am Sonntag, meist bis Mittag, geöffnet, Geschäfte in der Salzburger Altstadt teilweise sogar den ganzen Tag. Möglich machte das ein weiterer Erlass der Landesregierung, die sogenannte „Tourismusregelung“. Der zufolge dürfen Geschäfte in „Tourismusgebieten“ auch an Sonntagen öffnen.
Keine Rücksicht
Die Interessen und Bedürfnisse der Beschäftigten im Handel sind dabei zweitranging. Zwar behaupten die Arbeitgeber gerne, verlängerte Öffnungszeiten würden auch mehr Arbeitsplätze bedeuten. In der Realität stimmt dies leider nicht. Von einer großen Lebensmittelkette sind dazu konkrete Zahlen bekannt: Im selben Zeitraum, als die wöchentlichen Öffnungszeiten nochmals um sechs Stunden erhöht wurden, sank gleichzeitig die Anzahl der landesweit Beschäftigten dieses Unternehmens. Wie ist das möglich?
In den Kernöffnungszeiten stehen weniger Beschäftigte wie bisher in den Geschäften. Weniger Beschäftigte erledigen mehr Arbeit wie bisher. Also Rationalisierung nicht durch Mechanisierung, sondern durch Intensivierung der Ausbeutung der Arbeitskraft.
Und noch ein weiteres Argument wird von den Konzernen für die Sonntagsöffnung gerne verwendet: Die Beschäftigten wollten ja auch am Sonntag arbeiten, weil sie da, dank entsprechender Feiertagszuschläge, besser verdienen. Darauf sei nur kurz geantwortet: Zahlt ordentliche Gehälter, dann reißt sich niemand mehr darum, auch am Sonntag hinter der Kassa zu stehen.
Teil der Lebensqualität
Bei der Ablehnung von Sonntagsarbeit in Branchen, in welchen es dafür keine zwingende Notwendigkeit gibt, geht es darum die historisch erkämpfte Wochenendfreizeit als kulturelle Errungenschaft und Teil der Lebensqualität zu erhalten. Laut Wirtschaftskammer hat auch der Großteil der kleinen Handelsbetriebe keinerlei Interesse an einer Sonntagsöffnung, weil sich diese kostenmäßig nicht rentiert und zu Lasten von Freizeit und Familie geht.
Die bestehenden Öffnungszeiten sind also voll ausreichend. Bei stagnierender oder gar sinkender Kaufkraft können die Menschen ohnehin nicht mehr einkaufen. Eine Sonntagsöffnung geht auf Kosten der Lebensqualität der betroffenen Beschäftigten und ihrer Familien. Sie würde nur den großen Handelsunternehmen nutzen und damit die Nahversorgung weiter ausdünnen.
Allianz arbeitsfreier Sonntag
Der Kampf um den arbeitsfreien Sonntag verbindet Organisationen, die normalerweise kaum eine gemeinsame Plattform bilden. Gewerkschaften, Kirchen, Freizeitorganisationen haben eine gemeinsame Allianz für den arbeitsfreien Sonntag gebildet. Auf der anderen Seite stehen die großen Verkaufsketten, vor allem Hofer und Lidl, die nicht lockerlassen, bevor nicht auch in Österreich das Shoppen rund um die Uhr an sieben Tage die Woche möglich ist.
Nur durch Beten wird diesem Druck nicht standzuhalten sein. Andere Forderungen sind da schon tauglicher:
- Ein gesetzlicher Mindestlohn von monatlich 1.700 Euro wird auch vielen KollegInnen im Handel helfen, dass sie nicht mehr auf Sonntagszuschläge angewiesen sind.
- Eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich würde neue Arbeitsplätze schaffen und ist die notwendige Antwort auf ständige Rationalisierung und steigendem Arbeitsdruck.
Gerhard Wimmer, Betriebsrat EZA Fairer Handel in Köstendorf (Salzburg)
Manche können sich vielleicht noch erinnern, als jeder Supermarkt, jede Metzgerei, jedes Schuhgeschäft pünktlich abends um 18:00 Uhr schloss und an Samstagen überhaupt um 13:00 Uhr der letzte Kunde das Geschäft verließ. Wie schlimm waren doch die Folgen dieser rigiden Ladenöffnungszeiten: Hungernde Menschen am Abend, weil sie ihren Kühlschrank nicht mehr rechtzeitig auffüllen konnten. Depressive Menschen am Wochenende, weil sie ihrer liebsten Freizeitbeschäftigung „Einkaufen“ nicht nachgehen konnten.
Große Veränderungen
Heute können Geschäfte 72 Stunden wöchentlich offenhalten und wir KonsumentInnen unsere letzten Euros meist bis 20:00 Uhr abends in einem der vielen Shoppingtempeln verprassen. Für die großen Konzerne reicht´s noch immer nicht. Nun steht der Sonntag im Mittelpunkt ihrer Begierde.
Nach dem Motto „Steter Tropfen höhlt den Stein“ gibt es regelmäßige Vorstöße der großen Handelsketten zur Öffnung auch am Sonntag. Zwar gibt es bundesweit noch immer ein generelles Sonntagsöffnungsverbot. Immer mehr Ausnahmen davon bereiten uns aber schon darauf vor, offene Geschäfte auch an Sonntagen für unser Wohlbefinden als notwendig zu erachten.
Salzburg prescht vor
2012 erlaubte der damalige Landesrat Blachfellner (SPÖ!) via Erlass das Aufsperren des Spar-Supermarktes am Hauptbahnhof auch an Sonntagen. Die wenigen GewerkschaftsfunktionärInnen, die dagegen aufmurrten, wurden schnell von oben zurückgepfiffen: Man will es sich doch mit dem großen Spar-Konzern nicht vertun! Da werden ja Arbeitsplätze geschaffen, so wurde argumentiert. Nicht wirklich überraschend reagierten die anderen großen Lebensmittelketten: Darf Spar aufsperren, wollen auch sie aufsperren. Seitens der Wirtschaftskammer wurde in Folge der Landes-Handelskollektivvertrag einseitig gekündigt.
Heute haben in vielen Salzburger Landesteilen die Filialen der Diskonter und Lebensmittelketten auch am Sonntag, meist bis Mittag, geöffnet, Geschäfte in der Salzburger Altstadt teilweise sogar den ganzen Tag. Möglich machte das ein weiterer Erlass der Landesregierung, die sogenannte „Tourismusregelung“. Der zufolge dürfen Geschäfte in „Tourismusgebieten“ auch an Sonntagen öffnen.
Keine Rücksicht
Die Interessen und Bedürfnisse der Beschäftigten im Handel sind dabei zweitranging. Zwar behaupten die Arbeitgeber gerne, verlängerte Öffnungszeiten würden auch mehr Arbeitsplätze bedeuten. In der Realität stimmt dies leider nicht. Von einer großen Lebensmittelkette sind dazu konkrete Zahlen bekannt: Im selben Zeitraum, als die wöchentlichen Öffnungszeiten nochmals um sechs Stunden erhöht wurden, sank gleichzeitig die Anzahl der landesweit Beschäftigten dieses Unternehmens. Wie ist das möglich?
In den Kernöffnungszeiten stehen weniger Beschäftigte wie bisher in den Geschäften. Weniger Beschäftigte erledigen mehr Arbeit wie bisher. Also Rationalisierung nicht durch Mechanisierung, sondern durch Intensivierung der Ausbeutung der Arbeitskraft.
Und noch ein weiteres Argument wird von den Konzernen für die Sonntagsöffnung gerne verwendet: Die Beschäftigten wollten ja auch am Sonntag arbeiten, weil sie da, dank entsprechender Feiertagszuschläge, besser verdienen. Darauf sei nur kurz geantwortet: Zahlt ordentliche Gehälter, dann reißt sich niemand mehr darum, auch am Sonntag hinter der Kassa zu stehen.
Teil der Lebensqualität
Bei der Ablehnung von Sonntagsarbeit in Branchen, in welchen es dafür keine zwingende Notwendigkeit gibt, geht es darum die historisch erkämpfte Wochenendfreizeit als kulturelle Errungenschaft und Teil der Lebensqualität zu erhalten. Laut Wirtschaftskammer hat auch der Großteil der kleinen Handelsbetriebe keinerlei Interesse an einer Sonntagsöffnung, weil sich diese kostenmäßig nicht rentiert und zu Lasten von Freizeit und Familie geht.
Die bestehenden Öffnungszeiten sind also voll ausreichend. Bei stagnierender oder gar sinkender Kaufkraft können die Menschen ohnehin nicht mehr einkaufen. Eine Sonntagsöffnung geht auf Kosten der Lebensqualität der betroffenen Beschäftigten und ihrer Familien. Sie würde nur den großen Handelsunternehmen nutzen und damit die Nahversorgung weiter ausdünnen.
Allianz arbeitsfreier Sonntag
Der Kampf um den arbeitsfreien Sonntag verbindet Organisationen, die normalerweise kaum eine gemeinsame Plattform bilden. Gewerkschaften, Kirchen, Freizeitorganisationen haben eine gemeinsame Allianz für den arbeitsfreien Sonntag gebildet. Auf der anderen Seite stehen die großen Verkaufsketten, vor allem Hofer und Lidl, die nicht lockerlassen, bevor nicht auch in Österreich das Shoppen rund um die Uhr an sieben Tage die Woche möglich ist.
Nur durch Beten wird diesem Druck nicht standzuhalten sein. Andere Forderungen sind da schon tauglicher:
- Ein gesetzlicher Mindestlohn von monatlich 1.700 Euro wird auch vielen KollegInnen im Handel helfen, dass sie nicht mehr auf Sonntagszuschläge angewiesen sind.
- Eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Wochenstunden bei vollem Lohnausgleich würde neue Arbeitsplätze schaffen und ist die notwendige Antwort auf ständige Rationalisierung und steigendem Arbeitsdruck.
Gerhard Wimmer, Betriebsrat EZA Fairer Handel in Köstendorf (Salzburg)