Chaos oder Hoffnung
- Mittwoch, 23. November 2016 @ 11:55
Heike Fischer über den Zugang zu Bildung für UMF
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF), also Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die ohne Erziehungsberechtigte gekommen sind, leben in ständiger Angst vor Abschiebung und mit der Sorge um ihre im Herkunftsland zurück gebliebenen Angehörigen. Dies kann fast zwangsläufig zu einer Orientierungslosigkeit der Jugendlichen, zum Teil auch zu psychischen Störungen und zu abweichendem Verhalten führen.
Um dem vorzubeugen ist es in Österreich gut gelungen, diese jungen Menschen in verschiedene Betreuungsformen wie z.B. Wohngruppen oder Familien unterzubringen. Oft ist eine hochqualifizierte pädagogische und psychologische Begleitung und Betreuung gewährleistet. Sobald diese UMF zum Asylverfahren in Österreich zugelassen und in die Landesbetreuung übernommen worden sind, werden sie durch die örtliche Kinder- und Jugendhilfe vertreten.
Dem Recht auf Schulbildung für AsylwerberInnen im schulpflichtigen Alter wird in Österreich grundsätzlich entsprochen. UMF besuchen die gleichen Schulen wie Kinder von ÖsterreicherInnen und MigrantInnen. Nach Beendigung der Pflichtschule gibt es für österreichische Jugendliche die Möglichkeit weiterführende Schulen zu besuchen, eine Lehrausbildung zu beginnen oder direkt ungelernt ins Berufsleben einzusteigen.
Der direkte Berufseinstieg oder der Beginn einer Lehrausbildung nach der Pflichtschule sind für unbegleitete minderjährige AsylwerberInnen in der Praxis de facto nicht gegeben. So sieht es das Ausländerbeschäftigungsgesetz vor. Nur in Einzelfällen und mit Überwindung zahlreicher bürokratischer Hürden ist ein Zugang zu Lehrplätzen in Mangelberufen möglich.
Somit bleibt einzig die schulische Perspektive offen. Und viele der UMF, besonders die aus der höheren Bildungsschicht ihres Herkunftslandes kamen, sind hoch motiviert sich gut zu bilden und zu integrieren. Sie wollen einen Pflichtschulabschluss mit Prüfungen und Abschlusszeugnis erreichen, damit ihnen der Zugang zu weiterer Ausbildung ermöglicht wird.
Für ÖsterreicherInnen kein Problem, wenn sie den Abschluss nach neun Pflichtschuljahren noch nicht geschafft haben – sie können ein freiwilliges zehntes Schuljahr in der Hauptschule, NMS oder im Poly dranhängen.
In Oberösterreich waren 126 junge Flüchtlinge vor dem Sommer noch optimistisch, dass ihr Schulbesuch im September 2016 weitergehen würde. Sie hatten die neunte Schulstufe und auch die Sommerferien genutzt, um vorwiegend Deutschkenntnisse zu erlangen und die deutsche Sprache soweit zu lernen, dass aufbauend darauf auch eine Unterrichtsvermittlung in Mathematik, Englisch und natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Gegenständen möglich ist. Die SchuldirektorInnen standen dem positiv gegenüber, wenn Lernwille und ein positives Sozialverhalten der UMF überzeugend waren.
Aber die schlechte Nachricht kam per Rundschreiben zum ersten Schultag vom Bildungsministerium: Es ist nicht erlaubt außerordentlichen SchülerInnen, die nicht mehr schulpflichtig sind, ein freiwilliges zehntes Schuljahr zu gewähren. Den SchulleiterInnen waren trotz aller Bemühungen die Hände gebunden. Sie mussten ihren jungen Schülern mitteilen: Du darfst nicht mehr in unsere Schule kommen!
Was dies für bereits gut integrierte UMF-SchülerInnen heißt, kann sich jeder vorstellen: Ich will lernen, mich integrieren, in dieser Gesellschaft leben und meinen Weg gehen – aber ich darf nicht! Ein klassischer Frustauslöser, der auf das weitere Verhalten durchaus negative Folgen haben kann. Diese sind bereits von österreichischen SchülerInnen bekannt, die keinen Schulabschluss schaffen, keine Lehrstelle finden, keine Perspektiven sehen, eben einfach frustriert sind.
Nun kann der oö Integrationspolitik zugutegehalten werden, dass die Mehrzahl der UMF pädagogisch gut betreut, aufgefangen und unterstützt wird und dass es gelungen ist, Übergangsklassen und Basisbildungskurse für die betroffenen Jugendlichen zu organisieren. Aber chaotisch ist das System schon: viele verschiedene Anbieter mit jeweils wenigen Plätzen, relativ kurz befristete Finanzierung, unterschiedliches Niveau und unterschiedliche Dauer der Kurse usw. Für BetreuerInnen einer UMF-Wohngruppe eine echte Herausforderung, für jeden ihrer anvertrauten Jugendlichen das Passende und dann das darauf Aufbauende zu finden.
Es muss doch durch die Integrationsverantwortlichen des Landes möglich sein, all die unterschiedlichen Bildungsangebote zusammenzuführen und eine einheitliche sinnvolle Struktur zu erarbeiten. Aufbauend auf dem Erwerb der deutschen Sprache folgt eine gute Grundausbildung, die mit einem Pflichtschulabschluss endet, der dann Voraussetzung ist zum Besuch einer weiterführenden Schule bzw. zum Beginn einer Lehrausbildung. Dies würde sicherlich einiges an Kosten ersparen. Die jugendlichen UMF nutzen ihre Wartezeit im Asylverfahren sinnvoll, erleben langfristig klare Struktur und können sich entsprechend ihres individuellen Potentials weiter entwickeln.
Heike Fischer ist Diplompädagogin und Betriebsratsvorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße Linz und GLB-Landesvorsitzende in OÖ
Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF), also Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren, die ohne Erziehungsberechtigte gekommen sind, leben in ständiger Angst vor Abschiebung und mit der Sorge um ihre im Herkunftsland zurück gebliebenen Angehörigen. Dies kann fast zwangsläufig zu einer Orientierungslosigkeit der Jugendlichen, zum Teil auch zu psychischen Störungen und zu abweichendem Verhalten führen.
Um dem vorzubeugen ist es in Österreich gut gelungen, diese jungen Menschen in verschiedene Betreuungsformen wie z.B. Wohngruppen oder Familien unterzubringen. Oft ist eine hochqualifizierte pädagogische und psychologische Begleitung und Betreuung gewährleistet. Sobald diese UMF zum Asylverfahren in Österreich zugelassen und in die Landesbetreuung übernommen worden sind, werden sie durch die örtliche Kinder- und Jugendhilfe vertreten.
Dem Recht auf Schulbildung für AsylwerberInnen im schulpflichtigen Alter wird in Österreich grundsätzlich entsprochen. UMF besuchen die gleichen Schulen wie Kinder von ÖsterreicherInnen und MigrantInnen. Nach Beendigung der Pflichtschule gibt es für österreichische Jugendliche die Möglichkeit weiterführende Schulen zu besuchen, eine Lehrausbildung zu beginnen oder direkt ungelernt ins Berufsleben einzusteigen.
Der direkte Berufseinstieg oder der Beginn einer Lehrausbildung nach der Pflichtschule sind für unbegleitete minderjährige AsylwerberInnen in der Praxis de facto nicht gegeben. So sieht es das Ausländerbeschäftigungsgesetz vor. Nur in Einzelfällen und mit Überwindung zahlreicher bürokratischer Hürden ist ein Zugang zu Lehrplätzen in Mangelberufen möglich.
Somit bleibt einzig die schulische Perspektive offen. Und viele der UMF, besonders die aus der höheren Bildungsschicht ihres Herkunftslandes kamen, sind hoch motiviert sich gut zu bilden und zu integrieren. Sie wollen einen Pflichtschulabschluss mit Prüfungen und Abschlusszeugnis erreichen, damit ihnen der Zugang zu weiterer Ausbildung ermöglicht wird.
Für ÖsterreicherInnen kein Problem, wenn sie den Abschluss nach neun Pflichtschuljahren noch nicht geschafft haben – sie können ein freiwilliges zehntes Schuljahr in der Hauptschule, NMS oder im Poly dranhängen.
In Oberösterreich waren 126 junge Flüchtlinge vor dem Sommer noch optimistisch, dass ihr Schulbesuch im September 2016 weitergehen würde. Sie hatten die neunte Schulstufe und auch die Sommerferien genutzt, um vorwiegend Deutschkenntnisse zu erlangen und die deutsche Sprache soweit zu lernen, dass aufbauend darauf auch eine Unterrichtsvermittlung in Mathematik, Englisch und natur- und gesellschaftswissenschaftlichen Gegenständen möglich ist. Die SchuldirektorInnen standen dem positiv gegenüber, wenn Lernwille und ein positives Sozialverhalten der UMF überzeugend waren.
Aber die schlechte Nachricht kam per Rundschreiben zum ersten Schultag vom Bildungsministerium: Es ist nicht erlaubt außerordentlichen SchülerInnen, die nicht mehr schulpflichtig sind, ein freiwilliges zehntes Schuljahr zu gewähren. Den SchulleiterInnen waren trotz aller Bemühungen die Hände gebunden. Sie mussten ihren jungen Schülern mitteilen: Du darfst nicht mehr in unsere Schule kommen!
Was dies für bereits gut integrierte UMF-SchülerInnen heißt, kann sich jeder vorstellen: Ich will lernen, mich integrieren, in dieser Gesellschaft leben und meinen Weg gehen – aber ich darf nicht! Ein klassischer Frustauslöser, der auf das weitere Verhalten durchaus negative Folgen haben kann. Diese sind bereits von österreichischen SchülerInnen bekannt, die keinen Schulabschluss schaffen, keine Lehrstelle finden, keine Perspektiven sehen, eben einfach frustriert sind.
Nun kann der oö Integrationspolitik zugutegehalten werden, dass die Mehrzahl der UMF pädagogisch gut betreut, aufgefangen und unterstützt wird und dass es gelungen ist, Übergangsklassen und Basisbildungskurse für die betroffenen Jugendlichen zu organisieren. Aber chaotisch ist das System schon: viele verschiedene Anbieter mit jeweils wenigen Plätzen, relativ kurz befristete Finanzierung, unterschiedliches Niveau und unterschiedliche Dauer der Kurse usw. Für BetreuerInnen einer UMF-Wohngruppe eine echte Herausforderung, für jeden ihrer anvertrauten Jugendlichen das Passende und dann das darauf Aufbauende zu finden.
Es muss doch durch die Integrationsverantwortlichen des Landes möglich sein, all die unterschiedlichen Bildungsangebote zusammenzuführen und eine einheitliche sinnvolle Struktur zu erarbeiten. Aufbauend auf dem Erwerb der deutschen Sprache folgt eine gute Grundausbildung, die mit einem Pflichtschulabschluss endet, der dann Voraussetzung ist zum Besuch einer weiterführenden Schule bzw. zum Beginn einer Lehrausbildung. Dies würde sicherlich einiges an Kosten ersparen. Die jugendlichen UMF nutzen ihre Wartezeit im Asylverfahren sinnvoll, erleben langfristig klare Struktur und können sich entsprechend ihres individuellen Potentials weiter entwickeln.
Heike Fischer ist Diplompädagogin und Betriebsratsvorsitzende im Diakonie Zentrum Spattstraße Linz und GLB-Landesvorsitzende in OÖ