Auslaufmodell oder Chance?
- Mittwoch, 10. April 2013 @ 09:31
Von Karin Antlanger
Einen Artikel schreiben geht leicht von der Hand, wenn man inhaltlich zum Thema sattelfest ist. Kein Problem, dachte ich, als ich von der Redaktion zum Thema ÖGB angefragt wurde. Gibt es doch unerfüllte Forderungen, von Arbeitszeitverkürzung bis Mindestlohn. Ganz abgesehen von einer offensiven KV-Politik und der Forderung dass GewerkschafterInnen im Parlament sich nicht dem Klubzwang sondern den Interessen derjenigen verpflichtet fühlen, die sie vertreten.
Aber selten fiel mir das Verfassen eines Artikels so schwer wie diesmal. Wahrscheinlich weil „Forderungen an den ÖGB“ immer wieder im Nichts verhallen. Weil sie Forderungen an das Salzamt sind, sich seit Jahrzehnten eh nichts ändert und „die da oben eh tun wie sie wollen“. Und sagt jetzt bitte nicht „wir alle sind doch der ÖGB“. Ist zwar gut gemeint, die Entscheidungen treffen aber nur ein paar wenige.
Nichts ist österreichischer als der ÖGB
+ Ein bisserl jammern, ein wenig schimpfen, aber nur nicht an den Grundfesten des Systems rütteln.
+ Viel Theaterdonner vor Wahlen, aber wenn die SP wieder den Kanzler stellt und der alte ÖGB-Präsident auf den Posten des Sozial- und Arbeitsministers abgeschoben werden kann, wieder ganz auf staatstragend machen.
+ Sich auf dem Papier zu allem möglichen zu bekennen, seit 30 Jahren die 35-Stundenwoche immer wieder beschließen, obwohl sie in der obersten Funktionärselite intern längst aufgegeben wurde.
+ Es sich nicht mit den Mächtigen verderben, wenn dafür die „eigenen Leute“ mit wichtigen Posten belohnt werden, freilich nicht die gesamte Mitgliederschar des ÖGB, sondern nur brave Partei- bzw. FraktionssoldatInnen.
Vorwärts zurück in die Vergangenheit!
Die ÖGB-VertreterInnen in den Sozialpartnerschaftsgremien und im Parlament haben in den letzten Jahren so einiges abgenickt und uns aufs Aug gedrückt:
+ Statt Arbeitszeitverkürzung gibt es eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, da das Pensionsantrittsalter für Frauen ab 2024 schrittweise auf 65 Jahre angehoben wird, obwohl wir von einer Gleichstellung noch weit entfernt sind.
+ Die Höhe der Abfertigungen wurde durch „Abfertigung neu“ schmerzlich reduziert und gleichzeitig Finanzhaien in den Rachen geschmissen, da vom Umlageverfahren abgegangen wurde.
+ Die KV-Verhandlungen führen seit vielen Jahren zu Reallohnverlusten. Ganz abgesehen davon, dass durch die schwache KV-Politik der Gewerkschaften neue, große Billiglohnbranchen für Frauen im Bereich Gesundheit, Pflege und Soziales mit einem Großteil als Teilzeitarbeitsplätzchen festgeschrieben wurden.
Dies sind nur drei Beispiele für die schmähliche Politik der Gewerkschaften der letzten Jahre.
Neue glaubwürdige Gewerkschaftskultur
Wenn sich nichts ändert sind die Gewerkschaften bald ein Auslaufmodell. Die bereits so oft formulierten Forderungen nach einer
+ radikalen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und gleichzeitigem Stopp für Überstunden,
+ einem gesetzlichen Mindestlohn, existenzsichernd auch für Beschäftigte ohne Kollektivvertrag,
+ Sozialversicherungspflicht für jede geleistete Stunde Arbeit,
+ Lohn-und Gehaltserhöhungen, die nicht nur die Teuerung abgelten sondern auch die Produktivitätssteigerung bzw. Leistungsverdichtung.
Egal welche Forderung es umzusetzen gilt – dies ist nur mit einem erneuerten ÖGB möglich. Dies setzt allerdings eine Abkehr vom alten Funktionärstum voraus, eine Abkehr von der altösterreichischen Beamtenmentalität, welche die Mitglieder nur als Verwaltungsgut und Stimmvieh sieht.
Erst wenn der Großteil der hauptamtlichen ÖGB-FunktionärInnen die Gewerkschaftsmitglieder nicht mehr als manipulierbare Masse sieht, der man einen Reallohnverlust als tollen Erfolg verkaufen kann, erst dann ist der Weg frei zu einer neuen Kultur der Selbstermächtigung in der Gewerkschaftspolitik. Und dies zu ermöglichen liegt auch zum gleichen Teil bei den Gewerkschaftsmitgliedern selbst.
Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und BRVStv bei EXIT-sozial Linz
Einen Artikel schreiben geht leicht von der Hand, wenn man inhaltlich zum Thema sattelfest ist. Kein Problem, dachte ich, als ich von der Redaktion zum Thema ÖGB angefragt wurde. Gibt es doch unerfüllte Forderungen, von Arbeitszeitverkürzung bis Mindestlohn. Ganz abgesehen von einer offensiven KV-Politik und der Forderung dass GewerkschafterInnen im Parlament sich nicht dem Klubzwang sondern den Interessen derjenigen verpflichtet fühlen, die sie vertreten.
Aber selten fiel mir das Verfassen eines Artikels so schwer wie diesmal. Wahrscheinlich weil „Forderungen an den ÖGB“ immer wieder im Nichts verhallen. Weil sie Forderungen an das Salzamt sind, sich seit Jahrzehnten eh nichts ändert und „die da oben eh tun wie sie wollen“. Und sagt jetzt bitte nicht „wir alle sind doch der ÖGB“. Ist zwar gut gemeint, die Entscheidungen treffen aber nur ein paar wenige.
Nichts ist österreichischer als der ÖGB
+ Ein bisserl jammern, ein wenig schimpfen, aber nur nicht an den Grundfesten des Systems rütteln.
+ Viel Theaterdonner vor Wahlen, aber wenn die SP wieder den Kanzler stellt und der alte ÖGB-Präsident auf den Posten des Sozial- und Arbeitsministers abgeschoben werden kann, wieder ganz auf staatstragend machen.
+ Sich auf dem Papier zu allem möglichen zu bekennen, seit 30 Jahren die 35-Stundenwoche immer wieder beschließen, obwohl sie in der obersten Funktionärselite intern längst aufgegeben wurde.
+ Es sich nicht mit den Mächtigen verderben, wenn dafür die „eigenen Leute“ mit wichtigen Posten belohnt werden, freilich nicht die gesamte Mitgliederschar des ÖGB, sondern nur brave Partei- bzw. FraktionssoldatInnen.
Vorwärts zurück in die Vergangenheit!
Die ÖGB-VertreterInnen in den Sozialpartnerschaftsgremien und im Parlament haben in den letzten Jahren so einiges abgenickt und uns aufs Aug gedrückt:
+ Statt Arbeitszeitverkürzung gibt es eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, da das Pensionsantrittsalter für Frauen ab 2024 schrittweise auf 65 Jahre angehoben wird, obwohl wir von einer Gleichstellung noch weit entfernt sind.
+ Die Höhe der Abfertigungen wurde durch „Abfertigung neu“ schmerzlich reduziert und gleichzeitig Finanzhaien in den Rachen geschmissen, da vom Umlageverfahren abgegangen wurde.
+ Die KV-Verhandlungen führen seit vielen Jahren zu Reallohnverlusten. Ganz abgesehen davon, dass durch die schwache KV-Politik der Gewerkschaften neue, große Billiglohnbranchen für Frauen im Bereich Gesundheit, Pflege und Soziales mit einem Großteil als Teilzeitarbeitsplätzchen festgeschrieben wurden.
Dies sind nur drei Beispiele für die schmähliche Politik der Gewerkschaften der letzten Jahre.
Neue glaubwürdige Gewerkschaftskultur
Wenn sich nichts ändert sind die Gewerkschaften bald ein Auslaufmodell. Die bereits so oft formulierten Forderungen nach einer
+ radikalen Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und gleichzeitigem Stopp für Überstunden,
+ einem gesetzlichen Mindestlohn, existenzsichernd auch für Beschäftigte ohne Kollektivvertrag,
+ Sozialversicherungspflicht für jede geleistete Stunde Arbeit,
+ Lohn-und Gehaltserhöhungen, die nicht nur die Teuerung abgelten sondern auch die Produktivitätssteigerung bzw. Leistungsverdichtung.
Egal welche Forderung es umzusetzen gilt – dies ist nur mit einem erneuerten ÖGB möglich. Dies setzt allerdings eine Abkehr vom alten Funktionärstum voraus, eine Abkehr von der altösterreichischen Beamtenmentalität, welche die Mitglieder nur als Verwaltungsgut und Stimmvieh sieht.
Erst wenn der Großteil der hauptamtlichen ÖGB-FunktionärInnen die Gewerkschaftsmitglieder nicht mehr als manipulierbare Masse sieht, der man einen Reallohnverlust als tollen Erfolg verkaufen kann, erst dann ist der Weg frei zu einer neuen Kultur der Selbstermächtigung in der Gewerkschaftspolitik. Und dies zu ermöglichen liegt auch zum gleichen Teil bei den Gewerkschaftsmitgliedern selbst.
Karin Antlanger ist Sozialpädagogin und BRVStv bei EXIT-sozial Linz