Buchtipp: Nachrichten aus der Normopathie
- Sonntag, 22. November 2015 @ 19:26
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Im Wiener Volksmund wird eine milde Abart dieses Menschentypus als Zwangler bezeichnet: ZeitgenossInnen, die in Fragen der Moral, Sauberkeit, Konformität usw. ein Übermaß an Anpassung an den Tag legen und so etwas wie vorauseilenden Gehorsam walten lassen. Diese Haltung ist meist mit übergroßer Vorsicht verknüpft und läuft im praktischen Lebensvollzug darauf hinaus, nur zu tun, was ausdrücklich erlaubt ist.
Es liegt auf der Hand, dass derartige zwanghaft agierende Personen als Untertanen der Obrigkeit gerade recht sind. Um frei entscheidende Individuen, die ihr Tun und Lassen nach ihrer eigenen Überzeugung steuern und die als grundlegend für das Funktionieren entwickelter Demokratien und lebendiger Bürgergesellschaft betrachtet werden, handelt es sich nicht. Das krankhafte Streben nach Normalität ist nicht auf Menschen beschränkt, die über jeden Verdacht erhaben sind.
Lutz Holzinger: Nachrichten aus der Normopathie, Essays zum Zeitgeschehen, 189 Seiten, 18 Euro, Bestellungen an tarantel-wien@gmx.at