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Buchtipp: „Aber sie trauen sich nicht“

  • Montag, 13. April 2015 @ 10:57
Service Christian Seidl untersucht den Zusammenhang zwischen Sprache, sozialer Ungleichheit und Wohnort. Er geht der Frage im Mürzbogen, einem als problematisch geltenden Stadtviertel, in Kapfenberg nach. Die Stadt in der Steiermark hat knapp 20.000 EinwohnerInnen. „Die schämen sich, weißt Du. Die wollen schon. Die können schon reden. Nicht so gut – fast gar nicht. Aber sie trauen sich nicht, weil sie denken, die anderen würden sie auslachen.“ In qualitativen Interviews zeigt Seidl wie es für Menschen ist, die die Sprache in einem Land nicht beherrschen, in einem benachteiligten Stadtviertel wohnen und wie durch die Sprache die Ungleichheit verstärkt wird.

Mit der Migration ist ein massiver Kapitalverlust verbunden: ökonomisch, sozial und symbolisch. Sprache nimmt dabei eine zentrale Stellung ein, sei es durch eine schlecht bezahlte Arbeitsstelle, einer geringeren Chance, Bildung zu erwerben, oder durch Ausgrenzung im Alltag. Die Befragten geben an, dass sich das Wohnumfeld, etwa durch zu große Gruppen gleicher Nation und Sprache, negativ auf ihre Fähigkeiten in der deutschen Sprache auswirken kann. Positive Effekte haben ethnisch gemischte Hauseingänge: Das Zusammenleben wird über das gemeinsame Kommunikationsmedium Deutsch gefördert.

Im theoretischen – gut verständlich geschriebenen - Teil, setzt sich der Autor mit den Begriffen Armut, sozialräumliche Armut, Ungleichheit, soziale Ungleichheit, der Trennung von Bevölkerungsgruppen (Segregation) und Sprache auseinander. Interviewfragen und aussagkräftigen Textpassagen sind dokumentiert.

Christian Seidl, Sprache, soziale Ungleichheit und Wohnort, Akademiker Verlag, 32,80 Euro

Anne Rieger