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Aus der Geschichte lernen?

  • Donnerstag, 16. Juli 2015 @ 11:25
Geschichte Kurze Beiträge von Werner Lang zur Geschichte der Arbeiterliteratur

Die Sozialdemokratie in ihrer Mehrheit machte den ersten Weltkrieg mit, und später begnügten sich die Mehrheitssozialisten mit oberflächlichen demokratischen Ornamenten und ließen alles Wesentliche des alten Systems nicht nur fast unberührt, sondern gaben der Reaktion in der Nachkriegszeit in weitem Umfang die Möglichkeit, ihre Kräfte zu konzentrieren und ihre Diktatur vorzubereiten. Nur die revolutionäre Linke nahm eine entschiedene Position gegen den imperialistischen Krieg ein und unternahm Versuche, die reaktionären Mächte in der Nachkriegszeit zu brechen. Der Einfluss der expressionistischen Bewegung auf die Arbeiterliteratur war das Übernehmen von pathetisch verkündeten dichterischen Prophetentum. Diese „literarische Revolution“ lebte sich nur auf dem Papier aus. Die mit dieser Links-Bewegung Sympathisierenden, gab ein verworren utopisches, manifestierend-lyrisches Bild der Zerfahrenheit der Zustände, schreibt Lukacs. (S. 49, Georg Lukacs, „Deutsche Literatur während des Imperialismus, Aufbau-Verlag Berlin, 2. Auflage.).

Der in expressionistischer Form schreibende Arbeiterdichter Hans Heidenbauer, der über die positive Besetzung „der Arbeit“ zur österreichischen Arbeiterbewegung kam – heute würde man „Arbeitsplatzsicherung um jeden Preis“ sagen - sah den Nationalsozialismus als Ausweg an, der wieder Arbeit bringen würde. Z. B., im Punkt 10 des Parteiprogramms der NSDAP heißt es: Erste Plicht jedes Staatsbürgers muss sein, geistig oder körperlich zu schaffen. Die Tätigkeit des einzelnen darf nicht gegen die Interessen der Allgemeinheit verstoßen, sondern muss im Rahmen des Gesamten und zum Nutzen aller erfolgen … Abschaffung des arbeits- und mühelosen Einkommens. Brechung der Zinsknechtschaft. … (Michael Klönne, S. 25.).

Im Jahr 1938 veröffentlicht Heidenbauer enthusiastische Berichte über seine Teilnahme an einer KDF- Werbefahrt nach Deutschland. Danach, noch im gleichen Jahr verlor Haiderbauer seine Arbeit, weil er vor 1938 Bildungsreferent der AK war. 1942 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. (S. 320).

Die zwei letzten Strophen von „Arbeit im Walwerk“:

In den Öfen schlagen Flammen
Über Stahl und Stein zusammen,
blecken gierig aus den Ritzen
nach des Schweißers braunen Händen,
die die Eisenblöcke wenden
und – die Gluten regeln – hitzen.

Tausend Schlangen müssen wandern,
immer eine nach der anderen,
in die engen Walzkaliber;
müssen ringelnd sich durchwinden,
dann erst ist die Schicht vorüber!

Die letzte Strophe von „Zum toten Werke blick ich hin“, 1933:

Es war einmal! Der Tag schaut blind
Durchs halbzerbrochne Fenster,
vernehmlich seufzt und weint der Wind,
als wären hier Gespenster.

Mythisierung und Heroisierung der Arbeitswelt und des Gemeinschaftserlebnisses (auch des Krieges 1914-18) mündeten für einige Autoren in die Blut- und-Bodendichtung (M. Barthel). 1914 kann man die Spaltung der Arbeiterbewegung mit Hilfe der Arbeiterliteratur darstellen:

Eine Strophe vom Gedicht des Arbeiterdichters Heinrich Lersch (Nationalist), 1914:

Uns ruft Gott, mein Weib, uns ruft Gott!
Der uns Heimat, Brot und Vaterland geschaffen,
Recht und Mut und Liebe, das sind seine Waffen,
uns ruft Gott, mein Weib, uns ruft Gott!
Wenn wir unser Glück mit Trauern büßen:
Deutschland muss leben, und wenn wir sterben müssen!

Die Antwort dazu gibt der Arbeiterdichter Will Vesper (Nationalsozialist) 1914:

Die zweite Strophe:

„Ja!“ ruft ganz Deutschland, „und kennt ihr ihn nicht,
so wollen wir ihn euch nennen:
Der Gott, der aus unsren Kanonen spricht,
der Gott, der eure Festen zerbricht,
der auf unsern Schiffen am Himmel saust,
der Gott unserer Schwerter, vor dem euch graust,
es ist der gleiche allmächtige Geist,
der schon jahrtausendelang
über Deutschland kreist,
durch all unser Leben webt und braut,
auf dem wir alle auferbaut!
Wotan, der alte Wolkenwandrer.

Wotan: auch Wodan, Odin; in der germanischen Mythologie die höchste Gottheit: Gott des Todes, häufig auch Sieges- oder Kriegsgott.

Die Machtergreifung des Nationalsozialismus trieb viele Autoren der Arbeiterliteratur ins Exil (O. Krille, K. Kläber, J. Zerfass, B. Schönlank, H. Dohrenbusch, P. Zech, W. Bredel, H. Marchwitza, A. Scharrer u. a.). Die meisten Werke der Arbeiterliteratur wurden verboten, manche Texte, besonders die der »Arbeiterdichter«, wurden von den Nationalsozialisten umfunktioniert und der nationalsozialistischen Arbeitsliteratur subsumiert (Bröger, Lersch, Engelke u. a.). Nur wenige Verfasser von Arbeiterliteratur stellten sich in den Dienst des Nationalsozialismus (Barthel, Lersch).

Werner Lang ist im Werkkreis Literatur der Arbeitswelt, Werkstatt Wien, aktiv

Literaturverzeichnis:
- Brenner Helmut, in, „im Schatten des Phönix“, Weishaupt Verlag, „Hans Heidenbauer“, S. 320. (Hans Heidenbauer, Alltag, Wien, 1933, S. 14f, S.51)
- Klönne Michael, „Der deutsche Faschismus“, Programmatik und soziale Basis, Nationaler „Sozialismus“ von rechts“, Hrsg. Jan Peters, Verlag, Klaus Guhl, 1980.
- Lukacs Georg, „Deutsche Literatur während des Imperialismus“, 2. Auflage, Aufbau-Verlag Berlin. Herausgeber, Gast Wolfgang, „Politische Lyrik“, Deutsche Zeitgedichte des 19. Und 20. Jahrhunderts, Verlag Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1973, S. 21.
- Universallexikon, Arbeiterliteratur: http://universal_lexikon.deacademic.c...literatur.