Auslagerung der politischen Kompetenz
- Dienstag, 24. Februar 2015 @ 14:29
Michael Graber über die ÖIAG und deren Nachfolge
Österreich übernahm 1945 zahlreiche Industriebetriebe als ehemaliges deutsches Eigentum. Das erste und zweite Verstaatlichungsgesetz 1946 und 1947 sicherten das Eigentum der Republik an den wichtigsten Betrieben der Grundstoffindustrie und der Banken. Davon erfasst waren Bergbau, Stahl- und Aluminiumerzeugung, Elektroindustrie, Elektrizitätserzeugung und -verteilung, Creditanstalt und Länderbank und deren angeschlossene Industriekonzerne sowie ab 1955 die Erdölindustrie. Damit kontrollierte die öffentliche Hand etwa ein Drittel der Industrieproduktion und fast hundert Prozent der Elektrizitätswirtschaft, was für den Wiederaufbau nach dem Krieg von entscheidender Bedeutung war.
Für die beiden Großparteien, von 1946 bis 1966 in einer Koalition unter Führung der ÖVP verbunden, war die Verstaatlichte sowohl ein wirtschaftspolitischer Hebel zur Durchsetzung ihrer jeweiligen wirtschaftspolitischen Interessen wie auch ein wichtiger Bereich zur Sicherung von Machtpositionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. So wurde die Verstaatlichte zum Paradebeispiel des Proporzes.
Immer umkämpft
Umkämpft war deshalb von Anfang an sowohl die Form als auch die personelle Besetzung der Führung der Verstaatlichten. Setzte sich die ÖVP durch, wurden Gremien gebildet, die unter dem Vorwand der „Entpolitisierung“ dem in- und ausländischen Privatkapital mehr Einfluss verschaffte. Wurde die SPÖ stärker, wurden diese teilweise zurückgenommen, ohne aber deren Einfluss entscheidend zu schwächen.
1956 wurde unter Führung der ÖVP in der Regierung die „Industrie- und Bergbauverwaltungsgesellschaft (IVB) gegründet, die im Rahmen ihrer Verwaltungsaufgaben die Leitungen der verstaatlichten Unternehmen bestellte. Ihr erster Geschäftsführer Igler war ein Vertreter der damals mächtigsten Industrie- und Bankfamilie Schoeller. 1959, nach einem relativen Wahlerfolg der SPÖ wurde die IVB wieder aufgelöst und ihre Agenden einer Sektion des Bundeskanzleramtes übertragen, allerdings ohne Weisungsrecht des zuständigen SPÖ-Vizekanzlers.
1967 unter der ÖVP-Alleinregierung wurde die ÖIG gegründet, die die Anteilsrechte der Republik ausübte. 1970 ging die ÖIG in die ÖIAG über, der nunmehr auch die Eigentumsrechte der Republik übertragen wurde. Auf Druck vieler Belegschaften blieb nur die Zuständigkeit des Hauptausschusses des Parlaments im Falle von Veräußerungen übrig, die zu einer Minderheitsbeteiligung der ÖIAG führten.
Verstaatlichte zerschlagen
Auch während der Alleinregierung der SPÖ unter Kreisky blieb diese Konstruktion unverändert. Die Krise 1985/86 der Verstaatlichten führte schließlich zu deren Zerschlagung und unter einer SPÖ/ÖVP-Regierung zum dezidierten Privatisierungsauftrag an die ÖIAG. Von den ehemals 120.000 Beschäftigten in ihrem Bereich blieb faktisch kaum mehr etwas übrig.
Von den zahlreichen Beteiligungen der ÖIAG blieb bis heute nur die Minderheitsbeteiligung an der ÖMV übrig. An der Telekom hält die ÖIAG nach dem schändlichen Verkauf an den mexikanischen Tycoon Slim noch 28,4 Prozent, an der Post 52,8 Prozent. Die beiden letzten Konzerne sind der ÖIAG zum Zweck ihrer Privatisierung angegliedert worden. Die ÖIAG als Privatisierungsagentur insbesondere unter Schwarz-Blau-Orange hat unter anderem die Staatsdruckerei, das Dorotheum, den Flughafen Wien, die Postsparkasse, die Telekom und die Austria Tabak auf dem Gewissen.
Um die Privatisierungen weiter abzusichern, führte die Regierung Schüssel jene Regelung ein, dass der Aufsichtsrat der ÖIAG sich selbst bestellt. Das führte dazu, dass ein Klüngel der Industriellenvereinigung über das noch „öffentliche“ Eigentum und über die Postenvergabe nach Belieben verfügte. Selbst der ÖVP-nahe Manager Claus Raidl sagte: „Aus der Selbsterneuerung wurde eine Art der Selbstbedienung“. Immerhin standen in der ÖIAG Posten für über zwei Millionen Euro zur Verfügung, plus die zu bestellenden Aufsichtsratsposten in den Firmen. Alle Versuche andere noch verbliebene Bereiche öffentlichen Eigentums wie die ÖBB, Asfinag oder den Verbund unter diese Konstruktion zu zwingen, konnten bisher abgewehrt werden.
Privatisierung inklusive
Insbesondere die Verscherbelung der Anteile der Telekom und die Korruption dortiger Manager, die zu Gefängnisstrafen führten, und die Personalpolitik in der ÖMV haben nun zu einer neuerlichen Reform geführt. Die Regierung werkt nun an der Umwandlung der ÖIAG in die Österreichische Bundes- und Industrieholding (ÖBIB), die im März im Parlament beschlossen wird.
In dieser Konstruktion wählt ein von der Regierung (zuständig ist der Finanzminister) bestelltes Proporzgremium den weisungsgebundenen Generalsekretär und die Aufsichtsräte in den Beteiligungsfirmen. Nach AK-Direktor Muhm „übernimmt der Eigentümer wieder selbst die Verantwortung für sein öffentliches Eigentum“. Die Bundesregierung habe bei allen wesentlichen Schritten die Entscheidungskompetenz: bei Verkauf, Kauf oder Kapitalerhöhung. Auch bei Verkauf wohlgemerkt. Weitere Privatisierungen sind also nicht ausgeschlossen. Warum aber, wenn die Regierung die Verantwortung übernimmt, braucht es eine Nachfolgekonstruktion der ÖIAG?
Michael Graber ist Volkswirt in Wien und Finanzreferent der KPÖ
Österreich übernahm 1945 zahlreiche Industriebetriebe als ehemaliges deutsches Eigentum. Das erste und zweite Verstaatlichungsgesetz 1946 und 1947 sicherten das Eigentum der Republik an den wichtigsten Betrieben der Grundstoffindustrie und der Banken. Davon erfasst waren Bergbau, Stahl- und Aluminiumerzeugung, Elektroindustrie, Elektrizitätserzeugung und -verteilung, Creditanstalt und Länderbank und deren angeschlossene Industriekonzerne sowie ab 1955 die Erdölindustrie. Damit kontrollierte die öffentliche Hand etwa ein Drittel der Industrieproduktion und fast hundert Prozent der Elektrizitätswirtschaft, was für den Wiederaufbau nach dem Krieg von entscheidender Bedeutung war.
Für die beiden Großparteien, von 1946 bis 1966 in einer Koalition unter Führung der ÖVP verbunden, war die Verstaatlichte sowohl ein wirtschaftspolitischer Hebel zur Durchsetzung ihrer jeweiligen wirtschaftspolitischen Interessen wie auch ein wichtiger Bereich zur Sicherung von Machtpositionen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. So wurde die Verstaatlichte zum Paradebeispiel des Proporzes.
Immer umkämpft
Umkämpft war deshalb von Anfang an sowohl die Form als auch die personelle Besetzung der Führung der Verstaatlichten. Setzte sich die ÖVP durch, wurden Gremien gebildet, die unter dem Vorwand der „Entpolitisierung“ dem in- und ausländischen Privatkapital mehr Einfluss verschaffte. Wurde die SPÖ stärker, wurden diese teilweise zurückgenommen, ohne aber deren Einfluss entscheidend zu schwächen.
1956 wurde unter Führung der ÖVP in der Regierung die „Industrie- und Bergbauverwaltungsgesellschaft (IVB) gegründet, die im Rahmen ihrer Verwaltungsaufgaben die Leitungen der verstaatlichten Unternehmen bestellte. Ihr erster Geschäftsführer Igler war ein Vertreter der damals mächtigsten Industrie- und Bankfamilie Schoeller. 1959, nach einem relativen Wahlerfolg der SPÖ wurde die IVB wieder aufgelöst und ihre Agenden einer Sektion des Bundeskanzleramtes übertragen, allerdings ohne Weisungsrecht des zuständigen SPÖ-Vizekanzlers.
1967 unter der ÖVP-Alleinregierung wurde die ÖIG gegründet, die die Anteilsrechte der Republik ausübte. 1970 ging die ÖIG in die ÖIAG über, der nunmehr auch die Eigentumsrechte der Republik übertragen wurde. Auf Druck vieler Belegschaften blieb nur die Zuständigkeit des Hauptausschusses des Parlaments im Falle von Veräußerungen übrig, die zu einer Minderheitsbeteiligung der ÖIAG führten.
Verstaatlichte zerschlagen
Auch während der Alleinregierung der SPÖ unter Kreisky blieb diese Konstruktion unverändert. Die Krise 1985/86 der Verstaatlichten führte schließlich zu deren Zerschlagung und unter einer SPÖ/ÖVP-Regierung zum dezidierten Privatisierungsauftrag an die ÖIAG. Von den ehemals 120.000 Beschäftigten in ihrem Bereich blieb faktisch kaum mehr etwas übrig.
Von den zahlreichen Beteiligungen der ÖIAG blieb bis heute nur die Minderheitsbeteiligung an der ÖMV übrig. An der Telekom hält die ÖIAG nach dem schändlichen Verkauf an den mexikanischen Tycoon Slim noch 28,4 Prozent, an der Post 52,8 Prozent. Die beiden letzten Konzerne sind der ÖIAG zum Zweck ihrer Privatisierung angegliedert worden. Die ÖIAG als Privatisierungsagentur insbesondere unter Schwarz-Blau-Orange hat unter anderem die Staatsdruckerei, das Dorotheum, den Flughafen Wien, die Postsparkasse, die Telekom und die Austria Tabak auf dem Gewissen.
Um die Privatisierungen weiter abzusichern, führte die Regierung Schüssel jene Regelung ein, dass der Aufsichtsrat der ÖIAG sich selbst bestellt. Das führte dazu, dass ein Klüngel der Industriellenvereinigung über das noch „öffentliche“ Eigentum und über die Postenvergabe nach Belieben verfügte. Selbst der ÖVP-nahe Manager Claus Raidl sagte: „Aus der Selbsterneuerung wurde eine Art der Selbstbedienung“. Immerhin standen in der ÖIAG Posten für über zwei Millionen Euro zur Verfügung, plus die zu bestellenden Aufsichtsratsposten in den Firmen. Alle Versuche andere noch verbliebene Bereiche öffentlichen Eigentums wie die ÖBB, Asfinag oder den Verbund unter diese Konstruktion zu zwingen, konnten bisher abgewehrt werden.
Privatisierung inklusive
Insbesondere die Verscherbelung der Anteile der Telekom und die Korruption dortiger Manager, die zu Gefängnisstrafen führten, und die Personalpolitik in der ÖMV haben nun zu einer neuerlichen Reform geführt. Die Regierung werkt nun an der Umwandlung der ÖIAG in die Österreichische Bundes- und Industrieholding (ÖBIB), die im März im Parlament beschlossen wird.
In dieser Konstruktion wählt ein von der Regierung (zuständig ist der Finanzminister) bestelltes Proporzgremium den weisungsgebundenen Generalsekretär und die Aufsichtsräte in den Beteiligungsfirmen. Nach AK-Direktor Muhm „übernimmt der Eigentümer wieder selbst die Verantwortung für sein öffentliches Eigentum“. Die Bundesregierung habe bei allen wesentlichen Schritten die Entscheidungskompetenz: bei Verkauf, Kauf oder Kapitalerhöhung. Auch bei Verkauf wohlgemerkt. Weitere Privatisierungen sind also nicht ausgeschlossen. Warum aber, wenn die Regierung die Verantwortung übernimmt, braucht es eine Nachfolgekonstruktion der ÖIAG?
Michael Graber ist Volkswirt in Wien und Finanzreferent der KPÖ